06.03.2017

Fragen aus der Schublade holen

Von Marie-Christine Andres Schürch

Religiöser Glaube fällt meist nicht vom Himmel, sondern wächst im Zusammenhang mit bestimmten Begegnungen und persönlichen Erfahrungen. Im Stück «Like a Prayer» stellt Regisseurin Corinne Maier die gerade heute so komplexe wie aktuelle Frage nach dem Glauben  – und den Geschichten hinter dem Glauben. Das Theater Tuchlaube in Aarau zeigt «Like a Prayer» am 6. und 7. April. Horizonte verlost noch einmal zwei Tickets für den Theaterabend. Corinne Maier erzählt im Interview, warum sie zur Auseinandersetzung mit dem Glauben gezwungen war und was sie während einer Woche im Kloster erlebt hat.


Corinne Maier, zum Titel des Stücks «Like a Prayer» fällt einem spontan das Album der Popsängerin Madonna ein. Wie sind Sie auf diesen Namen gekommen?
Corinne Maier:
Der Abend sollte Geschichten erzählen, von den beiden Performern und den Schwestern im Kloster, die wir besucht hatten. Auch wenn der Abend nicht wie ein Gebet, sondern ein Theaterabend werden sollte, schwebte mir doch ein performativer Ansatz vor, der das Erzählen selbst in den Vordergrund stellt und ihm eine Wirkung zuspricht. Zu diesem Vorhaben hat Madonnas Song- und Albumtitel ganz einfach inhaltlich gut gepasst. Ausserdem wird durch den Bezug zum Pop ein weiterer Rahmen aufgemacht, der das Religiöse in einem anderen Licht erscheinen lässt und es vielleicht stellenweise auch suspendiert hat.

Im Pressetext zum Stück ist von einem «einschneidenden persönlichen Erlebnis» die Rede, welches Sie mit der Frage nach der Religion konfrontierte. Mögen Sie mehr zu diesem Erlebnis sagen?
Ich setzte mich fast gezwungenermassen mit dem Thema Glauben auseinander, weil eine sehr gute Freundin von mir ein ‚übersinnliches’ Erlebnis hatte. Sie wurde danach quasi von einem Tag auf den anderen gläubig und hat mich damit vor viele Fragen gestellt. Wie kann das sein? Und vor allem: Glaube ich jetzt noch an diese Freundschaft? Für mich hat sich das erst einmal angefühlt, als wäre sie aus unserer gemeinsamen in eine gegenteilige Partei eingetreten.

Für die Recherche zum Stück weilten Sie und Ihr Filmteam eine Woche im Kloster St. Josef im Muotathal. Was hofften Sie dort zu finden?
Ich hatte mir erhofft, dass wir, und später das Publikum, durch die Gespräche im Kloster und durch die Auseinandersetzung mit einem formal strengen, eher fernen Glaubensleben etwas Fremdes kennenlernen und dadurch auch – quasi über Bande – eigenen Positionen auf die Schliche kommen. Es war toll, dass wir eine ganze Woche den normalen Ablauf im Kloster durcheinander wirbeln durften. Denn das ist passiert, obwohl wir am Anfang nur still mitlaufen wollten.

Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Ja. Wir durften viel und viel mehr als erwartet am Alltagsleben der Schwestern teilhaben und haben so wirklich einen Einblick in das uns unvertraute Klosterleben und die auch sehr individuellen Einstellungen der Schwestern bekommen. Das Erfahrene dann später während der Proben in einem zweiten Schritt und aus der Distanz heraus in Bezug zu den eigenen Glaubenswelten – oder auch Nicht-Glaubenswelten – zu bringen, war gar nicht so leicht. Das Kloster ist tatsächlich ein starker Gegenpol zu unseren Stadt- und Reiseleben.

Was hat Sie im Kloster überrascht?
Die Offenheit und den einnehmenden Humor der Schwestern hatten wir ehrlich gesagt so nicht unbedingt erwartet.

Das Theaterstück ist in den vergangenen eineinhalb Jahren auf diversen Festivals gelaufen. Was hat sich seither verändert?
Es hat sich gesetzt, manche Haltungen sind klarer geworden. Einerseits durch ein, zwei Umstellungen im Ablauf, aber auch ganz einfach durch die zeitliche Distanz und unseren veränderten Blick auf das Stück.

Im Anschluss an die Aufführung vom 6. April gibt es im Theater Tuchlaube ein Publikumsgespräch. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Es gab schon einige sehr unterschiedliche Publikumsgespräche zu «Like A Prayer». Es ist schwierig, diese unterschiedlichen Erfahrungen auf einen Nenner zu bringen. Jedes Gespräch war auf seine Art und Weise spannend. Abhängig von der Zusammensetzung der Gruppe, die für das Gespräch bleibt, steht manchmal mehr das Stück oder aber das Thema im Vordergrund; es gab auch schon sehr angeregte und aufgeregte Gespräche, gerade wenn Leute mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammenkamen.

Also eine spannende Sache. Das Pfarrblatt Horizonte verlost Tickets für «Like a Prayer». Worauf dürfen sich die Gewinner sonst noch freuen?
Wenn man möchte, kann man sich an dem Abend wieder einmal mit Fragen auseinandersetzen, die man länger in der Schublade hat verstauben lassen. Nachdem sich so eine Sicht auf die Welt einmal gesetzt hat, wird sie selten wieder grundlegend hinterfragt. Allerdings kann genau das ja auch grossen Spass machen!

Horizonte verlost noch einmal 2 Tickets für die Aufführung vom 6. April 2017. Wer an der Verlosung teilnehmen möchte, schreibt bis Sonntagabend, 26. März 2017, ein E-Mail an redaktion@horizonte-aargau.ch. Bitte geben Sie Ihren Namen und Ihre Adresse an.

Öffentliche Aufführungen:
Mittwoch, 6. April 2017, 20.15 Uhr
Donnerstag, 7. April 2017, 20.15 Uhr

Vorverkauf / Reservation: www.tuchlaube.ch / aarau info, Metzgergasse 2, T 062 834 10 34

Die 1981 geborene Baslerin Corinne Maier studierte in Hildesheim Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis. sie arbeitete als Dramaturgin und Theaterpädagogin, gründete das Theaterkollektiv «magic garden» mit und stand zunächst in Lecture Performances selbst auf der Bühne. 2012 begann sie, auch Regie zu führen und inszenierte 2013 «Past is Present», mit dem sie seither auf zahlreichen europäischen Festivals und in Indien tourte und 2015 auch im Theater Tuchlaube Aarau zu Gast war. Zuletzt inszenierte sie «MY SELF» am Stadttheater Giessen. Ausführliche Expeditionen und Recherchen stehen am Anfang ihrer oft dokumentarischen Theaterarbeiten.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.