18.02.2015

Christliche Konfessionen fasten unterschiedlich

Von Andreas C. Müller

In ihr bereitet sich die Kirche auf Ostern vor, das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Mit dem Aschermittwoch beginnt für die meisten Christen in aller Welt (mit Ausnahme der Gläubigen der Ostkirchen) die 40-tägige vorösterliche Busszeit, auch Fastenzeit genannt. Sie lädt die Gläubigen ein, sich erneut auf die Grundlagen christlicher Existenz zu besinnen. Daher stehen Busse, Reinigung und Umkehr im Zentrum der Fastenzeit.

Sie heisst auch Österliche Busszeit oder Vierzig-Tage-Zeit (Quadragesima). Die Dauer der Fastenzeit leitet sich von dem biblischen Bericht über eine 40-tägige Gebets- und Fastenzeit her, die Jesus nach seiner Taufe im Jordan in der Wüste auf sich nahm. Überhaupt hat die Zahl 40 in der biblischen Sprache einen hohen Symbolwert. So fastete der Prophet Elija 40 Tage in der Wüste, ehe er seiner Berufung folgte. Das Volk Israel wanderte nach dem Auszug aus Ägypten 40 Jahre durch die Wüste und durchlief damit eine Zeit der Läuterung. Moses war Gott auf dem Berg Sinai 40 Tage nahe. Die Stadt Ninive hatte 40 Tage, um ihre Sünden zu bereuen. Der Sinn der Fastenzeit besteht darin, in Vorbereitung auf das höchste Fest im Kirchenjahr christliches Leben bzw. Christusnachfolge (neu) einzuüben. Die 40-tägige Fastenzeit – die Sonntage werden nicht mitgerechnet – endet mit dem Karsamstag.

Verzicht aufs Auto
Fasten wird heute von Menschen auf unterschiedliche Weise praktiziert. Verzicht auf Fleisch oder Süssigkeiten, Nicht-Benützen des Autos oder tägliche Auseinandersetzung mit einer Bibelstelle zählen zu den häufigen Fastenpraktiken. Auch Tagesimpulse per SMS oder E-Mail werden viel genutzt. Der Aschermittwoch ist neben dem Karfreitag der einzige Tag, der in der katholischen Kirche als strenger Fasttag gilt.

Orthodoxe fasten früher und strenger
Ausgeprägter als in der römisch-katholischen Kirche wird in der orthodoxen Kirche gefastet. Während die Katholiken noch den Fasnachtsausklang feiern, bevor das Fasten am Aschermittwoch beginnt, fängt für orthodoxe Christen schon mit dem Montag nach dem Fasnachtssonntag – umgangssprachlich oft «Reiner Montag» genannt – die Fastenzeit an. Dieser Tag ist gemeinsam mit dem Karfreitag der wichtigste Fasttag des Jahres. Auf die ersten 40 Tage des «Grossen Fastens» folgen der Lazarus-Samstag, der Palmsonntag und die Karwoche. Während des Fastens dürfen in der orthodoxen Kirche keine tierischen Erzeugnisse gegessen werden. Dazu zählen neben Fleisch auch Milchprodukte, Eier und Fisch. Am «Reinen Montag» und am Karfreitag sollen die Gläubigen überhaupt aufs Essen verzichten. Mit wenigen Ausnahmen sind überhaupt Mittwoch und Freitag Fasttage in der orthodoxen Kirche. Der Mittwoch erinnert an den Verrat Jesu durch Judas, der Freitag an den Kreuzestod Jesu.

Luther: Individuelles Trainingsprogramm
Gegenüber der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche legt die reformatorische Tradition weniger Wert auf verbindliche Fastenzeiten. Allgemeingültige Fastengebote gibt es für den evangelischen Christen nicht; er soll selbst entscheiden, worauf er eine Zeit lang verzichten möchte. Martin Luther verstand das Fasten als eine individuelle Frömmigkeitsübung, die nicht allen Gläubigen gleichermassen empfohlen oder gar verordnet werden könne. Dementsprechend sprach er sich auch gegen eine verbindliche Fastenzeit aus. Ein strikter Fasttag ist für viele evangelische Christen aber auf jeden Fall der Karfreitag.

Verzicht zugunsten der Entwicklungshilfe
Seit 1961 ist die Fastenzeit in der katholischen Schweiz durch das Hilfswerk «Fastenopfer“ geprägt. Das «Fastenopfersäckli» dient dazu, das durch Verzicht ersparte oder durch Aktionen gesammelte Geld für das Hilfswerk auf die Seite zu legen. Mit dem Hungertuch knüpft das Fastenopfer zudem an einen alten religiösen Brauch an. Ursprünglich verhüllte ein Tuch in der Fastenzeit den Altarbereich und zwang so die Gläubigen zu einem «Augenfasten».

Memento mori zum Auftakt
Den Beginn der Fastenzeit markiert das Aschenkreuz, das den Gläubigen am Aschermittwoch auf die Stirn gezeichnet wird. Bereits in alttestamentlicher Zeit (z.B. im Buch Jona oder im Buch Hiob) diente die Asche als Zeichen der Busse. Am Aschermittwoch legt es der Priester mit den Worten auf die Stirn: «Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zu Staub zurückkehrst.» Üblich ist dabei auch der Ausspruch: «Kehre um und glaube an das Evangelium» – ein Aufruf zur Wegkorrektur und zur Besinnung auf Christus als Zentrum des christlichen Glaubens. Der Aschenritus stammt aus dem 11. Jahrhundert und damit aus jener Zeit, in der die Büsser öffentlich am Aschermittwoch aus der Kirche ausgeschlossen und als Zeichen der Busse mit Asche bestreut wurden. Erst am Gründonnerstag wurden sie feierlich wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen.

Comeback auf der esoterischen Schiene
Nachdem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Fasten in den Industrieländern an gesellschaftlicher Bedeutung verlor, finden seit ein paar Jahren wieder mehr Menschen einen positiven Zugang zum Fasten. Auf Nahrung, Genussmittel oder andere Konsumgüter zu verzichten, erscheint attraktiv angesichts anhaltender Kapitalismuskritik und einem erweiterten Gesundheitsbewusstsein. In diesem Zusammenhang steht die bewusst gewählte Distanzierung vom Überfluss sowie die Idee der körperlichen und seelischen Reinigung im Zentrum (oft auch als «Heilfasten» bezeichnet). Ideeller Hintergrund solcher meist als «Fastenwochen» praktizierten Übungen orientieren sich nicht mehr an der christlichen Fastenzeit, sondern an esoterischen Weltanschauungen und werden übers ganze Jahr hindurch praktiziert.

kath.ch/Andreas C. Müller

 

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