25.04.2016

Das Erbe der Mystikerin vom Limmattal

Von Vera Rüttimann

Am 23. April 2016 wurde im Kloster Fahr der neue Silja-Walter-Raum eröffnet. Er gibt Einblick in das faszinierende Werk und Leben der bekannten Ordensfrau, in deren Dichtung sich manchmal Himmel und Erde berührten.

In stillen Momenten hört man Silja Walter auf ihrem Computer tippen. Mal abwartend, mal energisch. Noch mit über 90 jahren hatte die bekannte Lyrikerin und Ordensfrau das Schreiben auf einem Computer gelernt. Dies und noch viel mehr erfuhren die zahlreich erschienen Besucher, die anlässlich der Einweihung des neuen Silja-Walter-Raumes am vergangenen Samstag ins Kloster Fahr gekommen waren. Ihr Computer und auch ihre alte Schreibmaschine gehören zu den viel bestaunten Gegenstände im neuen Raum, welcher der 2011 im Alter von 91 Jahren verstorbenen Ordensfrau gewidmet ist. Irene Gassmann, die Priorin des Klosters, stellte die Ausstellungseröffnung unter das Motto «Die Mitte des Ganzen». Es ist der Titel einer Predigt von Silja Walter, die im elften Band der Gesamtausgabe ihres Werks publiziert ist.

Interviews, Zeitdokumente und Malerei

Der neue Silja-Walter-Raum befindet sich im ehemaligen Arbeitszimmer des Propstes – ein mit Deckenstukkaturen versehener barocker Raum, der einen wunderbaren Blick auf den Klostergarten gewährt. Was Silja Walter in über 60 Jahren als Schwester Maria Hedwig in der Benediktinerinnengemeinschaft erschaffen hat, ist nun an vier breiten, multimedial aufbereiteten Lichtsäulen einsehbar. Darunter lagert in Regalen die Gesamtausgabe ihrer Werke, aber erst bis zum zehnten Band. Die Besucher können an Kopfhörern dem bemerkenswerten Radiogespräch von 1982 lauschen, das Silja Walter mit ihrem Bruder, dem Schriftsteller Otto F. Walter, führte. Aus anderen Kopfhörern können Interessierte das Leben der Frau mit den plastisch fassbaren Sprachbildern, von der Kindheit in der kinderreichen Verlegerfamilie Walter bis hin zum Klostereintritt nachverfolgen.

Eine weitere Säule stellt das schriftstellerische Werk der Mystikerin dar. Selbst durch den Kopfhörer ist etwas vom Auflodern Gottes zu erahnen. Gezeigt werden auch Videos von Mysterienspielen und Theaterstücken, die auf Silja Walters Texten basieren.

Eine besondere Entdeckung dürfte für viele das malerische Werk bedeuten, das die zarte Frau im Nonnenkleid hinterlassen hat. «Dieser Teil der Ausstellung gefällt mir am besten», meint Irene Gassmann, die nach eigenem Bekunden einen «sehr guten Draht» zu Silja Walter hatte. Die Säule mit den Bilderfächern, die ihre modernen Zeichnungen zeigen, machen klar: Silja Walter, die von der Suche nach dem Ganzen beseelt war, war eine umfassend begabte Künstlerin.

Hoffen auf ein junges Publikum

In der Vorbereitung dieser Ausstellung, in der Priorin Irene Gassmann unzählige Stunden bei der Sichtung von Text, Film-, Ton- und Fotodokumenten verbrachte, hatte sie stets dieses Ziel vor Augen: «Wir möchten, dass das Erbe von Silja Walter weiter brennt. Wir hoffen, dass auch heutige Menschen hier nach Gott fragen, ihn suchen und auch finden. So kann dieses Werk in den Herzen der Menschen lebendig bleiben.» Und natürlich auch die Erinnerung an eine die faszinierende Mystikerin und Ordensfrau vom Limmattal.

Der Medienandrang am Eröffnungstag war gross – ganz im Sinne von Priorin Irene Gassmann, die durch diese Publizität erreichen will, «dass sich die faszinierende Persönlichkeit und das Werk Silja Walters auch einem neuen und vor allem auch jüngeren Publikum erschliesst.» Die Vorsteherin des Klosters Fahr denkt dabei nicht nur an Literatur- und Germanistikstudierende, sondern auch an junge Menschen, die sich für das Leben in einem Kloster interessieren. Deshalb gibt der mittlere Teil des Ausstellungsraumes einen facettenreichen Einblick in das 1130 gegründete Kloster und zeigt auf, wie man Ordensfrau wird. 2017 möchte das Kloster Fahr auch Gruppenführungen anbieten.

Visionäre Ordensfrau und Poetin

Die Ausstellung zeigt: Silja Walter war eine bemerkenswert moderne Frau, die sich auch kritisch gegen Zustände in der Kirche äusserte. Eine Fährfrau, die zwischen zwei Ufern vermittelte. «Eine Ordensfrau, die mit ihren Ansichten anderen oftmals voraus war», erklärt denn auch Irene Gassmann. Die Priorin bezieht ihre Aussage dabei vor allem auf die Stellung der Frau in der katholischen Kirche. Schon in den 1980er Jahren habe sich Silja Walter, so Gassmann, für die Anliegen der Frauen in der Kirche eingesetzt.

Dass ihr Werk, auch die von ihr 2008 verfasste Autobiographie «Das dreifarbene Meer», stets neue Leser findet, habe, so Priorin Irene Gasssman, auch mit ihrer poetischen Sprache zu tun: «Mit ihrer Bildsprache schafft Silja Walter Spielräume, in die man seine eigenen Erfahrungen hineinlegen kann. Ihre Sprache wirkt somit nicht alt, sondern zeitlos.»

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