03.07.2016

Für eine gleichberechtigte Kirche

Von Andreas C. Müller

Gestern Samstag, den 2. Juli 2016, wurde die Ankunft der Pilgerinnen gefeiert, die «Für eine Kirche mit den Frauen» von St. Gallen nach Rom gelaufen waren. Mehrere Hundert Unterstützerinnen und Unterstützer beteten, sangen und bestärkten sich in der ewigen Stadt. Das Projekt soll weitergeführt werden, versprachen die Initianten gegenüber Radio Vatikan.

Mit Transparenten zogen sie zu Hunderten am gestrigen Samstag, den 2. Juli 2016, durch die ewige Stadt. Nach Angaben des katholischen Medienzentrums kath.ch erfüllten Alphornklänge die Kirche St. Maria del Popolo. Über 400 Frauen und Männer aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und anderen Ländern waren angereist, um gemeinsam mit jenen sechs Frauen und dem einen Mann, die 1 000 Kilometer von St. Gallen nach Rom gepilgert waren, für das Mitbestimmungsrecht der Frauen in der katholischen Kirche einzutreten.

Enttäuschung über Reaktion des Papstes

Unter den Unterstützern vor Ort befanden sich auch die Schweizer Bischöfe von Basel und St. Gallen, Felix Gmür und Markus Büchel. In der Kirche Santa Maria Sopra Minerva, bei der zweiten Station des Pilgertags, bekräftigte der Basler Bischof Felix Gmür seine Unterstützung für das Projekt. Er verglich deren Protagonistinnen mit der Unerschrockenheit der Kirchenlehrerin Katharina von Siena im 14. Jahrhundert und ermunterte die Frauen und sich selbst dazu, der Vision weiter zu folgen: «Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern das Durchhalten. Ich bemühe mich auch darum.»

Bei aller Freude offenbarte sich gleichwohl etwas Enttäuschung, dass das Projekt bei der Kirchenleitung in Rom keine grössere Beachtung fand. «Wir haben natürlich Verständnis dafür, dass wir keine Audienz haben, dass der Papst Ferien hat», erklärte Initiantin Hildegard Aepli gegenüber Radio Vatikan. «Aber es hätte ja vielleicht die Möglichkeit gegeben zu sagen: Das ist so eine tolle Sache, was die Frauen aus der Schweiz da machen, da schicken wir einen Vertreter, der diese Frauen aus der Schweiz empfängt. Aber wir sind nicht empfangen worden. Wir sind einfach als Gruppe hier unterstützt worden von einem Reisecar aus der Schweiz, die sind die letzten Kilometer mit uns gelaufen. Aber hier auf dem Platz war niemand.» Erst im Hotel erhielt die Pilgergruppe nach ihrer Ankunft am 28. Juni eine Nachricht aus dem Staatssekretariat des Vatikans: Der Papst wisse um das Projekt «Kirche mit den Frauen», er nehme aber in den Sommermonaten keine offiziellen Termine wahr.

Prominente Unterstützung aus der Schweiz

Das Anliegen hatte im Laufe der Pilgerwochen seit dem Start Anfang Mai in St. Gallen eine breite Öffentlichkeit erreicht und dafür gesorgt, dass in letzten Tagen vor Ankunft der Pilgergruppe in Rom verschiedenste prominente Schweizer Persönlichkeiten in kurzen Stellungnahmen dem Projekt ihre Unterstützung zuteil werden liessen. Darunter Bundesparlamentarierinnen, der bekannte Herzchirurg Thierry Carrel und sogar alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey.

«Wir leiden darunter, dass viele Frauen sich in unserer Kirche fremd, nicht ernst genommen oder unwillkommen fühlen, weil sie zu wenig in verantwortlichen Gremien eingebunden und an Entscheidungsprozessen beteiligt sind», heisst es im Schreiben an den Papst, dass die Projektgruppe gestern Samstag auf ihrer Webseite www.kirche-mit.ch veröffentlichte und stellvertretend Bischof Markus Büchel übergab. «Lieber Papst Franziskus, wir bitten Sie, in den Institutionen des Vatikans und in den gesamtkirchlichen Entscheidungsprozessen dafür zu sorgen, dass künftig Frauen mitwirken, mitgestalten und mitentscheiden können. Wir bitten Sie, entsprechende Ermutigungen und Weisungen auch für die Ortskirchen zu geben.»

Dokumentarfilm geplant

Am gestrigen Samstag wurde gemeinsam mit Bischöfen, Äbten und rund 500 Unterstützern der Abschluss der Pilgerreise gefeiert. Der Gottesdienst zuvorderst im Petersdom, geleitet vom St. Galler Bischof Markus Büchel, war eine freudvolle und berührende liturgische Feier. Vorne am Altar angelehnt die Rucksäcke, aus denen sie zwei Monate gelebt hatten. Beim liturgischen Friedensgruss. Wie von einer Last befreit fielen sich Männer und Frauen in die Arme, die Ordensfrau umarmte den Bischof, die Ärztin den Abt, die Professorin den Diakon. Ein Bild von einer versöhnten Kirche.

Das Projekt soll nach der Rompilgerreise weitergehen. Und auch ein Dokumentarfilm über den Weg der Pilgerinnen und Pilger ist geplant. Er soll «Habemus Feminas» heissen (übersetzt: «Wir haben Frauen» – in Anlehnung an die lateinische Formulierung, mit welcher jeweils nach einer Wahl im Konklave der neue Papst der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

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