30.05.2016

Grundsätzlich kompatibel

Von Daniela Deck/abu

Die Kirche bietet Berufe, die zu den Prioritäten im Leben von Jugendlichen und jungen Erwachsenen passen. Doch sie muss lernen für sich zu werben. So eine Erkenntnis des Mediengesprächs im römisch-katholischen Pfarrhaus Aarau zur Jugendumfrage «was-will-ich.ch»

Diskutiert haben Luc Humbel, Präsident der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ), Thomas Leist, Projektleiter der Kampagne «Chance Kirchenberufe», in deren Rahmen die Jugendumfrage lanciert wurde, Adrian Bolzern, leitender Priester des Pastoralraums Region Aarau, und Victoria Dvorak, Oberministrantin der Pfarrei Aarau. Geleitet wurde das Gespräch von Dieter Egli von der Agentur Weissgrund, die die Jugendumfrage durchgeführt hat.

Klasse statt Masse

Geld und Karriere gewichten die Jugendlichen im kirchlichen Umfeld – sie wurden mit der Umfrage hauptsächlich angesprochen – deutlich geringer als Werte wie Freundschaft, Ehrlichkeit und soziales Engagement. Abgesehen von dieser Erkenntnis lassen sich bei den Ergebnissen zwei Strömungen ausmachen: eine traditionalistische und eine mit dem Wunsch nach dem Aufbruch zu neuen Ufern.

«Wir können und wollen es uns nicht leisten, nichts zu tun», sagte RKZ-Präsident Luc Humbel mit Blick auf den Mangel an Seelsorgern. Doch die Kirche sei bisher nicht gewohnt, für sich Werbung zu machen und müsse das erst lernen. Die Ergebnisse der Umfrage wertet er als Ermutigung. Die Werte der Jugendlichen passten zu den Angeboten der Kirche. «Doch nur wenn wir unsere Berufe in der Gesellschaft bekannt machen, kann sich ein Jugendlicher auf diesen Weg machen.» Aus diesem Grund plädierte er für ein nachhaltiges Engagement im Bereich «Kirchenberufe». Es gehe nicht darum, Massen zu rekrutieren. Luc Humbel ist überzeugt: «Das Theologiestudium ist primär eine Berufung.» Dabei sei es natürlich viel verlangt von 18-Jährigen, dass sie sich derart grundsätzliche Gedanken über das Leben machen sollen.

Chancen hervorheben

«Gerade in diesem Alter macht man sich Gedanken zum Sinn des Lebens», widersprach Victoria Dvorak. Sie ist 16-jährig und engagiert sich seit sechs Jahren im Pfarreileben als eine von rund 50 Kindern und Jugendlichen im Ministrantendienst. Die Jugendumfrage beurteilte sie als «spannende Aktion. Das ist etwas Neues, und mir hat gefallen, dass unsere Meinung gefragt ist und ernst genommen wird.»

Ins gleiche Horn stiess Priester Adrian Bolzern, der die Jugendumfrage in Aarau im Pfingstgottesdienst zum Thema machte: «Ich bin bekennender Gegner des Mitleidssermons.» Statt auf die Probleme weise er lieber auf die Chancen hin. Eine Strategie, die in der Pfarrei sehr gut aufgenommen werde. Die Kirche sei zu diesem Anlass fast voll gewesen. «Es lohnt sich, bei den Jungen am Ball zu bleiben», ist Adrian Bolzern überzeugt.

Weg vom Import bei der Seelsorge

Projektleiter Thomas Leist wies darauf hin, dass Kirchenberufe Leitungsberufe mit entsprechender Verantwortung, Salär und spannender Vielfalt seien. Die Schweiz bilde seit langem zu wenig Seelsorgepersonal aus. Man habe allzu lange vom Import aus anderen Ländern gelebt. Nun sei es an der Zeit, das zu ändern.

Fragt sich, ob Kampagnen und Umfragen mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein sind. Oder ob nicht auch zutrifft, was Felix Gmür, Bischof von Basel, im Interview mit den Pfarrblättern der Deutschschweiz zur schwindenden Zahl von Seelsorgern sagte: «Wenn keine Kandidaten mehr da sind, muss sich auch das Volk Gottes fragen, wieso es keine Seelsorger mehr hervorbringt.» Auch Felix Gmür ist der Meinung, «die ersten Werber für die Berufe sind immer noch die Seelsorgenden vor Ort. Deren Berufszufriedenheit ist bei allen Umfragen hoch bis sehr hoch, andererseits ist die Werbebereitschaft eher tief.»

Von tiefer Werbebereitschaft seitens des Basler Bischofs kann im Zusammenhang mit der Jugendumfrage keine Rede sein. Bereits Mitte März traf sich Felix Gmür mit Jugendlichen aus dem Bistum, um über die Umfrage zu sprechen und die Anliegen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufzunehmen.

www.chance-kirchenberufe.ch

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.