17.03.2016

In Teufels Küche

Von Andreas C. Müller

Vom 19. März bis 29. Mai 2016 beschäftigt sich das Aarauer Forum Schlossplatz in einer Ausstellung mit dem Bösen, genau genommen mit verschiedenen Strategien, mit denen wir es uns vom Leib zu halten glauben.

Der Raum zeigt, wie es in womöglich manchem Kinderzimmer aussieht: In der Mitte steht auf einem Teppich ein kleiner Tisch mit Zeichnungen. Überall verstreut Stifte, Kinderbücher, Spielzeug und Lego-Teile. Inmitten des sorgfältig arrangierten «Mise en Place» findet sich auch eine Spielfigur von Kylo Ren, dem Bösewicht aus dem neuen Star Wars-Film und ein täuschend echt aussehender Spielzeugrevolver.

Des Pudels Kern bleibt unsichtbar

So wie es im beschriebenen Kinderzimmer nur angedeutet wird, funktioniert die Ausstellung. «Das Böse bleibt letztlich unsichtbar, erklärt Nadine Schneider, Leiterin von Forum Schlossplatz. Die Ausstellungsmacher Stephan Lichtensteiger und Peter Kuntner hätten das Thema eingebracht, so Nadine Schneider. «Anhand der vielen Fragen, die das aufwarf, sei rasch klar geworden, dass man dieses Thema vertiefen wolle. Zwei Jahre Zeit sind seither vergangen. Das Resultat steht, die Ausstellung öffnet am 19. März ihre Tore.

Bei der Konkretisierung des Themas habe man versucht, «an das Böse heranzukommen», so Nadine Schneider. «Rasch haben wir gemerkt, dass das nur funktioniert, wenn wir uns damit auseinandersetzen, wie wir damit umgehen.» So kam es zur Fokussierung auf die «Abwehrmethoden gegen das Böse».

Mit Amulett, Erziehung und Verstand

Der Hauptsaal der Ausstellung präsentiert in bewusst inszenierter Sakralatmosphäre verschiedenste Objekte, die das Böse bannen, beschwichtigen oder beschwören sollen: Da liegt ein Rinderschädel neben Madonnenstatuen, Weihwasser, Amuletten und natürlich auch Hufeisen. Die Auslage halten die Austeller bewusst offen. Ausstellungsbesucher sind eingeladen, persönliche Artefakte mitzubringen, mit denen sie sich gegen «Böses» schützen.

Ein zweiter Raum widmet sich der wohl populärsten Strategie gegen das Böse: Dem Einsperren. Die mit einfachen Mitteln interessant gestaltete Gefängnisatmosphäre steht in spannendem Gegensatz zum Kinderzimmer, das dem Thema der Erziehung als Strategie gegen die Ausbreitung des Bösen gewidmet ist. Das «Reflektorium» schliesslich widmet sich dem Versuch, dem Bösen anhand von Rationalisierung beizukommen. Nebst einer Auslage von berühmten literarischen und wissenschaftlichen Werken über das Böse – von Hannah Arendt über Goethe bis Jean Paul-Sarte und Schopenhauer – präsentiert der bewusst in Schwarz und Weiss gehaltene Raum vier eigens für die Ausstellung verfasste Kurzreflexionen: Von einem Forensiker, einem Exorzisten, einer Mediatorin und einem Theologen. Letzterer ist Odo Camponovo. «Das Böse ist für uns Menschen Realität und Rätsel, Macht und Mysterium», schreibt der aus Wettingen stammende, langjährige Pastoralverantwortliche des Bistums Basel. Überhaupt berührt die Ausstellung immer wieder religiösen Boden. Grund genug für die Reformierte Landeskirche Aargau, das Projekt finanziell zu unterstützen.

Das «Reflektorium» habe man bewusst in Schwarz und Weiss gehalten, um die Polaritäten rund um das Thema bewusst zu machen. «Ziel ist es, dass darüber hinaus über das Nachdenken Grauwerte entstehen», erklärt Nadine Schneider. «Alle Gegenstände, mit denen wir uns vermeintlich gegen das Böse wehren, tragen in sich ja auch die gegenteilige Qualität», ergänzt Stephan Lichtensteiger.

Der Reiz der fehlenden Bedrohung

Das Böse boomt, behauptet die Ausstellung. Eine Auswertung über die Häufigkeit der Verwendung des Begriffs ergab, dass «das Böse» heutzutage allein in der Wochenzeitung «Die Zeit» sechsmal häufiger vorkommt als noch zur Jahrtausendwende. In TV-Serien, Kinofilmen und Computergames haben «die Bösen» mittlerweile Kultstatus, insbesondere dort, wo sich die Konturen zwischen Schwarz und Weiss vermischen und uns zeigen, dass das Böse, überall und in jedem angelegt ist.

Woher rührt diese Faszination? Beat Schalk, Seelsorger der Aarauer Pfarrei Peter und Paul, erklärt es sich so: «Seit dem Zweiten Weltkrieg erfahren wir hier eine Zeit des Friedens. Gerade in der Schweiz kennen wir kaum mehr Gewalt und Terror. Insofern übt das nicht mehr präsente Böse bei uns einen gewissen Reiz aus. Wir führen uns über Filme oder Videospiele eine Gegenwelt vor Augen. Gefährlich ist das insofern, als dass es neugierig macht auf mehr. So wie in Amerika, wo vereinzelt Jugendliche Verbrechen begehen und als Motiv angeben, sie hätten ausprobieren wollen, wie das ist, gewalttätig oder böse zu sein.»

In der seelsorgerischen Arbeit begegnet Beat Schalk «das Böse» kaum. Einmal abgesehen davon, dass sich vor kurzem jemand auf der Pfarrei danach erkundigt hat, wer denn im Bistum für Exorzismus zuständig sei. «Dass mir aber Leute von Besessenheit oder Bedrohungen berichten, die sie verfolgen, das erlebe ich nicht», so Beat Schalk. «Allerdings sind oft Schuldfragen ein Thema. Menschen beschäftigen Dinge, mit denen sie nicht klar kommen. Als Seelsorger verweise ich einerseits auf die biblischen Texte, wo Gott Vergebung in Aussicht stellt. Ich betone aber auch, dass eine Auseinandersetzung mit Schuld stattfinden muss und man für Dinge gerade stehen soll.»

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