17.11.2016

Kirche ist mehr als ein Gebäude

Von Anne Burgmer

Der Kirchenrat wollte an der Synode vom 16. November 2016 die Grundlage für einen einheitlichen Auftritt der 75 reformierten Kirchgemeinden im Aargau schaffen. Allein die Synodalen gingen nur zum Teil auf den Antrag ein. Um den entsprechenden Punkt in der Traktandenliste war allerdings bereits im Vorfeld gerungen worden.

Dem grundsätzlichen Anliegen, ein einheitliches Erscheinungsbild einzuführen, schloss sich die Synode laut Medienmitteilung mit grosser Mehrheit an, aber auch nur grundsätzlich. Über den einheitlichen Namen «Reformierte Kirche», der in einer gemeinsamen Wortmarke auf allen Ebenen verwendet werden soll, gingen die Meinungen in der langen und intensiven Diskussion auseinander. In der Schlussabstimmung lehnte die Synode gemäss Antrag der Geschäftsprüfungskomission alle übrigen Anträge des Kirchenrats zum Erscheinungsbild ab.

So wurden die entsprechende Ergänzung der Kirchenordnung und damit die Verbindlichkeit der Einführug einer Wortmarke noch nicht beschlossen, heisst es in der Mitteilung weiter. Das Geschäft muss zusammen mit dem konkreten Entwurf der Synode noch einmal vorgelegt werden. Christoph Weber-Berg würdigte als letzter Redner vor der Abstimmung die spannende Diskussion über das Kirchenverständnis der Reformierten, die sich hier am Thema Erscheinungsbild entzündet hatte.

Einheit in der Vielfalt

Die Erzählungen wollen es, dass die Urchristen sich gegenseitig durch das Symbol des Fisches zu erkennen gaben. Einer zeichnete den ersten Bogen in den Sand, der andere ergänzte um den Zweiten zum Fisch. Der Fisch zeigte intern, wer dazu gehörte. Belegt ist das nicht, doch die Erzählung zeigt: Erkennungszeichen waren von Beginn der Kirche an wichtig.

Der Auftritt gen Innen steht heute nicht mehr im Fokus, im Blick sind eher die distanzierten Mitglieder der Reformierten Landeskirche Aargau. Konkret geht es bei der Vereinheitlichung der Wortmarke darum, dass sowohl die 75 reformierten Kirchgemeinden im Aargau als auch die Landeskirche auf der Kommunikations-Ebene einheitlich als «Reformierte Kirche» auftreten. Die Wortmarke soll auf Kirchgemeinde- und Kantonsebene Elemente enthalten, die fix und vorgegeben sind. Gleichzeitig sollen die Kirchgemeinden die Vorgabe um eigene Elemente ergänzen können. Der Antrag des Kirchenrates an die Synode betrifft ausdrücklich nicht die rechtliche Ebene: «Diese Sprachregelung (…) wirkt sich nicht auf die weiterhin bestehenden, unterschiedlichen juristischen Bezeichnungen der Kirchgemeinden und der Landeskirche aus. Weder die Landeskirche noch die Kirchgemeinden müssen rechtlich ihre Namen ändern oder Rechtstexte anpassen, um das neue Erscheinungsbild anzuwenden.»

«Es geht gar nicht so sehr um uns Aktive, sondern um den grossen Anteil der eher Passiven. Es ist eine Chance, indem wieder deutlicher wahrgenommen wird, dass Kirche mehr ist als ein Gebäude und auch mehr als die Summe der Kirchgängerinnen und Kirchgänger. Kirche findet nicht nur im Kirchgebäude statt», sagt Catherine Berger, Kirchenpflegepräsidentin der Reformierten Kirchgemeinde Rheinfelden, und Befürworterin der Änderungen. Kirchenpflegepräsidentin Esther M. Meier aus Brugg argumentiert anders. «Kirche, das ist das Gebäude oder die Institution», erklärt sie, «es muss unbedingt beim Begriff Kirchgemeinde bleiben. Zudem sind die Kirchgemeinden sehr unterschiedlich. Warum soll da jetzt ein Einheitsbrei geschaffen werden?».

Stärkere Identifikation mit der Marke

An den beiden Positionen wird deutlich, was die Diskussion um die Vereinheitlichung des Auftrittes auch ausgelöst hat. Die Auseinandersetzung mit der Frage: Was ist überhaupt Kirche? Wie ist der Blick auf die eigene Kirche? «Im Prinzip wäre die katholische Kirche von der Struktur her prädestiniert für einen einheitlichen Auftritt, allenfalls auch bis auf die Bistumsebene», sagt Luc Humbel, Kirchenratspräsident der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau. Es habe durchaus Überlegungen gegeben, so erklärt er weiter, doch «die Zeit ist allenfalls noch nicht reif dafür. Wichtig ist auch, dass die lokale Verwurzelung darunter nicht leidet. Gemeinsames Anliegen muss sein: Gutes tun und darüber berichten. Die Erkennbarkeit unseres Handelns muss besser werden».

Christoph Weber-Berg, Kirchenratspräsident der Reformierten Landeskirche Aargau, hingegen sieht für die Reformierte Kirche, «dass die Zeit einfach reif ist für diese Diskussion. Vor allem die distanzierten Mitglieder sollen besser erkennen, was alles zur «Reformierten Kirche» gehört und von ihr angeboten wird. Jedes Mitglied soll auch nach einem Umzug oder an einem anderen Ort ausserhalb seiner Wohngemeinde «seine» reformierte Kirche auf Anhieb wiedererkennen und sich darin beheimatet fühlen. Ob das Kirchenaustritte verhindert, kann niemand sagen, aber wir versprechen uns davon eine stärkere Verbindung unserer Mitglieder zu ihrer Kirche und bessere Identifikation».

Wo Kirche draufsteht, sind christliche Werte drin

Gewünscht sind die Veränderungsbestrebungen auch auf Bundesebene beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK). Bereits im Juni 2015 beschäftigte sich dessen Abgeordnetenversammlung mit dem Thema «Bündelung der kirchlichen Kommunikation Schweiz». Die reformierten Kirchen in den Kantonen Luzern und Zürich arbeiten bereits mit einer einheitlichen Wortmarke. Dass die anstehenden Veränderungen Emotionen und vielleicht sogar Angst hervorrufen, kann Catherine Berger nachvollziehen: «Das muss man ernst nehmen und im Zweifelsfall einfach akzeptieren. Dennoch meine ich, es ist wichtig, dass wir als Kirche gemeinsam diese Herausforderung angehen. Da muss jede und jeder vielleicht auch mal sagen können: Es geht nicht um das, was ich  persönlich will, sondern um das, was der Sache dient.»

Und einen weiteren Gedanken wirft sie ins Rennen: In einer Gesellschaft, wo Politik immer stärker mit christlichen Werten hantiere, sei es vielleicht angezeigt, als Kirche klar und einheitlich Position zu beziehen und sich das Christentum nicht von der Politik definieren zu lassen. «Ein gutes Logo kann helfen, nach aussen zu zeigen, in wie vielen gesellschaftlichen Bereichen die Kirche aktiv ist und damit christliche Werte gelebt werden.»

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