01.02.2017

Kirche sollte im Miteinander funktionieren

Von Anne Burgmer

Seit 2013 ist Christoph Cohen in der Pfarrei Rohrdorf tätig, konnte Anfang September 2016 als Pastoralraumleiter den «Pastoralraum am Rohrdorferberg» mit aus der Taufe heben. Christoph Cohen ist ein behutsamer Beobachter, das macht auch seine Leidenschaft für das Kino deutlich.

Bitterkalter Wind fegt den Schnee von den Dächern. Christoph Cohen, ständiger Diakon, eilt, vom Pfarrhaus her kommend, um die Kirche St. Martin, Oberrohrdorf, herum zum Pfarreisekretariat. «Dort ist es wärmer», sagt er mit feinem Lächeln. Der 62-jährige, randlose Brille, silbergraues Haar, am Kinn mit Spuren von Braun, schaut neugierig, wach.

Ins Wallis und zurück

Seine Familiengeschichte erklärt, warum Christoph Cohen als katholischer Seelsorger, als Ständiger Diakon, den Namen eines jüdischen Priestergeschlechts trägt. «Mein Vater war Jude. Er lebte in Deutschland und konvertierte erst zum reformierten, als er meine Mutter traf, zum katholischen Christentum. So kommt es, dass ich meine Berufsbezeichnung sozusagen im Nachnamen trage», erklärt Christoph Cohen. Geboren 1955 in Singen (am Hohentwiel), Deutschland, übersiedelt die Familie 1963 ins Wallis. «Ich bin zwar im Wallis aufgewachsen, bin aber kein Walliser», differenziert Christoph Cohen. Doch seine Bindung an die katholische Kirche beginnt im Wallis.

Ein Jahr hilft er jeden Sonntagabend als Messmer in seiner Pfarrgemeinde aus. Ein Posten, den er auch später im Internat der Pallotiner in Ebikon bei Luzern innehat. Irgendwann in dieser Zeit wird für ihn klar: Der Weg geht in die Theologie. Er will ein Noviziat bei den Kapuzinern beginnen. Doch einen Monat vor dem Eintritt entscheidet er: Der Weg soll nicht «auf einer Lüge aufbauen». Der Zölibat kommt für Christoph Cohen nicht in Frage. Er studiert Theologie in Fribourg, macht ein Auslandsjahr in der westfälischen Stadt Münster (Nordrhein-Westfalen) und findet nach dem Studienabschluss Unterschlupf in den Weiten des Bistums Basel, dem er sich mehr verbunden fühlt als dem Bistum Sitten.

Innovativ und seiner Zeit voraus

Nach seinem ersten Einsatz als Pastoralassistent in Riehen geht es nach Wabern-Kehrsatz. Er lernt seine Frau kennen – ebenfalls eine Theologin. Die beiden heiraten, bekommen zwei Töchter. In Münsingen ist er ebenso im Einsatz wie später in der Stadt Bern. 1993 geht es nach Dättwil im Aargau. Christoph Cohen und seine Frau treffen eine für diese Zeit ungewöhnliche Entscheidung: Sie drehen das Rollenmodell um. Christoph Cohen ist nun Hausmann. Seine Frau verdient als Pastoralassistentin das Geld.

«Es war eine sehr interessante Erfahrung. Einerseits hat sich die Beziehung zu meinen Kindern verändert. Ich war ein wichtiger Ansprechpartner für sie und war nicht so sehr am Rand, wie Väter das sonst oft waren und noch sind. Andererseits war es spannend, die Reaktionen des Umfeldes auf mich als Hausmann wahrzunehmen. Im Kindergarten erstarben die Gespräche der Mütter zunächst, wenn ich auftauchte. Und in der Pfarrgemeinde war ich der Mann der ‚Frau Pfarrer‘», erinnert sich Christoph Cohen.

Miteinander nicht gegeneinander

Nach einem kurzen Zwischenstopp in Baden beginnt 1996 in der Pfarrgemeinde St. Konrad in Schaffhausen eine 17 Jahre dauernde Zeit als Gemeindeleiter, Dekanatsleiter und Synodalrat. Im Jahr 2000 erhält er die Diakonenweihe. «Es gab zwei Motivationen dafür. Ich wollte eine noch engere und verbindlichere Bindung an die Kirche. Und – ganz profan – ich wollte auf Augenhöhe mit den anderen Klerikern, den Priestern, sein. Das gründete in einer schlechten Erfahrung mit einem Vikar und der Überzeugung, dass Kirche nur im Miteinander und nie im Gegeneinander funktionieren sollte», erläutert Christoph Cohen.

Miteinander – dass Christoph Cohen dieser Aspekt der Kirche wichtig ist, wird auch daran deutlich, dass er am Rohrdorferberg den Pastoralraumprozess synodal und gemeinschaftlich gestaltete und den Pastoralraum dezentral aufgebaut hat. «Die Menschen sollen nicht das Gefühl haben, dass vor Ort niemand mehr ist. Und ihre Meinung ist mir wichtig, wenn Veränderungen anstehen», sagt Christoph Cohen.

Kinobesuch statt Zugfahrt

Christoph Cohen erzählt viel über die Stationen seines Berufslebens. Was hätte er gemacht, wäre er nicht Theologe geworden? «Die Schreinerei hat mich interessiert. Doch das stand vom Elternhaus her einfach nie zur Debatte. Dass ich nicht Schreiner werden konnte, hat aber keinen Leidensweg ausgelöst. Es ist gut so, wie es ist», erzählt Christoph Cohen.

Und der Ausgleich zur Arbeit? Christoph Cohen lacht und sagt mit funkelnden Augen: «Ich bin immer gerne ins Kino gegangen. Es war zur Internatszeit günstiger, am Wochenende drei Filme im Kino zu schauen, als die Fahrkarte heim und wieder zurück zu zahlen. Also ging ich viel ins Kino». Ein Lieblingsgenre hat er nicht. Auch keinen Lieblingsfilm, doch er erinnert sich an seinen ersten Kinofilm – Das fliegende Klassenzimmer: «Das war mit meinen Eltern». Ihn interessiert am Film vor allem, wie die Regisseure den Stoff der Regiebücher umsetzen. Selber zu filmen oder zu fotografieren reizt Christoph Cohen weniger, auch wenn er mit allem, was er erzählt, zeigt, dass er ein guter Beobachter ist.

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