01.12.2016

Rebarockisierung in Bad Zurzach

Von Andreas C. Müller

Mit Abschluss der Aussenrenovation erhält das Verenamünster sein barockes Aussehen zurück. Neu sind Fassadenflächen weiss und die Einfassungen rot eingefärbt. Dank technischer Raffinesse soll das Ergebnis nun mindestens 50 Jahre halten.

Fast scheint es, als wolle der Kirchenpflege-Vizepräsident Georg Edelmann mit dem Verenamünster um die Wette strahlen. In Schale geworfen erwartet er die Horizonte-Redaktion vor dem Hauptportal. Dieses erstrahlt nach vollendeter Renovation in neuem Glanz. Das heisst: Neu sind die Fassadenflächen weiss und die Einfassungen rot eingefärbt. «In Auslegung an die barocke Farbgebung», erklärt Denkmalpfleger Philipp Schneider sichtlich zufrieden. Neben dem Kirchenenpflege-Vizepräsidenten hat sich auch der zuständige Denkmalpfleger extra Zeit genommen für einen Rundgang mit Horizonte.

Religiöse Heimat für die Region und die Welt

Das Verenamünster gehört für den gelernten Zimmermann und studierten Architekten unter allen ihm anvertrauten Objekten im Raum Laufenburg-Zurzibiet zu den ganz besonderen Schätzen. «Baugeschichtlich umfasst das Verenamünster verschiedene Epochen, die man allesamt immer noch gut ablesen kann. Das findet man so nicht bei vielen Kirchen.» Überhaupt gebe es im Kanton Aargau nur zwei Kirchen mit einem Heiligengrab. Das sei schon etwas Besonderes.

Auch Marcus Hüttner, seit vergangenem Wochenende offiziell neuer Gemeindeleiter ad interim, lässt es sich nicht nehmen, zwischen zwei Terminen kurz einige Gedanken einzubringen. Seit sechs Jahren, also während der gesamten Zeit der Renovation, hat er als Seelsorger in Bad Zurzach gearbeitet, zunächst an der Seite von Urs Zimmermann, dann zusammen mit Raimund Obrist.

«Das Verena-Münster als Wallfahrtskirche mit Heiligengrab», so Marcus Hüttner, «ist die religiöse Heimat für die Menschen im Zurzibiet, aber auch weit darüber hinaus.» Das zeige nur schon der jährlich im September stattfindende Verena-Tag mit Ausstrahlungskraft bis weit in den süddeutschen Raum. «Verena ist nicht irgendeine Heilige. Sie ist Co-Patronin unseres Bistums und koptische Christin.» Vermehrt seien in den letzten Jahren koptische Delegationen aus aller Welt nach Bad Zurzach gereist, so Marcus Hüttner.

Intensivbeschuss mit Gummikügelchen

Mit einem feierlichen Gottesdienst wurde am vergangenen Sonntag, 27. November 2016, der Abschluss der Renovationsarbeiten gefeiert, die seit 2010 in zwei Etappen erfolgten und rund vier Millionen Franken kosteten. Von 2010 bis 2011 wurden Wände, Decken, Innenausbau und der Bilderzyklus im Kirchenschiff komplett gereinigt, retuschiert und restauriert sowie das mittelalterliche Wandbild der Heiligen Verena hinter dem Hochaltar fachgerecht konserviert.

Für die Reinigung, so Denkmalpfleger Philipp Schneider, habe man «die Innenwände mit winzig kleinen Gummikügelchen beschossen», wodurch im Endeffekt nur 10 Liter Farbe fürs Retuschieren nötig waren. Umfassend restauriert wurden während der ersten Etappe auch die Altäre, die Kanzel, die Orgel, die Chorgitter, die Kirchenbänke und das Chorgestühl. Und die Verena-Quelle erhielt ein umfangreiches Face-Lift mit neuem Zugang und Sitzmöglichkeit.

Dank grosszügiger Unterstützung keine Steuererhöhung

Ganze fünf Jahre dauerte es, bis der zweite Teil, die Aussenrenovation in Angriff genommen werden konnte. Aus finanziellen Gründen sei das nicht früher gegangen, erklärt Kirchenpflege-Vizepräsident Georg Edelmann. «Vier Millionen Franken sind für eine Kirchgemeinde viel Geld.» Gewiss gab es Unterstützung vom Bund, dem Kanton, der Römisch-Katholischen Landeskirche, von Stiftungen, ja sogar von der Inländischen Missionen, die Jahr für Jahr Kirchgemeinden bei Bauvorhaben unterstützt. Positiv überrascht habe ihn, wie viel an persönlichen Spenden dank des Engagements der St. Verena-Stiftung eingegangen sei, fährt Georg Edelmann fort.

An einer Kirchgemeindeversammlung wären die Mitglieder sogar bereit gewesen, eine Erhöhung des ohnehin hohen Steuerfusses von 25 auf 28 Prozent für die Renovation ihrer Kirche in Kauf zu nehmen. «Auch das zeigt die Verbundenheit der Menschen mit dem Verenamünster», meint der Kirchenpflege-Vizepräsident. Letztlich sei er froh, dass dieser Schritt nicht notwendig war. Man habe die Renovation darum in zwei Etappen aufgeteilt und zugewartet, bis für den zweiten Schritt genügend Geld vorhanden gewesen sei.

Das nun enthüllte Ergebnis freut den Kirchenpflege-Vizepräsidenten Georg Edelmann: «Die Proportionen der Farbgebung stimmen nun wieder mit jenen des Turms überein.» Zudem habe man anhand von Vergleichen mit anderen Bauten des Künstlers, Johann Caspar Bagnato, ersehen können, dass er ursprünglich die Fassade des Verena-Münsters genauso gestaltet haben muss, wie sie sich jetzt präsentiert. Zwischen 1732 und 1733 sorgte der in Süddeutschland weithin bekannte Baumeister für die Barockisierung der Bad Zurzacher Wallfahrtskirche, an welche sich die aktuell abgeschlossene Renovation anlehnt.

Mit einer Fuge gegen die Feuchtigkeit

«Seit 70 Generationen wird das Grab der Heiligen Verena nun schon verehrt», so Kirchenpflege-Vizepräsident Georg Edelmann. Selbst in Bad Zurzach aufgewachsen, ergaben sich für ihn – wie für viele Menschen in der Region – immer wieder Berührungspunkte mit dem Verenamünster. Vor sechs Jahren dann der Schritt in die Kirchenpflege. «Das war zu dem Zeitpunkt, als bereits zwei Drittel der Innenrenovation abgeschlossen waren.» Georg Edelmann übernahm das Ressort Finanzen und die Zuständigkeit für die Immobilien, nahm Einsitz in der Planungs- und Baukommission. Persönlich erfülle es ihn mit Stolz, selbst etwas beigetragen zu haben, um dem Verenamünster für die nächsten Generationen zu neuer Strahlkraft verhelfen zu können, so der 62-Jährige.

Über den ästhetischen Aspekt hinaus hatte die aktuell fertig gestellte Aussenrenovation auch verschiedene technische Probleme zu lösen, beispielsweise der rollstuhlgängige Zugang. Ein grosses Thema war auch die Feuchtigkeit. «Das Verena-Münster ist eine der ganz wenigen Kirchen in der Schweiz mit einem Wasserbrunnen innerhalb der Kirche», so Georg Edelman. Entsprechend habe die Fassade in der Vergangenheit viel Feuchtigkeit gezogen und Schaden genommen. «Bei der aktuellen Fassadenrenovation wurde der Sockelputz mit einer Fuge vom oberen Teil der Fassade getrennt», erklärt Denkmalpfleger Philipp Schneider. «Der Sockel der Fassade kann somit Feuchtigkeit aufnehmen , und der obere Teil wird dadurch entlastet.»

Ein Zufallsfund enthüllte die Originalfarbe

Eine Schutzverglasung bei den Fenstern wurde eingesetzt, um Kondenswasserbildung zu verhindern. Diese Massnahme habe man bereits für die von 2010 bis 2011 erfolgte Innenrenovation vorgesehen, doch musste sie aus finanziellen Gründen zurückgestellt werden, erinnert sich Denkmalpfleger Philipp Schneider. «Mit der Konsequenz, dass im Inneren von vereisten Fenstern her Wasser über die frisch restaurierten Bilder rann». Auch dieses Problem habe nun behoben werden können.

Johann Caspar Bagnato hätte wohl auch seine Freude. Selbst im Farbton gelang die Annäherung ans barocke Vorbild. «Rosso veneto», erklärt Philipp Schneider. Zufällig wurde bei den Vorbereitungen an der Kirche ein Stück Originalfassade unter dem Verputz gefunden.

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