26.05.2015

Zwei Meier und ein Halleluja

Von Andreas C. Müller

Mit einem Festprogramm feiern die Küntener dieses Jahr den Geburtstag ihrer Kirche. Vor 50 Jahren entstand der moderne Bau; der Standort als auch der architektonische Stil waren seinerzeit umstritten.

Schon von Weitem ist der mächtige Kirchturm der heute noch modernen Sakralanlage zu sehen. Im Inneren besticht der an einen weiträumigen Saal erinnernde Bau mit seinen eigenwilligen Glasmalereien. «Damals, als die Kirche gebaut wurde, war Künten ein Bauerndorf mit zwei gewerblichen Betrieben», erinnert sich Elisabeth van Heijningen-Riegger. «Der Bauboom hatte eingesetzt, die alte Kirche war zu klein geworden.» Die mittlerweile pensionierte Logopädin gehörte seinerzeit zu den ersten Zuzügern, heute sitzt sie mit Josef Seiler, langjährigem Präsident der Kirchenpflege, im Organisationskomitee zu den 50-Jahr-Feierlichkeiten der neuen Dorfkirche. Unterstützt werden die beiden vom Küntener Urgestein Fridolin Staubli (Jahrgang 1930), ebenso von Hans Ackermann, Barbara Bieri, Felix Ernst, Claudia Schwager, Vroni Peterhans und Andrea Zimmermann. Geplant sind zum Jubiläum neben einer Ausstellung und einem OpenAir-Kino auch ein Festgottesdienst mit Chilbi (siehe Kasten).

Wettstreit um den Neubau
Der «Bienen-Meier» und der «Birchmeier», das waren damals die wichtigsten Leute im Dorf, erinnert sich Fridolin Staubli. «Der eine zuständig für Imkereibedarf, der andere Hersteller von Sprühgeräten aller Art. Als sich in den 1950er-Jahren aus Platzgründen ein Neubau der Kirche empfahl, standen die beiden Unternehmer an der Spitze zweier unterschiedlicher Interessenparteien. Birchmeier als Präsident der Kirchenpflege, Bienen-Meier als Präsident der bereits 1954 gegründeten Kirchenbaukommission.» Birchmeier und seine Leute hätten am traditionellen Standort mit einem klassischen Kirchenbau geliebäugelt – angelehnt an das typische Längsschiff einer Basilika, «im Inneren mit viel Figuren und Malerei.» Bienen-Meier trat für einen modernen Bau ein. Bis zur Grundsteinlegung verstrichen zehn Jahre. «In Künten wird eine neue Kirche zusammengestritten», frotzelte eine Fasnachtszeitung 1963. Birchmeier hatte eine Koryphäe der Zürcher Architektur bemüht, um für den traditionellen Standort die Werbetrommel zu rühren. Doch dieser Fachmann plädierte nach eingehendem Prüfen der Sachlage für den neuen Standort «Chratz». An der Urne verweigerten allerdings die Kirchenmitglieder den Erwerb des Landes auf der «Chratz». Bienen-Meier griff darob selbst ins Portemonnaie und schenkte der Kirchgemeinde das Land. Trotz dieses Erfolges war man noch nicht am Ziel. Das Siegerprojekt, ausgearbeitet vom bekannten Sakralarchitekten Walter Moser (u. a. Kloster Ilanz, Kirchen in Heiden, Zeihen, Stein und Schöftland), schaffte es in der Abstimmung nur knapp. «Mit sieben Stimmen Unterschied», wie Josef Seiler betont. «Nach der Abstimmung stand das Volk dann aber geschlossen hinter dem Entscheid und es konnte 1964 mit dem Bau begonnen werden.» Die Einweihung folgte ein Jahr später. An die alte, mehrmals erweiterten Kapelle am alten Standort «Gried« erinnert noch die Kreuzigungsgruppe im Inneren.

Festprogramm im Doppelpack
Gut 50 Jahre später hat die Küntener Kirche ihr erstes Lifting bereits hinter sich. Eine Aussenrenovation samt Isolation der Wände und des Dachses konnte die Heizkosten massiv senken. Demnächst soll gar die Ölheizung durch eine Wärmpumpe ersetzt werden. Doch zuerst wird gefeiert. Am letzten Mai-Wochenende startet der Festreigen mit OpenAir-Kino, Turmbesichtigungen und einer Ausstellung über die Geschichte der Küntener Kirche das lokale Brauchtum. Zu Letzterem gehören diverse, jährlich vollzogene Bittgänge, Fronleichnamsprozession zu Freiluftaltären, der Auffahrtsumgang und Palmsonntag. «Leider sind viele Bräuche mittlerweile verloren gegangen» bedauert Josef Seiler. Auf den Palmsonntag ist man allerdings nach wie vor stolz: «Das ist geblieben, wir gehören zu den Aargauer Gemeinden mit den meisten Palmen.» Am 23. August schliesslich folgt der zweite (Fest-)Streich: Nach einem feierlichen Gottesdienst mit Bischof Felix Gmür wird am Nachmittag ein eigens einstudiertes Festspiel zur Küntener Dorf- und Kirchengeschichte aufgeführt. Und natürlich darf eine «Chilbi» nicht fehlen.

Zurück zu den Wurzeln
Ursprünglich ein Gut des Frauenklosters Hermetschwil, gehörte Künten seit dem Hochmittelalter zur Pfarrei Rohrdorf. 1776 erfolgte der Bau einer Kapelle, die im Laufe der folgenden Jahrhunderte zweimal erweitert und mit einem Turm ergänzt wurde. Nachdem Künten 1901 von Rohrdorf unabhängig wurde und sich als eigene Pfarrei etablieren konnte, kündigt sich nach einer Phase des Wachstums im 20. Jahrhundert eine Gegenbewegung an. «Aktuell entsteht ein Seelsorgeraum rund um Rohrdorf mit Bellikon, Künten und Stetten», erklärt Josef Seiler. «Nachdem sich Künten im vergangenen Jahrhundert von Rohrdorf gelöst hat, geht’s jetzt zurück zur Mutterkirche.»

 

Festprogramm

Fr, 29.Mai
Ausstellung über die alte und neue Kirche. Fotos, sakrale Gegenstände, Bräuche und Anlässe

Sa, 30. Mai
Turmbesichtigung, Ausstellung und OpenAir-Kino am Abend

So, 31. Mai
Gottesdienst, Ausstellung und Turmbesichtigung

So, 23. August
Festgottesdienst mit Bischof Felix Gmür, Aufführung des eigens einstudierten Festspiels

Mehr Infos:
www.horizonte-aargau.ch/events

 

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