17.06.2021

Überraschende Entdeckung auf einer Tegerfelder Kirchenglocke
Ein Wappen gibt Rätsel auf

Von Edith Hunziker, Denkmalpflege Aargau / mca

  • Die Recherchen zum elften Band der Reihe «Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau» befassen sich unter anderem mit dem Aargauischen Surbtal.
  • In Tegerfelden stiess die Kunsthistorikerin Edith Hunziker auf eine Kirchenglocke, deren Wappen Rätsel aufgibt.
  • Im Artikel zeichnet die Mitarbeiterin der Kantonalen Denkmalpflege die Geschichte der Glocke aus dem Jahr 1794 nach und ruft die Leserinnen und Leser auf, Hinweise zur Lösung des Rätsels zu geben.

Das Erklimmen steiler Glockenturmtreppen, das Hantieren mit Fotoapparat, Messband und Inventarblättern in beengten Glockenstuben gehören zu den anstrengendsten, aber auch überraschungsreichsten Betätigungsfeldern der Kunstdenkmäler-Inventarisierung. Überall lauern Schmutz und Schmieröl, immer wieder rasseln die Antriebsketten und künden schrille Glockenschläge an.

Die «Mühsal» wird aber nicht selten belohnt mit Wappendarstellungen und aufschlussreichen Inschriften – wie im Fall der 1794 datierten Glocke im Turm der reformierten Kirche Tegerfelden. Die Kirche datiert aus dem Jahr 1664. Gepaart mit Erkenntnissen aus den Schriftquellen im Pfarrarchiv gewinnen die Hintergründe über die Entstehung dieser Glocke Konturen.

Metall aus Zürcher Zeughaus

Da die bestehende Kirche für die vielen Gläubigen zu eng war und der kleine Dachreiter stark reparaturbedürftig, beschlossen die reformierten Tegerfelder 1794, ihr Gotteshaus nach Osten zu erweitern und mit einem Glockenturm zu ergänzen. Die Stadt Zürich gab als Kollaturinhaberin (eine Kollatur war das Recht, eine geistliche Stelle zu besetzen) ihr Einverständnis und unterstützte das Bauvorhaben mit einer Beisteuer von 1000 Gulden. Überdies lieferte sie kostenlos 14 Zentner Glockenmetall aus dem städtischen Zeughaus an ein neues Geläut.

Der Glockenvertrag

Die Oberaufsicht über die Kirchenerweiterung hatte Landvogt Hans Conrad Escher wahrzunehmen; vor Ort waren Untervogt Jakob Deppeler sowie die Gemeindevorsteher und Kirchenpfleger zuständig. Die reformierten Pfarrgenossen von Tegerfelden, Unter- und Oberendingen wurden verpflichtet, Frondienste auf der Baustelle und beim Materialtransport zu leisten. Am 25. Juli 1794 schloss man einen Vertrag mit dem Zürcher Glockengiesser Johannes Füssli II. (1750–1817) über die Verfertigung von drei neuen Glocken ab.

Im Glockenvertrag steht: «Endtsunterschriebener verpflichtetsich E[iner] E[hrenwerten] Gemeind Tägerfelden in der Graffschaft Baden – drey neue Gloggen zugießen, die in allen Theilen gut  & währschafft seyn sollen; dafür Er auch drey Jahr vom Tage an, daß selbige gebraucht werden gutstehet, jedoch Gottes, und Menschen Gewalt vorbehalten. Die erste Glogg soll seyn an gewicht 14 –15 Ctr., die 2te Glogg soll seyn an gewicht 7 – 7½ Ctr., die 3te Glogg soll seyn an gewicht 4 – 4½ Ctr.»

Zwei Familienzweige

Von den drei Glocken aus der Bauzeit des Kirchturms ist lediglich die grösste erhalten. Die 1794 datierte Glocke von Giesser Johannes Füssli II. misst im Durchmesser 104 cm und hat den Schlagton ges‘. Sie trägt am Hals die Giesserinschrift: «IOHANNES FVESLIN GOSS MICH IN ZVRICH ANNO 1794». Giesserinschriften sind sehr häufig anzutreffen.

Überraschender ist die Wappenverzierung an der Flanke. Das Wappen lässt sich zweifelsfrei der Zürcher Familie Escher vom Glas zuordnen (siehe Foto). In der Inschrift ist der Landvogt Hans Conrad Escher erwähnt, Angehöriger eines alteingesessen Zürcher Geschlechts, dessen Abkömmlinge über die Jahrhunderte unzählige Staatsämter innehatten. Hans Conrad Escher gehörte jedoch zum Zweig der Escher vom Luchs, wie das Historische Lexikon der Schweiz vermeldet.

Hinweise sind willkommen

Deshalb gibt die Verwendung des Wappens der Escher vom Glas an der Tegerfelder Glocke Rätsel auf. Was ist da schiefgelaufen? Hat der Giesser eine falsche Vorlage erhalten oder hat er die Model verwechselt? Leserinnen und Leser, die eine Idee haben, weshalb Landvogt Hans Conrad Escher aus der Familie der Escher vom Luchs auf der Tegerfelder Glocke mit dem Wappen der Escher vom Glas dargestellt wurde, dürfen sich gerne mit Hinweisen an die Autorin dieses Artikels wenden: edith.hunziker2@ag.ch.

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