02.09.2015

An Aktualität nicht zu überbieten

Von Marie-Christine Andres Schürch

Morgen Donnerstag, 3. September beginnt in Zofingen die traditionelle ökumenische Erwachsenenbildungsreihe «September-Veranstaltungen». Nach der erfolgreichen Reihe «arm und reich» im letzten Jahr greifen die Verantwortlichen dieses Jahr erneut ein komplexes Thema auf. Die drei Abendveranstaltungen widmen sich der Grundsatzfrage «Migration und Religion – wie können die Religionen im säkularen Staat zusammenleben?»  

Das diesjährige Thema der September-Veranstaltungen in Zofingen könnte aktueller nicht sein. Und so kann Peter Calivers, Sozialarbeiter im Ressort Diakonie, Freiwilligenarbeit und Erwachsenenbildung bei der katholischen Kirchgemeinde Zofingen auch getrost erklären: «Um mich auf die Moderation der Abende vorzubereiten, studiere ich die Tagespresse und mache mir meine eigenen Gedanken.» Zeitungen, Radio und Fernsehen sind voll mit Bildern und Berichten über die Millionen von Menschen, die auf abenteuerlichen und oft tödlichen Wegen nach Europa zu gelangen versuchen. Als eine moderne Art von Völkerwanderung könnte man die Verschiebung der Bevölkerung aus dem Nahen Osten und Afrika nach Europa ansehen, meint Peter Calivers. Und er fügt auch gleich an, dass die Assoziationen, welche der Begriff Völkerwanderung hervorruft, meist keine positiven sind. Der Text in der Ausschreibung der ökumenischen Erwachsenenbildungsreihe verdeutlicht die Problematik: «Die Flüchtlingswellen aus dem Nahen Osten und Afrika bewegen nicht nur die Schweiz. Europa agiert nicht wirklich, weil mit sich selber beschäftigt. Nicht erst seit der Masseneinwanderungsinitiative wird in der Schweiz heftig gestritten. Fanatische Anhänger einer engen Islam-Interpretation bomben sich durch die Welt und prägen die Wahrnehmung des Islam. Der Antisemitismus nimmt eher wieder zu, vergangen geglaubte Ängste kommen wieder in den Vordergrund. Christenverfolgung ist ein Wort, das leider für immer mehr Menschen wieder eine Realität ist. Viele fühlen sich in dieser aus den Fugen geratenen Welt (un)bestimmt unwohl, was ideale Projektionsflächen oder Gelegenheit zur Angstbewirtschaftung bietet. Kann damit noch sachlich umgegangen werden?»

Ein Hintergrunds-Referat
Die drei Abende in Zofingen sollen Gelegenheit bieten, jenseits von Partei-Propaganda und Angstmacherei ganz grundsätzlich über Fragen der Migration und den Zusammenhang Migration – Religion nachzudenken und zu  diskutieren. Mit dem Auftaktreferat am Donnerstag, 3. September sollen zuerst einmal Fakten zum Thema zusammengetragen werden. Das Hintergrunds-Referat von Dr. Johan Rochel vom Ethikzentrum der Universität Zürich beschäftigt sich mit historischen und aktuellen Fakten: Grosse Völkerwanderungen sind keine Erscheinung der Neuzeit. Die Gründe waren und sind meist Gewaltakte und Nöte wirtschaftlicher oder ökologischer Art. Weltweit sind heute mehr Menschen auf der Flucht als nach dem 2. Weltkrieg. Viele Zeitgenossen bekunden aktuell Mühe mit der Migration und Unbehagen macht sich breit. Aufgrund dieser Tatsachen stellen sich auch eine Reihe von ethischen und sozialen-politischen Fragen.

Zwei Gesprächsabende
Die zweite Veranstaltung am Dienstag, 8. September ist als Gesprächsabend organisiert. Peter Calivers freut sich, dass es gelungen ist, die Runde mit Menschen zu besetzen, die profundes Wissen einbringen und aus eigener Erfahrung berichten können. Im Zentrum des Abends stehen Leben und Befindlichkeit als Glaubende in der Schweiz. Gespräch und Moderation: Burkhard Kremer Die Gäste Samuel Behloul, Pascal Gemperli, Imam Mustafa Memeti und Raffael Guggenheim äussern sich zum heutigen Leben als jüdische, muslimische oder christliche Mitglieder der schweizerischen Gesellschaft. «Was ist den Einzelnen vom Glauben her wichtig und ‚heilig‘? Wie gelingt der Umgang mit der Vielfalt innerhalb der Glaubensgemeinschaft? Welches sind ethische Werte, die in das heutige Miteinander eingebracht werden können? Was gehört zu einer erfüllenden und inspirierenden Glaubenspraxis? Welches sind unabdingbare Zeichen und Rituale für Gläubige in der Schweiz?», führen als Leitfragen durch den Abend.

Stolpersteine
Der Gesprächsabend vom Donnerstag, 17. September widmet sich der Frage, was es zum friedlichen Zusammenleben der Religionen in der Schweiz und darüber hinaus braucht. Die Podiumsrunde mit Rifa‘at Lenzin, Michel Bollag, Pascal Gemperli und Samuel Behloul diskutiert, wie Juden, Muslime und Christen den extremistischen Stimmen in ihrer Religion begegnen können.  Welche Stolpersteine behindern aktuell das religiöse, freie Zusammenleben in der Schweiz? Wie wird Toleranz in der je eigenen Religion verstanden und gelebt? Und was könnte eine Anerkennung jüdischer und muslimischer Glaubensgemeinschaften in der Schweiz für das Miteinander bewirken?  zum Zusammenleben und den dafür nötigen politischen und ethischen Notwendigkeiten und zur Rolle des Staates. Die drei Abende werden von Pfarrer Burkhard Kremer, als Vertreter der reformierten Kirchgemeinde und Peter Calivers als Vertreter der katholischen Seite moderiert. Die Erfahrung zeigt, dass die September-Veranstaltungen 50 und mehr Besucherinnen und Besucher anziehen, wenn das Thema einen Nerv trifft. Zahlreiche interessierte Zuhörer dürften angesichts der Aktualität und Dringlichkeit des gewählten Themas den Weg nach Zofingen finden.

 

Ort:         Reformiertes Kirchgemeindehaus, Hintere Hauptgasse 19, Zofingen
Zeit:        19.30 Uhr: Eintreffen mit Apero, Beginn: 20 Uhr (Dauer: bis 21.45)

 

Programm
Donnerstag, 3. September
Migration: Fakten, Historisches und philosophisch-ethische Überlegungen. Referat von Dr. Johan Rochel, Zürich, mit anschliessender Diskussion. Moderation: Peter Calivers.

Dienstag, 8. September
Leben und Befindlichkeit als religiöse Minderheit oder schwindende Mehrheit in der Schweiz. Inputs und Gespräch mit: Dr. Samuel Behloul, Kath. Theologe und Islamwissenschafter, Direktor „migratio“ der Schweizerischen Bischofskonferenz, Pascal Gemperli, Schweizer, Muslim und Kämpfer für eine neue Rechtsstellung der Muslime in der Waadt, Imam Mustafa Memeti, Bern, Muslim, Mitarbeiter im Haus der Religionen in Bern, Dr. (med.) Raffael Guggenheim, Mitglied der jüdischen Kultusgemeinde Zürich. Moderation: Burkhard Kremer.

Donnerstag, 17. September
Was braucht es für ein friedliches Zusammenleben der Religionen? Podium mit: Dr. Samuel Behloul, Pascal Gemperli, Dr. Rifa‘at Lenzin, Schweizerin, Muslima, u.a. Mitarbeiterin am jüdischen Lehrhaus in Zürich, Michel Bollag, Lehrhaus Zürich. Moderation: Burkhard Kremer und Peter Calivers.

Hier finden Sie Weitere Infos  zu den drei Abendveranstaltungen.

 

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