10.09.2015

Bewahrung der Schöpfung als christlicher Auftrag

Von Marie-Christine Andres Schürch

September ist SchöpfungsZeit. Den Zeitraum vom 1. September bis zum 4. Oktober widmet die Kirche der Bewahrung der Schöpfung. Treibende Kraft hinter der Aktion SchöpfungsZeit ist der Verein oeku Kirche und Umwelt, das ökumenische Beratungsorgan für ökologische Fragen innerhalb der Kirchen. Vroni Peterhans, Vizepräsidentin der oeku, spricht über ihre Erfahrungen an der Basis, während oeku-Präsident Stephan Degen-Ballmer im Interview am Schluss des Textes in die Zukunft blickt. 

Eine Lawine geht nieder. Alle Zugänge zur Berghütte sind verschüttet und eine Schulklasse muss eine ganze Woche von der Umwelt abgeschnitten darin ausharren… Mit diesem Szenario konfrontierte die Katechetin Vroni Peterhans vergangene Woche ihre Schülerinnen und Schüler. Sie spielten gemeinsam das Spiel«Ich packe i min Rucksack…» und überlegten , was sie dabeihaben müssten, um diese Woche gut zu überstehen. Vroni Peterhans war überrascht ob der cleveren Überlegungen ihrer Klasse. Warme Kleider sowie genügend Wasser und Essen standen zuoberst auf der Packliste, dazu kamen Feuerzeug und Funkgerät. «Handy, Spielkonsole und solche Dinge fehlten auf der Liste. Und das, obwohl man immer wieder hört, unsere Jungen hätten den Bezug zur Natur verloren.», erzählt Vroni Peterhans. Die Katechetin und Bäuerin aus Künten ist Vizepräsidentin des Vereins oeku Kirche und Umwelt. In ihrem Unterricht bekommt die Schöpfungszeit jedes Jahr genügend Platz und dabei stellt sie fest: «Kinder sind für ökologische Fragen sehr offen, Natur und Umwelt interessieren sie. Ich spüre, dass die Jungen sensibel sind für die Anliegen des Umweltschutzes und der Bewahrung der Schöpfung.»

Mitglieder sind das Rückgrat
Der Bewahrung der Schöpfung widmet sich der Verein oeku Kirche und Umwelt seit fast dreissig Jahren. Im Jahr 1986 gegründet, zählt der Verein heute rund 600 Mitglieder. Davon sind etwa 200 Kollektiv- und 400 Einzelmitglieder. Mitglied werden können Kirchgemeinden, kirchliche Organisationen und Einzelpersonen. Sie sind das Rückgrat der Organisation: sie setzen die Themen, machen mit bei den Aktionen und tragen die oeku ideell und finanziell. Die oeku ist von der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) als Beratungsorgan für ökologische Fragen anerkannt. Der ökumenische Verein wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geführt und verfügt über eine eigene Arbeitsstelle in Bern. Die Arbeit der oeku wird durch verschieden Einnahmen ermöglicht: Mitgliederbeiträge, Beiträge von Kantonalkirchen und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz RKZ und dem Fastenopfer, Spenden, Kollekten. Dazu kommen verschiedene projektbezogene Beiträge von Bund, Kantonen und einzelnen Kantonalkirchen.

Einen Monat für die Schöpfung
Seit 1993 erarbeitet die oeku Materialien zum Feiern der SchöpfungsZeit in den Kirchgemeinden und Pfarreien. Die SchöpfungsZeit beginnt am 1. September, der bei den orthodoxen Kirchen als Tag der Schöpfung gilt. In der katholischen Kirche hat Papst Franziskus erst kürzlich dazu aufgerufen, den 1. September als Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung zu begehen. Am 4. Oktober, dem Gedenktag des Franz von Assisi und Welttiertag, endet die SchöpfungsZeit. Der Monat schliesst damit den Bettag und das Erntedankfest mit ein. Oeku Kirche und Umwelt ruft alljährlich zum Feiern der SchöpfungsZeit auf und stellt dazu ein aktuelles Thema in den Mittelpunkt. Der Verein gibt dazu Texte und Handlungsimpulse für Gottesdienste und den kirchlichen Unterricht heraus. In den Jahren 2011 bis 2015 standen die verschiedenen Lebensräume im Fokus. Auch Horizonte berichtete in den vergangenen Jahren über die schützenswerten Besonderheiten von Wald, Kulturland, Wasser, Siedlungsraum und Bergen. Dieses Jahr endet die Lebensraum-Reihe mit dem Thema Berge.

Kluft zwischen Theorie und Praxis
Eine Bilanz zu ziehen, wie die Bemühungen der oeku bei den Pfarreien ankommen, ist nicht einfach. Vizepräsidentin Vroni Peterhans erklärt: «Weil wir von der oeku keine Umfragen machen, ist es schwierig abzuschätzen, welche Bedürfnisse die Pfarreien in Bezug auf die SchöpfungsZeit-Unterlagen haben. Unsere oeku-Arbeitsstelle in Bern hat zwar Kenntnis von den Anlässen, die im Zusammenhang mit der Schöpfungszeit stattfinden – jedoch nur von denjenigen, deren Veranstalter sich bei der oeku melden.» Einen Anhaltspunkt, wie die SchöpfungsZeit ankommt, bieten allenfalls die Teilnehmerzahlen an Gottesdiensten und anderen Anlässen zum Thema. Dazu sagt Vroni Peterhans: «Rein theoretisch sind die Leute gut ansprechbar und finden es gut, dass oeku oder Frauenbund Anlässe zum Thema Ökologie organisieren. Geht es aber darum, an diesen Anlässen teilzunehmen, kommen nur wenige. Dieses Verhalten stelle ich leider bei vielen ökologischen Themen fest.»

«Ganz einfach, weil das unser Auftrag ist»
Bei ihrer Arbeit als Katechetin und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds erhält sie zwar immer wieder sehr positive Reaktionen auf Kursausschreibungen zu Umweltthemen: «Irgendwie scheinen solche Themen doch einen Nerv zu treffen». Auf die Teilnehmerinnenzahl wirke sich das dann aber meist doch nicht aus. So auch bei einem Weiterbildungskurs für Katechetinnen und Katecheten, den Vroni Peterhans zusammen mit dem Präsident der oeku, Stephan Degen-Ballmer, anbot. Der Kurs hätte eine Einführung in die SchöpfungsZeit 2015 werden sollen, konnte aber trotz grosser Resonanz wegen zu weniger Anmeldungen nicht stattfinden. «Eigentlich hatten wir bewusst ein Angebot für Katechetinnen gewählt, weil ich aus Erfahrung weiss, wie offen Kinder für Umweltanliegen sind.» Dabei liege das Thema Bewahrung der Schöpfung im Moment in der Luft , findet Vroni Peterhans. «Mit der Papst-Enzyklika «Laudato si» im Juni und der Klimakonferenz im Dezember wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, dem Thema mehr Schub zu geben.» Sie hätte sich speziell dieses Jahr mehr Resonanz gewünscht. «Aber man hat manchmal auch die Aufgabe zu sensibilisieren, wenn der Erfolg nicht sichtbar oder messbar ist», fügt Vroni Peterhans an. «Ganz einfach, weil die Bewahrung der Schöpfung unser christlicher Auftrag ist. Wir von der oeku und die Seelsorgenden in den Pfarreien müssen von diesem Auftrag überzeugt sein.»

Eine Liste mit Positiv-Beispielen
Es gibt aber durchaus Beispiele, die zeigen, dass die Bemühungen der oeku Wirkung zeigen und viele Kirchgemeinden zunehmend Gewicht auf Energiesparen oder die Erhaltung der Artenvielfalt legen. Auf der Webseite der oeku findet sich eine Liste, die positive Beispiele aufzählt. Aargauer Beispiele aus dieser Rubrik «Good Practice» sind die Einrichtung eines Ökofonds durch die Römisch-Katholische Landeskirche des Kantons Aargau zur Unterstützung von Energiesparbemühungen in den Kirchgemeinden. Rund 50% der Unterstützungsgelder in der Höhe von 1 Mio. Franken sind für indirekte Massnahmen wie vorgängige und baubegleitende Energieberatung vorgesehen. Die andere Hälfte soll für direkte Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs und zur Förderung von erneuerbarer Energie in kirchlichen Gebäuden gesprochen werden. Weiter haben sich einige Kirchgemeinden vorgenommen, mit einfachen Massnahmen Energie zu sparen. So beträgt zum Beispiel die Betriebstemperatur in der katholischen Kirche in Schönenwerd nur noch 15 Grad. Warm geben soll den Gottesdienstbesuchern eine lebhafte und bewegende Predigt, so ein scherzhafter Kommentar. Die reformierte Kirchgemeinde Mandach verzichtet bewusst auf die Beleuchtung ihres Kirchturms. Und die katholische Stadtkirche und die Sebastianskapelle in Baden werden ausschliesslich von Energiesparlampen beleuchtet. Das Ergebnis: Für die beiden Kirchen müssen für die Beleuchtung insgesamt 15 500 Watt weniger aufgewendet werden. Die reformierte Kirchgemeinde Rupperswil renovierte ihr Kirchgemeindezentrum und ersetzte die Öl-Heizung durch eine kleinere Holzpellet-Heizung und eine verbesserte Heizungssteuerung. Die Energiebuchhaltung des Sigrists zeigt, dass die Kirchgemeinde vor der Sanierung rund 15 000 Liter Öl pro Jahr zum Heizen der Kirche und des Kirchgemeindehauses bezog, für die neue Pelletheizung dagegen nur noch 20 000 Kilo Holzpellets (entspricht ca. 10 000 Litern Öl) benötigt.

Im Interview erklärt der Präsident des Vereins oeku Kirche und Umwelt, Stephan Degen-Ballmer, was der «Grüene Güggel» ist, warum die nächste SchöpfungsZeit uns via Ohren erreicht und wie der Papst die oeku indirekt unterstützt.

Herr Degen-Ballmer, welchen Stellenwert hat die SchöpfungsZeit innerhalb der Arbeit des Vereins oeku Kirche und Umwelt?
Stephan Degen-Ballmer:
Die SchöpfungsZeit ist das wichtigste Standbein der oeku. Für die Vorbereitung bilden wir jedes Jahr eine Arbeitsgruppe aus einigen Vorstandsmitgliedern. Die Arbeitsgruppe erstellt das Magazin mit Artikeln zum Thema der SchöpfungsZeit sowie die Arbeitsdokumentation mit Anregungen für Unterricht und Gottesdienste.

Wie ist die Resonanz aus den Kirchgemeinden auf die Unterlagen der oeku?
Wir bekommen praktisch keine Rückmeldungen dazu aus den Pfarreien, weder positive noch negative. Was wir meistens erfahren, ist, wenn in einer Pfarrei ein Anlass zur SchöpfungsZeit stattfindet, sei es ein Gottesdienst oder eine Veranstaltung im Zusammenhang mit dem aktuellen Thema.

Wie gut sind denn die Anlässe besucht, die in der Romandie und in der Deutschschweiz während der Schöpfungszeit stattfinden?
Im Kanton St. Gallen zum Beispiel organisiert die Kommission zur Bewahrung der Schöpfung jedes Jahr eine Auftaktveranstaltung zum Beginn der SchöpfungsZeit. Dort sind jeweils gegen 50  Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu verzeichnen. Die vielen Besucher kommen, weil die Veranstaltung sorgfältig organisiert ist und seit Jahren konstant stattfindet. Der Erfolg solcher Anlässe steht und fällt mit den Menschen vor Ort.

Dieses Jahr schliesst die oeku mit dem SchöpfungsZeit-Thema Berge die Reihe ab, die seit 2011 jedes Jahr einen Lebensraum in den Fokus gerückt hat. Was erwartet uns nächstes Jahr?
Mit der SchöpfungsZeit 2016 beginnen wir einen neuen Zyklus zum Oberthema «Sinne». Den Anfang machen wird der Sinn «Hören». Für die oeku hat es sich bewährt, eine mehrjährige Themenreihe zu realisieren, das gibt uns in der Vorbereitung eine Planungsgrundlage. Und ich bin sicher, dass es für die Pfarreien ebenfalls angenehm ist, wenn sie abschätzen können, in welche Richtung die jeweils neue SchöpfungsZeit etwa gehen könnte.

Woran arbeitet die oeku abgesehen von der SchöpfungsZeit?
Das andere Standbein unserer Arbeit ist die Beratung und Begleitung der Kirchgemeinden im Zusammenhang mit ökologischen Fragen. Begonnen haben wir mit den so genannten Sigristenkursen, die praktisches Wissen vermitteln. Diese organisieren wir nach wie vor. Ein neuer Zweig, der uns relativ viel Arbeit beschert, ist das Zertifikat «Grüene Güggel», ein Qualitätslabel für umweltbewusste Kirchgemeinden. Der Name des Zertifikats lehnt sich an das deutsche Vorbild «Grüner Gockel» an, und die oeku prüft vor der Vergabe an eine Kirchgemeinde verschiedene Aspekte wie Energieverbrauch und Umgebungsarbeiten. Diesen Herbst werden voraussichtlich die ersten Kirchgemeinden den «Grüene Güggel» bekommen.

Sind diese Kirchgemeinden mit ihrem Anliegen auf die oeku zugekommen?
Die Kirchgemeinden wollten von sich aus ein umfassendes Umweltmanagement aufbauen. Vor diesem Hintergrund ist die oeku auf die Verantwortlichen zugegangen und hat die Zertifizierung vorgeschlagen. Unser Anliegen und Ziel mit dem «Grüene Güggel» ist, dass es eine einheitliche und nachvollziehbare Zertifizierung gibt.

Auf der Arbeitsstelle der oeku arbeiten drei Personen mit insgesamt 200 Stellenprozenten. Ist die Arbeitsstelle ausgelastet?
Ja, auf jeden Fall. Je besser wir vernetzt sind, desto mehr Arbeit kommt auf die Arbeitsstelle zu. Sie funktioniert als eine Art Drehscheibe, die Kirchgemeinden bei ökologischen Fragen unterstützt oder – zum Beispiel für finanzielle Unterstützung – an die verschiedenen Ökofonds der Landeskirchen weiterverweist. Die Ökofonds wurden eigens geschaffen, um ökologische Verbesserungen in Kirchgemeinden zu finanzieren. Die oeku selber unterstützt Kirchgemeinden nicht finanziell.

Was gibt es zur Umweltarbeit der Kirchen sonst noch zu sagen?
Das Thema ist sehr aktuell. Es unterstützt uns in unserer Arbeit, dass Papst Franziskus diesen Juni die Enzyklika «Laudato si» herausgegeben hat und darin mit Nachdruck zur Bewahrung der Schöpfung aufruft. Ausserdem würde der Papst einen Weltgebetstag für die Schöpfung begrüssen, er soll zum Beginn der Schöpfungszeit am 1. September stattfinden. In diesem Vorhaben werden wir Papst Franziskus unterstützen.

www.oeku.ch

 

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