09.08.2018

Auf dem Weg zum «Grünen Güggel»

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Beim Thema Bewahrung der Schöpfung gehen die römisch-katholische und die reformierte Landeskirche Aargau mit gutem Beispiel voran.
  • Sie rufen ihre Kirchgemeinden auf, diesen Herbst gemeinsam mit ihnen das Umweltzertifikat «Grüner Güggel» in Angriff zu nehmen.
  • Der «Grüne Güggel» ist ein Umweltmanagementsystem, das Kirchgemeinden bei der Verbesserung ihrer Umweltleistung hilft. In der Schweiz gibt es bereits 16 zertifizierte Kirchgemeinden, jedoch keine im Aargau.

 

Punkto umweltfreundlicher Fortbewegung macht die Kirchgemeinde Brugg schon mal einen guten Eindruck. Zum Gespräch mit Horizonte erscheint Kirchenpfleger Jürg Waldmeier nämlich mit dem Fahrrad. Wenig später kommt der Sakristan aus der Kirche und schwingt sich ebenfalls aufs Velo, um dem Feierabend entgegen zu radeln. Trotzdem kommt in der nächsten Zeit viel Arbeit auf den Pastoralraum Region Brugg-Windisch zu. Im Rahmen des Umweltmanagementsystems Grüner Güggel werden die Verantwortlichen verschiedenste Bereiche wie Strom- und Wasserverbrauch, Heizungssteuerung, Beleuchtung, Standby-Strom, energieeffiziente Geräte, Papierverbrauch, Abfallaufkommen und Grünanlagen überprüfen, um ein paar bereits vorhandene Ideen zu erwähnen.

Im Konvoi liegen individuelle Abstecher und Umwege drin

Im vergangenen Februar hatte der Kirchenrat der Römisch-Katholischen Landeskirche des Kantons Aargau beschlossen, das Umweltmanagementsystem Grüner Güggel für seine im Moment im Umbau befindliche Verwaltungsliegenschaft an der Feerstrasse 8 in Aarau einzuführen. Gleichzeitig beschloss er, die Kirchgemeinden im Aargau zu motivieren, sich der Landeskirche im Sinne eines Konvois anzuschliessen, um die Schritte in diesem Prozess gemeinsam anzugehen. Marcel Notter, der Generalsekretär der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau, erklärt die Idee des geplanten Konvois so: «Indem die Kirchgemeinden in diesem Prozess zur gleichen Zeit die gleichen Schritte angehen, entstehen Synergien». Dennoch könne sich jede Kirchgemeinde für die einzelnen Schritte die für sie nötige Zeit nehmen. «Wir starten gemeinsam und kommen gemeinsam an. Individuelle Abkürzungen, Umwege oder Abstecher liegen aber durchaus drin», nimmt Marcel Notter das Bild des Konvois auf.

Pastoralraum Region Brugg-Windisch ist dabei

Nachdem der Brugger Kirchenpflegepräsident Hans Schilling bereits im vergangenen Jahr vorgeschlagen hatte, ein Nachhaltigkeitskonzept zu erarbeiten, musste die Kirchenpflege des Pastoralraums Region Brugg-Windisch nicht lange überlegen, als der Aufruf der Landeskirche kam, sich am Umweltmanagementsystem Grüner Güggel zu beteiligen. Vor kurzem beschloss sie, den Weg zum Grünen Güggel in Angriff zu nehmen.

Noch ganz am Anfang

Iris Bäriswyl, Leiterin Fachbereich Soziales ist die Umweltbeauftragte des Pastoralraums Region Brugg-Windisch. Von Seiten der Kirchenpflege hat Jürg Waldmeier die Verantwortung für die Einführung des Umweltmanagementsystems übernommen. Beide betonen, sie stünden noch ganz am Anfang des Prozesses, der geschätzte zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen werde. Iris Bäriswyl erklärt, welche Schritte bereits erfolgt sind: «Anlässlich eines Treffens unserer Pfarreiräte, Kirchenpflegerinnen und –pfleger und dem Seelsorgeteam wurde das Anliegen kommuniziert und das weitere Vorgehen besprochen. Wir haben Ideen für verschiedene Bereiche in der Kirche gesammelt.»

Sowohl der Umweltbeauftragten wie auch der Kirchenpflege ist es wichtig, Mitarbeitende und Bevölkerung ins Boot zu holen. Jürg Waldmeier sagt: «Ich will nicht meine Anliegen in den Vordergrund stellen, sondern erfahren, was die Leute in ihrer täglichen Arbeit für die Pfarreien bewegt.» Die praktisch Tätigen sähen am besten, wo Handlungsbedarf bestehe, ist er überzeugt.

Kleiner Player, grosses Thema

Dass die Kirche sich für den sparsamen Umgang mit Ressourcen einsetzt, findet Kirchenpfleger Jürg Waldmeier richtig. Einerseits gehe es dabei um Respekt und Verantwortung für die künftigen Generationen, andererseits biete kirchliches Umweltmanagement die Chance, die breite Bevölkerung anzusprechen. «Unser Pastoralraum ist zwar ein kleiner Player, aber der ökologische Fussabdruck ist ein grosses und wichtiges Thema.» In dieses wichtige Thema wird der Pastoralraum Region Brugg-Windisch in den kommenden zwei Jahren Arbeit und Geld investieren. Laut Landeskirche wird der Aufwand für Beratungs-, Material- und Zertifizierungskosten pro Kalenderjahr rund 2’500 bis 3’000 betragen. Der zeitliche Aufwand umfasst zirka acht bis zehn Sitzungen pro Jahr, dazwischen fallen die vereinbarten Arbeiten an. Der Weg zum Umweltmanagementsystem Grüner Güggel erfolgt in zehn Schritten: Eine Umweltgruppe erarbeitet in einem Umweltprogramm die wichtigsten Massnahmen. «Schöpfungsleitlinien» halten die wichtigsten Grundsätze für das umweltgerechte Gemeindeleben fest. Klare Abläufe und Verantwortlichkeiten stellen sicher, dass Umweltfragen regelmässig bearbeitet werden.

10-Punkte-Programm

Die Schwerpunkte setzt die Kirchgemeinde selber: Sie kann je nach Möglichkeiten und Prioritäten ihre Akzente setzen beim Sparen von Energie und Wasser, bei der Umgebungsgestaltung, bei der Förderung der Vielfalt von einheimischen Pflanzen und Tieren auf dem Kirchenareal, beim Einkauf von umweltgerechten Produkten oder bei der Abfalltrennung. Durchläuft eine Kirchgemeinde das vorgegebene 10-Punkte-Programm und lässt sie ihr Umweltmanagement von einer qualifizierten Fachperson begutachten, erhält sie vom Verein oeku Kirche und Umwelt das Zertifikat Grüner Güggel. Von Seiten des Vereins «oeku Kirche und Umwelt» führt und begleitet ein kirchlicher Umweltberater das Umweltteam des Pastoralraums durch alle Schritte.

«Alle müssen den Sinn erkennen»

Sorgen angesichts des bevorstehenden Aufwands macht sich Jürg Waldmeier keine. Er verspüre eher Neugier und verspricht sich von der bevorstehenden Zeit einige Aha-Erlebnisse. Voraussetzung dafür sei aber, dass man mit Offenheit an die Sache herangehe und der Prozess von allen Betroffenen mitgetragen werde. «Alle müssen einen Sinn in den Massnahmen erkennen.» Insgesamt verspreche er sich vom Weg zum Grünen Güggel Mehrwert, nicht Mehrbelastung, sagt der Kirchenpfleger.

Holz-Pfarrhaus genügt heutigen Ansprüchen nicht

Wichtig sei, bei den Bemühungen zum Umweltschutz nicht übers Ziel hinaus zu schiessen, gibt Jürg Waldmeier zu bedenken. Ein Kirchendach voller Solarpanels passt nicht überall ins Ortsbild. In Brugg steht das alte Pfarrhaus sinnbildlich für diese Gratwanderung zwischen Ressourcensparen und Kulturgutbewahren. Das über hundert Jahre alte Holzhaus ist das älteste Pfarrhaus im Pastoralraum. Es ist ein Zeitzeuge aus der Anfangszeit der Katholiken in Brugg, das dem damaligen Pfarrer als Wohnung diente. Ein in die Jahre gekommenes Bauwerk, das heutigen Ansprüchen einer zeitgemässen Nutzung nicht mehr genügt und aus energietechnischer Sicht sanierungsbedürftig ist. In solchen Fällen braucht es Augenmass und innovative Ideen. «Wir müssen uns selber Rechenschaft ablegen, was für uns als Pastoralraum wichtig und machbar ist», sagt Jürg Waldmeier. Das deckt sich mit der Philosophie des Grünen Güggels: «Sie bestimmen selber, welche Bereiche prioritär behandelt werden. Auch über vorgeschlagene Verbesserungsvorschläge entscheidet immer die Kirchgemeinde, ob sie umgesetzt, verschoben oder gar nicht realisiert werden», schreibt die Landeskirche in ihrem Infobrief.

Kirchgemeinden können sich bis Ende September anmelden

Die Umweltbeauftragte Iris Bäriswyl freut sich auf die konkrete Umsetzung der Ideen und darauf, dass die Kirchgemeindemitglieder ihre Ideen in Arbeitsgruppen einbringen können. Ab Anfang September werde der Pastoralraum die Öffentlichkeit über den geplanten Weg zum Grünen Güggel informieren und Interessierte ansprechen. Die Anmeldefrist für interessierte Kirchgemeinden läuft noch bis am 28. September.

 

Das Infoschreiben der Landeskirche und die Anmeldung für Kirchgemeinden finden Sie hier

Weitere Infos zum Umweltmanagementsystem Grüner Güggel finden Sie auf der Webseite des Vereins oeku Kirche und Umwelt

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