29.12.2016

Aargauer Wege zur Kirche im Dorf

Von Anne Burgmer

Das Thema Nahraumpastoral hat wenig mit dem Umgraben eines Stückes Land zu tun. Doch hilft das Beispiel, zu verstehen, was  das Pilotprojekt von Bistum Basel und Katholischer Landeskirche ist: notwendige Arbeit, bevor etwas wachsen kann.

In den Jahren 2014 und 2015 geisterte der Begriff «Nahraumpastoral» durch den Kirchen-Aargau. In Veranstaltungen diskutierte man Wege lebendiger Kirche vor Ort. Zwar wurde es still um das Thema, doch die Römisch-Katholische Landeskirche Aargau und das Bistum Basel legten mitnichten die Hände in den Schoss.

Blick zu den Nachbarn

An der Ausgangslage für das Thema «Nahraumpastoral» hat sich nichts geändert. Die Kirchenlandschaft verändert sich und für die Zukunft sind alternative, tragfähige Modelle für lebendige Kirche im Dorf oder Quartier (das Bistum Basel nennt diese «Nahraum») notwendig.

Zwar gab es in den Kantonen Thurgau und Jura bereits Anläufe (Horizonte berichtete) und auch andere Bistümer machen sich Gedanken zum Thema (so zum Beispiel das Bistum St. Gallen mit dem Projekt «Neuland»), doch «im Bistum Basel gab es bisher nur Überlegungen zur Nahraumpastoral, die aus anderen Diözesen ‚importiert‘ wurden. Es gab keine Überlegungen, die in den realen Situationen der Pfarreien und Pastoralräume des Bistums Basel entstanden sind», erklärt Tobias Fontein, Bistumsregionalverantwortlicher der Bistums-Region St. Urs.

Hohe Motivation im Aargau

In der Auswertung der verschiedenen Veranstaltungen zum Thema entstand dann die Idee zum Projekt Nahraumpastoral. Dabei, so Tobias Fontein, sassen Vertreter von Landeskirche, Bistum Basel und der Erwachsenenbildung an einem Tisch und es zeigte sich, dass im Aargau ein hohes Interesse daran bestand, die Überlegungen voranzutreiben: «In anderen Bistumskantonen hat das Thema Nahraumpastoral längst nicht diese Aufmerksamkeit».

Schliesslich bildete sich eine Steuergruppe, die das «Pilotprojekt Nahraumpastoral» erarbeitete. In dieser nahmen Einsitz: Der Vizepräsident des Kirchenrates der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau, Heinz Altorfer, der Regionalverantwortliche Tobias Fontein, Urs Brunner vom Pastoralamt des Bistums Basel, die Seelsorgerin für Bad Schinznach, Brigitta Minich, Walburga Grimm vom Aargauischen Katholischen Frauenbund und die Leiterin von Bildung und Propstei, Claudia Mennen.

Der Kirchenrat Heinz Altorfer erklärt die Grundlage: «Die Erfahrung von Kirche machen Menschen meistens da, wo sie zusammenleben, in Beziehung stehen untereinander und aufeinander angewiesen sind. Bistum und Landeskirche arbeiten gemeinsam daran, dass in den neugeschaffenen Pastoralräumen eine solche Erfahrung von Kirche weiterhin möglich ist. Daher wurde in gemeinsamer Trägerschaft das Pilotprojekt „Nahraumpastoral“ geschaffen, das exemplarisch aufzeigen soll, welche Wege am besten einzuschlagen sind». Im Bistum Basel ist diese Art der Zusammenarbeit ein Novum.

Der Blick an die Basis

Für die Projektleitung konnte die Steuergruppe Kurt Adler gewinnen. Er selber bezeichnet seine Arbeit als Coachingarbeit für die Pastoralraumleitenden. Für ihn ist der Blick an die Basis entscheidend: «Egal, wie die Wege nachher konkret aussehen. Sie müssen von den Menschen vor Ort, von den Verantwortlichen vor Ort entwickelt werden. Letztlich wird das Projekt nicht von der Steuergruppe oder mir als Projektleiter durchgeführt, sondern von den Menschen vor Ort», erklärt er mit Überzeugung.

Vor Ort, das sind in diesem Fall bereits errichtete Pastoralräume. Nach einer Informationsveranstaltung für die Pastoralräume startete die Bewerbungsfrist. Bedingung war, der Pastoralraum sollte kurz vor der Errichtung stehen, oder bereits errichtet sein. Der Grund liegt für Tobias Fontein auf der Hand: «Einerseits war es dem Bistum Basel wichtig, dass die Überlegungen zur Nahraumpastoral in den geklärten Strukturen eines Pastoralraums stattfinden, andererseits bestand die Befürchtung, das ein Projekt im Projekt zu Überlastung, Konflikten oder zur Verlängerung des Pastoralraumprozesses führen könnte».

Zwei Pastoralräume bewarben sich schliesslich erfolgreich: Der Pastoralraum Region Brugg-Windisch und der Pastoralraum Am Mutschellen. «Das Projekt sollte eigentlich mit drei Projektpartnern durchgeführt werden. Aber aus zweien können ja immer noch drei oder vier oder mehr werden, damit Kirche weiterhin am Ort und mit den Menschen vor Ort lebt», sagt Kurt Adler.

Jeder Pastoralraum ein Modell für «Nahraumpastoral»

Seit August läuft das Projekt nun in den beiden Pastoralräumen und schon nach der kurzen Zeit wird deutlich, dass es Bistum, Landeskirche und besonders dem Projektleiter ernst ist mit dem Blick an die Basis. Kurt Adler erläutert, dass die Wege in den beiden Pastoralräumen nicht vergleichbar sind, weil die Strukturen und Ausgangslagen nicht vergleichbar sind.

So wird in der Region Brugg-Windisch mit den bereits existierenden fünf Kirchenzentren und deren Ansprechpersonen gearbeitet, während sich die Planungsgruppe Am Mutschellen aus je zwei Leuten pro Pastoralraumpfarrei zusammensetzt. Gemeinsam ist beiden Gruppen die Frage nach der Begriffsklärung: Nahraumpastoral, was ist das eigentlich? Beiden gemeinsam auch die Überzeugung, dass Nahraumpastoral nur mit engagierten und gut unterstützten Freiwilligen geht.

Enormes Potential

Simon Meier, Pastoralraumleiter Region Brugg-Windisch erklärt: «Die Kirchenzentren haben alle eine je eigene Prägung, haben aber alle einen Kirchenraum, ein Sekretariat und Büros für Seelsorgende und katechetisch Tätige und Kirchenräume für Versammlungen und Anlässe. Uns ist bewusst, dass wir irgendwann nicht mehr in jedem Kirchenzentrum eine theologisch ausgebildete, hauptamtliche Ansprechperson haben werden. Deshalb suchen wir nach alternativen Wegen. Es hat viele, lokal engagierte Freiwillige. Deren Begeisterung und Mittragen ist zwingende Voraussetzung für eine lebendige Nahraumpastoral».

Robert Weinbuch, Pastoralraumleiter Am Mutschellen erklärt den Grund für die Teilnahem am Projekt so: «Wir sehen das Pilotprojekt als Chance, nicht nur immer auf den Mangel zu reagieren, sondern aktiv Kirche in unseren Pfarreien und im gesamten Pastoralraum zu gestalten». Die je zwei Teilnehmenden aus den Pfarreien seien mit grossem Engagement dabei ihre Ideen einzubringen. «Wenn es uns gelingt, Menschen zu begeistern, ihre Fähigkeiten dafür einzusetzen, was ihnen wichtig ist und ihnen Freude macht, dann steckt in unseren Pfarreien noch enormes Potential», zeigt sich Robert Weinbuch überzeugt.

Blick in die Zukunft

Doch was – so mag man fragen – bringt dieses Projekt den Menschen vor Ort? Robert Weinbuch erhofft sich für den Pastoralraum Am Mutschellen, «dass am Ende der Projektphase verschiedene mögliche Handlungsleitlinien für pastorales Handeln vorliegen, so dass der Prozess weitergehen kann. Damit die Kirche im Dorf bleibt!»

Und hier hilft nun das Eingangsbild. Das Thema Nahraumpastoral ist momentan in der Phase, in der umgegraben wird. Eine Phase, die für den Zuschauer langweilig ist, denn es ist noch nichts da, was man sehen oder ernten könnte. Keine Blumen, kein Gemüse. Doch derjenige, der umgräbt, hat eine Vision: Er will auf seinem Stück Land mehr als blosse Wildnis und schwingt deshalb den Spaten. Er gestaltet aktiv und vertraut für den Rest auf das Geschenk gedeihlichen Wetters.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.