30.04.2014

Alles rund um den Heiligenschein

Von Horizonte Aargau

Heilig werden kann im Prinzip jeder. Voraussetzung ist: Er muss katholisch und tot sein. Hinzukommen muss ein Fürsprecher, der ein Verfahren dazu beantragt. Das sind meistens Bistümer oder Orden. In dem Prozess müssen ein vorbildliches christliches Leben und zwei Heilungswunder nachgewiesen werden. Wer als Märtyrer gestorben ist, das heisst aus «Hass auf den Glauben» getötet wurde, braucht nur ein Heilungswunder. Hierzu werden Historiker, Theologen, Mediziner und – falls vorhanden – Zeitzeugen befragt.

Wie wird man heilig?
Der Prozess kann frühestens fünf Jahre nach dem Tod des Kandidaten beginnen. Er läuft über zwei Instanzen: Zunächst im Bistum des Kandidaten und anschliessend im Vatikan, wo es eine eigene Kongregation für die Heilig- und Seligsprechungen gibt. Es gibt zwei Stufen: Bevor man heilig wird, muss man erst selig sein. Selige dürfen anders als Heilige nur regional verehrt werden. Ein Heiligsprechungsprozess kann wie im Fall von Johannes Paul II. neun Jahre dauern, er kann sich aber auch über mehrere hundert Jahre hinziehen. Er kostet in der Regel mindestens mehrere Zehntausend Euro (gut 12.000 Franken).

Was heisst «heilig»?
«Heilig» heisst nicht perfekt oder fehlerlos. Auch Heilige dürfen Menschen mit Ecken und Kanten sein. Eine Heiligsprechung ist nach katholischer Lehre lediglich die amtliche Bestätigung, dass eine Persönlichkeit «die Tugenden heldenhaft geübt und in Treue zur Gnade Gottes gelebt» hat. Diese Tugenden sind vor allem Glaube, Liebe und Hoffnung. Beurteilungskriterium hierfür ist die jeweilige Zeit. Es geht nicht um eine rückblickende historische Bewertung. Das kann vor allem bei historisch umstrittenen Persönlichkeiten wie etwa Papst Pius XIII. (1939-1958) bedeutsam werden, dessen Verhalten angesichts des Holocaust bis heute kontrovers debattiert wird.

Wozu sind Heilige gut?
Kein Katholik muss Heilige verehren. Die Kirche empfiehlt es jedoch als «gut und nutzbringend», sie um ihre Fürsprache bei Gott anzurufen. Nach katholischem Verständnis stehen sie Gott besonders nahe. Sie sind jedoch keine Heilsvermittler, die neben oder gar anstelle von Jesu Christi treten können.

Wie viele Heilige gibt es?
Niemand weisst genau, wie viele Heilige es gibt. Das «Martyrologium Romanum» von 2004, das kirchliche Verzeichnis der Seligen und Heiligen zählt insgesamt 6650 Selige und Heilige auf. Vollständig ist jedoch auch diese Liste nicht. Das kommt daher, dass es erst seit Ende des 16. Jahrhunderts mit der Gründung der vatikanischen Heiligsprechungskongregation ein geregeltes Verfahren für Heiligsprechungen gibt. Anfangs bestimmte das Volk, wer heilig ist. Seit 993 ist die Heiligsprechung den Päpsten vorbehalten.

Warum haben Protestanten keine Heiligen?
Ein Heiliger widerspricht auf den ersten Blick so ziemlich allem, was einem guten Protestanten heilig ist: Verehrung gebührt Gott allein, zwischen ihm und den Menschen vermittelt Christus allein und in der Bibel steht auch nichts davon. Martin Luther zählte ihre Verehrung deshalb zu den «entchristischen Missbräuchen». Doch heisst das nicht, dass der heilige Franziskus von Assisi oder die selige Mutter Teresa den Protestanten nichts bedeuten dürften. Auch nach evangelischem Verständnis gibt es Christen mit Vorbildcharakter: Sie werden jedoch nur geehrt, nicht verehrt. Mit anderen Worten: Sie dürfen nicht um ihre Fürbitte bei Gott angerufen werden.

Warum brauchen Heilige ein Wunder?
Der Nachweis eines physischen Wunders gilt als untrüglicher Beweis dafür, dass die Fürbitten, die von Gläubigen an die betreffende Person gerichtet werden, auch tatsächlich wirksam sind. Ein blosses moralisches Wunder kann diese Gewissheit nach herrschender Lehre nicht geben. Zumal die Definition eines moralischen Wunders strittig ist. Anerkannt werden nur Heilungswunder. Vom Vatikan bestellte Ärzte müssen die medizinische Unerklärbarkeit einer Heilung bestätigen. Eine Theologen-Kommission muss anschliessend prüfen, ob es sich um ein Wunder des betreffenden Kandidaten handelt, und nicht etwa ein anderer seine Hände im Spiel hatte, der ebenfalls im Gebet angerufen wurde. Kritiker geben zu bedenken, dass sich auffallend wenig Wunder in Mitteleuropa ereignen. Verteidiger werten dies als Zeichen mangelnden Glaubens. Kipa/aj

Themen Nachrichten
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.