20.03.2014

Am Anfang war das leere Grab

Von Horizonte Aargau

Es ist das Kind von Georg Roessler und Christian Rutishauser. Der Deutsche Georg Roessler führt eine auf alternative Israelreisen spezialisierte Agentur in Jerusalem – und sucht seit Jahren, Pilgern das Heilige Land auf andere Weise nahezubringen. Der Schweizer Jesuit Christian Rutishauser hegt seit langem eine innige Verbindung zum Land der Bibel – und hat sich 2011 zu Fuss auf den Weg nach Jerusalem gemacht. «Zu Fuss nach Jerusalem» heisst das gemeinsame Projekt, das die alte Tradition des Fusspilgerns ins Heilige Land im grossen Stil wiederbeleben will.

Nichts weniger als eine «Trendwende auf dem Pilgermarkt» wollen Christian Rutishauser und Georg Roessler lostreten – und stossen mit ihren Ideen auf offene Ohren: Israels Tourismusministerium, aber auch Organisationen wie das Berliner Missionswerk haben die beiden Visionäre schon ins Boot geholt. Mit drei Konferenzen in Wien, Berlin und Zürich soll das «andere Pilgern zum ‚Leeren Grab’» im Herbst der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Pilgerweg mit viel längerer Tradition
«Alles, was wir zu bieten haben, gibt es irgendwo besser oder schöner – nur ist die Bedeutung hier einzigartig», stellt Georg Roessler fest. Er bezeichnet sein Projekt scherzhaft gern selbst als «megaloman» bezeichnet und kennt die möglichen Kritikpunkte: Noch ein Pilgerziel, wo der Jakobsweg doch so gut läuft? Und wenn schon Jerusalem, warum dann zu Fuss? Vieles, sagt Georg Roessler, habe das Fusspilgern nach Jerusalem mit dem boomenden Jakobsweg und anderen Pilgerwegen in Europa gemeinsam, nur habe «dieser Weg eine viel längere Tradition» und ist «dieses Pilgerziel allen anderen übergeordnet». Einst, als Jerusalem aufgrund der geopolitischen Lage in unerreichbare Ferne gerückt war, sind Pilgerziele wie Santiago de Compostela zu einem Ersatz geworden. Später dann, in Zeiten allgemeiner Sinn- und Wurzelsuche, zu einem Trendziel. «Zu Fuss nach Jerusalem», hofft Georg Roessler, soll die Mutter aller Pilgerziele zum neuen Santiago werden lassen. Allerdings ist ein «Ich bin dann mal weg» à la Hape Kerkeling in der heutigen Lebenswelt nur für die wenigsten eine Option. «Damit stehen wir vor der Herausforderung, ein hochgradig spirituelles Erlebnis in begrenztem Zeitrahmen entstehen zu lassen. Und ohne Kompromisse beim Service, das heisst, wir brauchen auch die entsprechende Infrastruktur», erläutert Georg Roessler . Vieles spricht für Santiago. Die politische Lage ist ruhig, es ist von Europa aus schnell erreichbar, was die Kosten in Grenzen hält, kulturell ist die Region vertrauter. Neben Kulturchristen auf der Suche nach ihren Wurzeln sind Jakobspilger darum eine der Zielgruppen von Georg Roessler: «Wer den Jakobsweg gelaufen ist, hat so kostbare Erfahrungen gemacht, dass es nach Fortsetzung schreit – warum nicht auf dem ultimativen Weg nach Jerusalem?»

Mit dem «Mann von Nazareth» gehen
Der «Mercedes des Pilgerns» hat seine ureigenen Spezifika, die den Weg durchs Heilige Land von allen anderen unterscheiden. «Unser Gott ist in einen konkreten historischen Kontext in diese konkrete Landschaft, ihre Geschichte und ihre Orte hinein Mensch geworden. Wenn wir Gott ernstnehmen wollen, müssen wir diesen Kontext ernst nehmen», erklärt Georg Roessler. «Das Land und seine Zusammenhänge sind die Folie, über die wir die Botschaft nur wirklich verstehen können» – Wandern zum besseren Verständnis des Glaubens. Hier liegt für Georg Roessler ein weiterer wichtiger Unterschied: Der Weg ist das Ziel wie das Ziel selbst – nur ist der Weg hin zum «spektakulären Ziel der Verehrung» bei allen anderen Wegen «im Prinzip beliebig». Mit dem «Mann von Nazareth» zu gehen und dabei permanent mit den Themen des Glaubens konfrontiert zu sein, ist «ein einmaliges Angebot» des Heiligen Landes. «Der Jakobsweg stiftet aus sich heraus keine Anlässe, es liegt an Dir, was Du daraus machst. Anders hier: Der Weg durch die Landschaften der Bibel stiftet durchgängig Anlässe, denen Du Dich allenfalls persönlich verweigern kannst!» Dass man dabei «laufend» seine Solidarität mit den ältesten Glaubensbrüdern – den Christen an der Wiege der Christenheit – zum Ausdruck bringen kann, ist ein positiver Nebeneffekt. Und schliesslich, sagt Georg Roessler, ist Jerusalem das einzige auch für Protestanten gültige Pilgerziel und damit die «gemeinsame Mitte der Konfessionen». Am Anfang war das leere Grab. Alle Theologie und konfessionellen Differenzen kamen später.    Andrea Krogmann/aj

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