14.01.2016

Aufbrechen und Ankommen

Von Marie-Christine Andres Schürch

Der Beginn eines neuen Jahres ist Anlass und Chance, langgehegte Träume zu verwirklichen oder eine besondere Herausforderung anzupacken. Anni Amsler aus Schupfart hat sich in den vergangenen zwei Jahren Schritt für Schritt an ihr Ziel herangetastet. Im Jahr 2016 wird sie ankommen.

Immer wieder hatte Anni Amsler mit dem Gedanken gespielt, sich auf den Weg zu machen. Ab und zu hatte sie in Gedanken schon den Rucksack gepackt und die Wanderschuhe geschnürt. Doch der Familienalltag mit seinen Freuden und Verpflichtungen stand stets im Vordergrund, so dass der grosse Aufbruch warten musste.

Barfuss im Meeresrauschen
Im Herbst 2010 war es dann soweit. Mit 62 Jahren nahm Anni Amsler zum ersten Mal ein Stück des Jakobswegs unter ihre Füsse. Entgegen anfänglicher Bedenken bekam sie auf dem Pilgerweg weder Rückenschmerzen noch Blasen, sondern ganz einfach Lust auf mehr: «Mein Rucksack schien mir mit jedem Tag leichter, ich selber mit jeder Etappe stärker zu werden.», erinnert sich Anni Amsler. Seither war sie jedes Jahr auf dem Jakobsweg. Vor zwei Jahren startete sie mit einer Pilgergruppe um Bernhard Lindner von Bildung und Propstei zum ersten von drei Teilstücken des Küstenweges von San Sebastián nach Santiago. Der «Camino del Norte» oder «Camino de la Costa», wie dieser Teil des Jakobsweges auch genannt wird, beginnt in der Stadt Irun im Baskenland und führt über 860 Kilometer nach Santiago de Compostela. «Auf diesem ersten Teilstück wanderten wir immer wieder direkt am Strand, barfuss und begleitet vom Rauschen des Atlantiks.», erzählt Anni Amsler. Im vergangenen Jahr nahm sie wieder an der Pilgerreise von Bildung und Propstei teil und genoss auch das zweite Teilstück in vollen Zügen:«Jeder Tag war anders – und jeder Tag war gut.»

Letzte Etappe steht bevor
Mit diesen guten Erfahrungen im Gepäck will sie dieses Jahr mit der gleichen Gruppe auch die letzte Etappe des Küstenweges von Soto del Barco bis Santiago unter die Füsse nehmen. Bernhard Lindner von der Fachstelle Bildung und Propstei, der die Reise als Pilgerleiter organisiert und leitet, weiss, warum viele Teilnehmer aus den letzten zwei Jahren auch beim letzten Abschnitt dabei sein werden: «Es gibt einen Sogeffekt, wenn du angefangen hast, willst du das Projekt auch zu Ende bringen.»

Zwei Paar Socken, Wanderschuhe und die Pferdesalbe
Anni Amsler empfindet es als Bereicherung, in der Gruppe zu pilgern: «Es wäre nicht mein Ding, ganz alleine unterwegs zu sein. Ich schätze die Gemeinschaft, die Gespräche, Gebete und Lieder. Diese geistige Nahrung gehört für mich zur Pilgerreise.» Aus ihren blauen Augen blitzen Vorfreude und Unternehmungslust, wenn sie von den Abenden in den Pilgerherbergen berichtet, den Picknicks unter freiem Himmel, der grossartigen Landschaft und ihren Bewohnern. «Ich freue mich immer aufs Weggehen, aber dann auch wieder aufs Heimkommen. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Familie einen gehen lässt und dafür bin ich dankbar.» Den Komfort lässt die 68-Jährige gerne für zwei Wochen zu Hause. Zwei Paar Socken, Wanderschuhe, Flipflops und ein paar Kleider reichen ihr für die vierzehn Tage. Nur zwei Dinge packt Anni Amsler ein, die nicht auf der offiziellen Packliste stehen: «Einen Knirps für Regentage und meine Pferdesalbe. Die ist zwar für Gelenkschmerzen bei Pferden gedacht, wirkt aber auch bei uns Menschen wahre Wunder.», weiss die erfahrene Pilgerin und verrät schmunzelnd, dass mittlerweile auch einige ihrer Mitwanderer die Vorzüge dieser Salbe entdeckt haben.

Keinen einzigen Tag Zweifel
Noch wirkungsvoller und heilsamer als jede Salbe sind aber Anni Amslers Lebensfreude und ihr Optimismus: «Ich hatte noch keinen einzigen Tag Schmerzen oder Zweifel. Ich freue mich auf die letzte Etappe und lasse mich gerne leiten und überraschen.» Neben dem Natur- und Gemeinschaftserlebnis ist es aber auch und vor allem die Begegnung mit Gott, die beim Pilgern im Vordergrund steht. Anni Amsler findet, dass Pilgern einen durchaus näher zu Gott bringen kann. Weil die übliche Zerstreuung wegfalle, könnten sich Gedanken und Gefühle beim Gehen sammeln, so habe sie es erfahren. Anni Amsler sagt zusammenfassend: «Pilgern ist wie Beten mit den Füssen.»

 

Neben der hier beschriebenen Reise auf dem Jakobsweg vom 29. September bis 15. Oktober 2016 bietet die Fachstelle Bildung und Propstei folgende Pilgerangebote auf dem Jakobsweg an:

  •  Pilgerreise Richtung Vezelay vom 4.-8. Juli 2016
  • Zwei Schnuppertage auf dem Schweizer Jakobsweg am 26. August sowie am  23. September 2016.
  • Pilgerreise im Herbst 2017 von Porto nach Santiago, Datum noch nicht bekannt.

Hier finden Sie alle Angebote der Fachstelle Bildung und Propstei zum Thema «Reisen und Pilgern».

 

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.