16.10.2017

Barockes Geburtstagskind auf dem Fasnachtsberg

Von Andreas C. Müller

Dieses Jahr feiert die Pfarrkirche Kaisten ihren 300. Geburtstag. Horizonte nahm mit dem Fricktaler Historiker Linus Hüsser den Bau in Augenschein und verrät, warum sich ein Ausflug lohnt.

Wer von Frick aus über den Kaistenberg zu fahren kommt, erblickt bereits auf der Abfahrt ins Dorf die am gegenüber liegenden Fasnachtsberg errichtete Pfarrkirche St. Michael mit ihrem unverputzten Turmabschluss. «Axial ist sie gebaut, was sehr speziell ist», verrät der Fricktaler Historiker Linus Hüsser: «Turm, Schiff, Chor und Sakristei befinden sich auf einer Linie hintereinander».

Figürlicher Schalk auf den zweiten Blick

Das schlicht gehaltene Gotteshaus mit seinen drei Altären offenbart auf den zweiten Blick einen gewissen Schalk. An der Empore prangt das Wappen des Laufenburger Pfarrers Franz Ringler samt Konterfei – quasi als Erinnerung an einen grosszügigen Mäzen wider Willen. Lange war seinerzeit über den Kirchenneubau gestritten worden, derweil das alte Gotteshaus weiter verfiel. Erst als auch der Laufenburger Pfarrer (Kaisten unterstand seinerzeit Laufenburg), dem die Hälfte der Zehnteinnahmen aus Kaisten zufiel, finanziell in die Pflicht genommen werden konnte, wurde 1717 der langersehnte Neubau an die Hand genommen.

Möglicherweise um besagten Pfarrer nicht zu hoch gestellt zu sehen, haben die Kaister unlängst aus dem Kunsthandel eine Figur ihres Kirchenpatrons, des Heiligen Michaels, erworben und oben auf der Metzler-Orgel mit ihren 1038 Pfeifen platziert.

Arm in Arm mit einem Toten

Wer vor der Empore stehend seinen Blick nach links schweifen lässt, entdeckt in einer dunklen Vitrine eine weitere Kuriosität: Noch aus der Zeit vor dem Kirchenneubau stammt eine Fridolinsfigur – Arm in Arm mit dem toten Urso, der vor Gericht die Güterschenkung ans Kloster Säckingen beglaubigte, welche sich der Legende nach sein Bruder nach dessen Ableben unter den Nagel gerissen hatte. Die Originalplastik kam 1926 ins Historische Museum Basel. Im Rahmen der letzten Kirchenrestauration von 2015 gönnte sich Kaisten eine Kopie, finanziert von privater Hand.

Apropos Figuren: Aus der Bauzeit stammt die in den 1720-Jahren gefertigte Kanzel, in deren Kanzelkorb die alten lateinischen Kirchenväter eingearbeitet wurden. Die Kanzel stammt von demselben Künstler, der auch die Kanzel in der Herznacher Pfarrkirche geschaffen hat: Johann Isaak Freitag aus Rheinfelden

Vier jahrhundertschwere Jubilare im Fricktal

Derartige Doppelungen sind typisch für jene Region im Fricktal. «Die Kirchen in Frick, Herznach, Kaisten und Hornussen sind alle etwa 300 Jahre alt – und sie sind alle vom gleichen Architekten entworfen: Johannes Pfeiffer aus Säckingen», weiss Linus Hüsser Dass dieser seinerzeit zu mehreren Kirchenbauaufträgen kam, sei auf die damalige Situation im Fricktal zurückzuführen, erklärt der Historiker. «Das Fricktal hatte unter verschiedenen Kriegen gelitten, für die Restauration von Kirchen fehlte das Geld. Von der Kirche in Kaisten ist überliefert, dass sie im frühen 18. Jahrhundert stark heruntergekommen war.» Und da es infolge des Bevölkerungswachstums ohnehin ein grösseres Gotteshaus brauchte, wurde 1717 eine grössere Kirche gebaut.

Erste Spuren für ein Gotteshaus im Kaisten reichten bis ins 10. Jahrhundert, so Linus Hüsser. Bei Ausgrabungen in den 1930er-Jahren habe man Spuren einer älteren Kirche entdeckt. «Zudem ist das Patrozinium des Heiligen Michael ein Hinweis, dass es in Kaisten bereits sehr früh eine Kirche gegeben haben muss», meint der Historiker. «Das Patrozinium des Heiligen Michael wurde im Hochmittelalter oft gewählt, wie auch das Beispiel Beromünster zeigt».

Öffentliche Führung mit Historiker Linus Hüsser

Noch bis 17. Dezember feiert Kaisten sein Kirchenjubiläum mit verschiedenen Veranstaltungen. Am Freitag, 20. Oktober, findet um 19.30 Uhr eine Führung mit dem Fricktaler Historiker Linus Hüsser statt. Es folgt am 5. November eine Hubertusmesse, gestaltet von der Jagdgesellschaft Kaisten und den Jagdhornbläsern «Fricker Füchse». Den Abschluss bilden am 10. Dezember eine Adventskonzert sowie ein «Weihnachtszauber» am 17. Dezember.

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