16.01.2014

Bis zum Umfallen

Von Horizonte Aargau

Zum Thema «Der Kampf gegen Armut geht weiter» wird am 26. Januar 2014 in den Aargauer Pfarreien das Opfer für Caritas Aargau aufgenommen. Neben der Beratungs- und Projektarbeit engagiert sich die Regionale Caritas-Organisation auch für Armutsbekämpfung, damit Menschen am Existenzminimum Teil der Gesellschaft sind.

Als Marina S. das Büro der Caritas zum ersten Mal betrat, wurde bald klar: Die bricht jetzt dann gleich zusammen. Konkret kam sie, weil sie mehrere Mietrechnungen offen hatte und langsam befürchten musste, die Wohnung zu verlieren. Das war allerdings nur die Spitze des Eisbergs, einer Geschichte, in der eine Frau viel zu lange um ihre Existenz und jene ihres Sohnes gekämpft hatte. Wie lange sie wohl gewartet hatte, bis sie sich selbst eingestehen musste, dass sie mit ihren Kräften am Ende war?

Selbständigkeit endete in Schulden
Marina S., vor zwanzig Jahren aus dem Ostblock in die Schweiz gekommen, ist allein erziehende Mutter eines 12-jährigen, chronisch kranken Sohnes. Der geschiedene Mann unterstützte sie mit Kinderalimenten und übernahm bereitwillig Betreuungsaufgaben. In ihrer Heimat war Marina S. Kosmetikerin gewesen, hier in der Schweiz arbeitete sie als Verkäuferin. Doch plötzlich arbeitslos, wollte und wollte ihre Stellensuche nicht fruchten, und das während zwei Jahren. Mutig und vielleicht auch ein bisschen naiv entschied sie sich schliesslich für eine offensive Strategie. Zusammen mit einer Freundin beschloss sie, ein Kosmetikstudio zu eröffnen. Dazu investierte sie ihr Pensionskassengeld und nahm ein Darlehen von 30 000 Franken bei einem Freund auf. Sie hatte jedoch zu wenig berücksichtigt, dass sie am Anfang kein Einkommen haben würde. Und so häuften sich ihre Rechnungen, die sie nicht zahlen konnte. Es ging nicht lange, und die Beziehung zu ihrer Freundin und Geschäftspartnerin wurde durch die Schwierigkeiten strapaziert. So beschloss Frau S., das Geschäft vollständig der Freundin zu übergeben. Was blieb, war ein Haufen Schulden.

Der Druck war zu gross geworden 
Wie durch ein Wunder fand Marina S. eine Anstellung als Verkäuferin in einer Bäckerei mit einem Einkommen am Existenzminimum. Damit sie ihre Schulden beim Bekannten tilgen konnte, verrichtete sie zusätzlich nach den langen Arbeitstagen noch eine zwei- bis dreistündige Heimarbeit. Innerhalb der folgenden zwei Jahre schaffte es Marina S., die unglaubliche Summe von 15 000 Franken abzuzahlen. Aber die Rechnungen blieben. Diese konnte sie nicht bezahlen. Der Druck und die moralische Verpflichtung, einem privaten Freund Geld zu schulden, waren gross, und Marina S. wollte als unabhängige und stolze Frau nichts schuldig bleiben. Die Krankheit des Sohnes kam erschwerend hinzu. Nicht nur gab es Mehrauslagen durch Zugfahrten zu seinen Therapiesitzungen. Marina S. war ständig begleitet von einem Gefühl, dem Sohn nicht gerecht zu werden. Sie wünschte sich, dass ihr Kind nichts entbehren muss.

Ein schwerer Gang aus der Not heraus
Unterdessen beschlossen einige Gläubiger, Marina S. zu betreiben. Dies bewog die Osteuropäerin zum Schritt, die Sozialberatung aufzusuchen. Das empfand sie für sich selbst als Ausdruck des Gescheitertseins. Nebst den praktischen Schritten, die nun zu unternehmen waren, bestärkte die Sozialarbeiterin Marina S. allerdings auf ihrem Weg, Lösungen zu finden. In einer unterstützenden Art schaute sie, was nun zu unternehmen war.

Dank Unterstützung wieder Lichtblicke
Marina S. musste die Heimarbeit reduzieren, weil dies kräftemässig nicht mehr zu schaffen war. Nachdem die Sozialarbeiterin Gesuche geschrieben hatte, übernahm die Ortspfarrei die Mietschulden. Sie bekam auch die Kulturlegi, mit welcher sie unter anderem günstig im Caritas-Markt einkaufen kann. Die Sozialarbeiterin begleitete Marina S. auch auf das Betreibungsamt, um den Ablauf zu besprechen. Ebenfalls suchte die Sozialarbeiterin nach einer Fachstelle, welche die Mutter mit dem kranken Kind begleiten konnte. Obwohl für Frau S. der Schritt zur Beratung schwierig gewesen war, gab ihr diese gemeinsame Planung wieder eine klarere Ordnung in der Sicht auf ihre Verhältnisse. Und nach einer Weile, mit einem klaren Plan für die Schuldentilgung, kam Marina S. innerlich mehr und mehr zur Ruhe.

Karin Sarafoglu

Themen Soziales
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