04.05.2017

Bistum Basel oder Bistum Chur

Von Andreas C. Müller

Die Zurzibieter Gemeinde Fisibach hat einen Antrag auf Kantonswechsel eingereicht. Horizonte ging der Frage nach, was der Wechsel zum Kanton Zürich für die Katholiken bedeuten würde.

Ursprünglich hätte das 458-Seelendorf Fisibach mit neun weiteren Aargauer Gemeinden im Zurzibiet eine Fusion prüfen sollen. Doch daraus wird nichts. Die Gemeindeversammlung erteilte diesem Projekt eine Abfuhr. Mehr noch: 52 von 88 Teilnehmerinnen und Teilnehmern traten schliesslich auf einen Vorschlag ein, das Zusammengehen mit den benachbarten Zürcher Gemeinden zu prüfen. Mittlerweile wurde beim Kanton Aargau ein «Antrag auf Kantonswechsel» eingereicht, wie die Aargauer Zeitung am 19. April 2017 berichtete. Und auch Kaiserstuhl könnte sich «von der Kantonswechsel-Idee anstecken» lassen, wie der aktuellen Ausgabe der Schweiz am Wochenende zu entnehmen war.

«Kaiserstuhl müsste folgen»

Als Mann, der den Stein just in die andere Seite ins Rollen brachte, präsentierte die Aargauer Zeitung Felix Vögele, den langjährigen, ehemaligen Fisibacher Gemeindeschreiber. Interessant in diesem Zusammenhang: Felix Vögele ist auch Präsident der Römisch-Katholischen Kirchgemeinde Kaiserstuhl-Fisibach. Ob er für den Fall des angestrebten Kantonswechsels denn auch wisse, was das für die Katholiken in Fisibach bedeute?

Er habe an der Gemeindeversammlung keinen Antrag auf Kantonswechsel gestellt, beeilt sich Felix Vögele sogleich zu erklären. Das sei von den Medien falsch dargestellt worden. «Ich habe mich sogar dafür ausgesprochen, dass man bei der Aargauer Lösung bleibt. Doch als das abgelehnt wurde, habe ich dafür plädiert, dass man nicht einfach nichts tut, sondern nach Lösungen mit anderen Gemeinden sucht.

Auf die Frage, was die aktuelle Entwicklung für die Katholiken in Fisibach bedeuten könnte, antwortet Kirchenpflegepräsident Felix Vögele sehr zurückhaltend: «Grundsätzlich sind zwei Dinge denkbar: Ein Wechsel ins Bistum Chur oder aber ein Verbleib beim Bistum Basel. Das müsste dann in einem Vertrag ausgehandelt werden.» Fest stehe jedoch: Wenn Fisibach das Bistum verlässt, müsste Kaiserstuhl folgen, so Felix Vögele.

Bereits kirchlich mit Zürich verbunden

Fisibach und Kaiserstuhl befinden sich am nordöstlichsten Zipfel des Kantons Aargau (mit Wislikofen, Rümikon und Siglistorf im Westen), im Norden angrenzend an Deutschland, im Osten an Zürich, genau genommen an die Gemeinden Bachs und Weiach. Das Gemeindegebiet von Fisibach ist ungleich grösser als das von Kaiserstuhl, doch letzteres hat mit seinen knapp 400 Einwohnern als Grenzstädtchen eine höhere Bevölkerungsdichte.

Als Pfarrei gehört Kaiserstuhl-Fisibach zum Pfarreienverband Zurzach-Studenland. Dieser soll dereinst in einen Pastoralraum überführt werden – auf kirchlicher Ebene in etwa das, was das Fusionsprojekt «Rheintal+» auf politischer Ebene darstellt. «Alles in allem umfasst die Pfarrei Kaiserstuhl-Fisibach etwa 500 Katholiken« erklärt der zuständige Seelsorger Stefan Günter. «Die Pfarrkirche steht in Kaiserstuhl, in Fisibach befindet sich lediglich eine kleine Kapelle», so der Pastoralassistent. Die meisten Kirchenmitglieder der Pfarrei, ungefähr 200, stammen aus Fisibach, lediglich 100 aus Kaiserstuhl. «Die restlichen Katholiken gehören zur zürcherischen Nachbarsgemeinde Weiach. Diese wird von der Pfarrei Kaiserstuhl-Fisibach pastoral betreut», erklärt Stefan Günter.

Die kirchliche Verbindung von Fisibach zu Zürich besteht seit Jahrhunderten. Der Grund? «Weiach gehört zur Pfarrei Glattfelden. Der Weg für die Weiacher in die dortige Kirche wäre deutlich länger als die 15 Minuten nach Kaiserstuhl», weiss Stefan Günter. Der Seelsorger teilt die Ansicht seines Kirchenpflegepräsidenten: «Wenn Fisibach in den Kanton Zürich geht, müssten die Kaiserstuhler wohl folgen. Das sind nur etwa 100 Katholiken. Die können kaum allein bleiben», glaubt Stefan Günter.

Kaiserstuhl würde zur Aargauer Enklave

Bei einem Anschluss an die nächstgelegene Aargauer Pfarrei Wislikofen-Rümikon wäre Kaiserstuhl eine Enklave – die kulturelle und soziale Nähe liesse sich wohl nicht im gleichen Masse pflegen wie zu Fisibach. Das lehrt bereits das Beispiel der Thurgauer Gemeinde Rickenbach an der Grenze zum St. Gallischen Wil.

Im Falle von Rickenbach ging es zwar nicht um einen Kantonswechsel, doch gehört die katholische Kirchgemeinde von Rickenbach seit dem Jahre 2015 zur Pfarr- und Kirchgemeinde Wil. «Der soziale und geografische Bezug zu Wil war seit Längerem grösser als zum eigenen Pastoralraum», erklärt Cornelia Graf, Ratsschreiberin der Katholischen Kirchgemeinde Wil. «Zwischen Rickenbach und den anderen Pfarreien des zugedachten Pastoralraums im Thurgau, namentlich Sirnach, Eschlikon und Münchwilen, liegt überdies die Thurgauer Gemeinde Wilen, die schon seit Jahrhunderten kirchlich zu Wil und zum Bistum St. Gallen gehört.» Auch aus diesem «geografischen Grund» hätten sich die Kirchgemeinde Wil und die Kirchgemeinde Rickenbach nach intensiven Überprüfungen – unterstützt durch den Administrationsrat des Katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen und des Kirchenrats der Katholischen Landeskirche des Kantons Thurgau – der Fusion angenommen. «Die Bischöfe von Basel und St. Gallen haben vertraglich geregelt, dass Rickenbach zu Wil kirchengenössig ist, jedoch eine eigene Pfarrei bleibt. In einer Grundsatzabstimmung im Jahre 2013 haben sich die Kirchbürger von Rickenbach und Wil für diese Fusion ausgesprochen.»

«Denkbar ist auch Verbleib beim Bistum Basel»

Diese Entwicklung könnte sich unter neuen Vorzeichen für den Basler Bischof Felix Gmür und den Nachfolger von Vitus Huonder im Bistum Chur wiederholen, wenn Fisibach zum Kanton Zürich wechseln darf. Auch dann müsste ein Pastorationsvertrag ausgearbeitet werden, erklärt Markus Thürig, Generalvikar des Bistums Basel. «Ein solcher regelt die Übergabe der pastoralen Aufgaben in die Verantwortung des anderen Bischofs. Im Falle von Rickenbach ist es so, dass der Bischof von St. Gallen eine Pfarrei übernimmt, die zum Bistum Basel gehört.

Der mit dem Wechsel zum Kanton Zürich einhergehende Übertritt zum Bistum Chur könnte für die Fisibacher (und gegebenenfalls auch für die Kaiserstuhler) zum Kulturschock werden, gilt doch das Bistum Chur im Gegensatz zum Bistum Basel als deutlich konservativer. «Für die Seelsorge ist es nicht unmittelbar matchentscheidend, zu welchem Bistum eine Pfarrei gehört», ist Markus Thürig überzeugt; denn ein Wechsel sei in der Regel auf lange Zeit angelegt, die aktuelle Situation in einem Bistum oder auch eine bestimmte Personalie spielten im Grunde keine Rolle. Und natürlich wäre auch der umgekehrte Fall möglich, meint Markus Thürig: Es wäre denkbar, dass die Pfarrei Fisibach-Kaiserstuhl weiterhin vom Bischof von Basel betreut wird. Doch bis es soweit sei, müssten erst einmal die politischen Weichen gestellt werden, so der Generalvikar des Bistums Basel. Wenn das geschehen sei, werden die Diözesen und die staatskirchenrechtlichen Körperschaften schauen, wie man das regeln wolle.

Kirchensteuern für juristische Personen

Bei der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau ist Generalsekretär Marcel Notter froh, dass man für den Fall eines Kantonswechsels genügend Zeit hat, sich mit allen Beteiligten Gedanken zu machen. «Für uns ist das etwas Neues, seit der Kantonsgründung hat es das noch nie gegeben». Gesetzt den Fall, Kantone und Bund segneten den Kantonswechsel ab, so wären nach Einschätzung von Marcel Notter zumindest die staatskirchenrechtlichen Verhältnisse klar geregelt: «Wenn Fisibach zum Kanton Zürich übertritt, wären die Fisibacher politisch Einwohner des Kantons Zürich. Das hiesse, dass sie dann nicht mehr der Römisch-Katholischen Landeskirche des Kantons Aargau angehörten, sondern der staatskirchenrechtlichen Körperschaft des Kantons Zürich.» Darüber hinaus: Ein Kantonswechsel hätte steuertechnisch für Gewerbetreibende Folgen, denn im Gegensatz zum Aargau zieht der Kanton Zürich auch von juristischen Personen Kirchensteuern ein.

In Bad Zurzach, wo sich Marcus Hüttner als Gemeindeleiter ad interim mit dem angedachten Pastoralraum Zurzach-Studenland beschäftigen muss, ist das Ganze «noch kein Thema. Auch nicht bei den Gläubigen». Zu den Überlegungen, was ein Wechsel von Fisibach und Kaiserstuhl in den Kanton Zürich bedeuten könnte, wollte der Theologe nichts sagen. Und auch Felix Vögele, der Kirchenpflegepräsident von Kaiserstuhl-Fisibach bleibt vorsichtig. Gekleidet in charmanten Humor lässt er aber gleichwohl durchblicken, was er sich wünscht: «Wenn doch unser Bischof schon ein Namensvetter von mir ist, dann können wir doch nicht ins Bistum Chur wechseln.»

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.