30.03.2020

Corona macht Pfarreien erfinderisch

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Seit keine Gottesdienste, Pfarreifeste und Religionsstunden mehr stattfinden, haben die Pfarreien zahlreiche Alternativangebote für Alt und Jung ins Leben gerufen.
  • Wichtig ist den Verantwortlichen, dass die Menschen Unterstützung im Alltag bekommen. Gleichzeitig sollen die Gemeindemitglieder aber auch spirituelle Impulse erhalten.
  • Die Krise fördert in den Pfarreien die Kreativität und den Mut, Neues zu probieren. Eine Zwischenbilanz nach den ersten zwei Wochen.

In der Krise übernehmen die Pfarreisekretariate vielerorts die Funktion der Triage-Stelle. Die Pfarreisekretärin leitet als erste Ansprechperson das Anliegen an die passende Stelle weiter. «Im Moment haben wir aber noch fast keine Anrufe, es ist ziemlich ruhig», sagt Carmen Rey, Pfarreisekretärin in Muri. «Wahrscheinlich spielt noch die Hilfe im nahen Umfeld. Aber die Zeit wird lang – wir stellen uns auf mehr Anfragen ein». Wenn das Sekretariat nicht besetzt ist, wird der Anruf in Muri auf die Notfallnummer umgeleitet. So oder ähnlich sind die meisten Pfarreien organisiert.

Nachfragen, wie es geht

Noch ist es ruhig. Auch das Sekretariat des Pastoralraums Oberes Freiamt verzeichnet aktuell noch nicht viele Anrufe. «Es ist im Moment eher so, dass die Seelsorgenden von sich aus Leute anrufen und sich erkundigen, wie es ihnen geht», berichtet die Sekretärin Ruth Fleischlin. Das sei in dieser Situation wichtig, da der Seelsorger die Menschen nicht wie sonst nach dem Gottesdienst oder beim Pfarreianlass treffe.

Ähnlich äussert sich Christina Fuhrmann, Pfarreiseelsorgerin in Wettingen: «Wir überlegen uns, dazu überzugehen, die Gemeindemitglieder anzurufen.» Zwar bieten die Seelsorgenden in Wettingen und Würenlos eine Online-Gesprächsrunde an, bei der sich die Leute in eine Video-Konferenz einschalten können. Doch das Angebot findet zur Zeit noch keinen grossen Anklang. «Vielleicht steckt dahinter das grundsätzliche Problem, dass wir nur das Publikum erreichen, das digital unterwegs ist», vermutet Christina Fuhrmann. Um mit älteren Gemeindemitgliedern in Kontakt zu bleiben, leisten Telefon oder Brief bessere Dienste.

«Man schaut wieder mehr über den Gartenhag»

Mit einem Brief haben sich der Pfarreirat und die Pfarreiseelsorgerin von Kaisten und Ittenthal an die Gemeindemitglieder gewandt. Das Schreiben habe eine sehr positive Resonanz ausgelöst, sagt Pfarreiseelsorgerin Helena Boutellier: «Gegen zwanzig Helferinnen und Helfer haben sich gemeldet. Bis jetzt konnte ich sie an fünf Hilfesuchende vermitteln.» Weil sie die Verbindung zwischen Helfern und Hilfesuchenden herstelle und im Brief ihre Nummer für «Telefonseelsorge» vermerkt sei, komme sie mehr als vorher in Kontakt mit den Menschen in der Gemeinde. Der Flyer «Hilfe vor Ort», der die Menschen in den Pfarreien dazu aufrief, sich in der Nachbarschaft gegenseitig zu unterstützen, habe einen richtigen Schub ausgelöst: «Man schaut wieder vermehrt über den Gartenhag und fragt bei den Menschen der Risikogruppe an, ob sie Hilfe und Unterstützung benötigen», freut sich Helena Boutellier.

Nachbarschaftshilfe in fast allen Pastoralräumen

In fast allen Pastoralräumen im Aargau gibt es «Nachbarschaftshilfe» in irgendeiner Form. (Die jeweiligen Hilfsangebote finden Sie auf den Webseiten der einzelnen Pfarreien. Hier gelangen Sie zu den Pfarreiseiten: https://www.horizonte-aargau.ch/pfarreien/ ). Kurt Adler, Leiter der Fachstelle Diakonie erklärt: «Nachbarschaftshilfe beinhaltet vor allem Lebensmitteleinkauf, Fahrdienste zu Arzt oder Apotheke.» Vielfach gäben die Helferinnen und Helfer den Leuten auch die Anregung weiter, als Zeichen der Verbundenheit eine Kerze anzuzünden.

«Wir haben noch Kapazität»

Nachbarschaftshilfe bietet zum Beispiel Jungwacht Blauring (Jubla) Mägenwil an. Die Ansprechperson Annina Gmür zieht nach der ersten Woche Bilanz: «Es gab Tage mit zwei bis drei Anfragen und zwischendurch auch ein paar Anrufe von Leuten, die wissen wollten, wie unsere Hilfe funktioniert.» Das Hilfsangebot laufe, jedoch noch nicht so intensiv. Die Jubla-Leiterinnen und Leiter haben Kapazität für mehr Anfragen. Mitglieder des Ehemaligenvereins unterstützen das Leitungsteam, sie organisieren sich via Gruppenchat auf Whatsapp.

Es entstehen schöne Begegnungen, trotz Distanz

Im Pastoralraum Region Brugg-Windisch existiert eine Hotline für Fragen, Sorgen und Unterstützungsbedarf. Dazu organisieren Jugendliche aus Jungwacht Blauring eine Einkaufshilfe. Laut Katechet Fabien Daetwyler steigt die Zahl derjenigen, welche das Angebot in Anspruch nehmen möchten, täglich an. Die freiwilligen Helfer erledigen im Moment Einkäufe für etwa 15 Personen. «Sowohl die Betreuten wie auch die 35 Freiwilligen erleben diese Art der Hilfe als gewinnbringend. Es entstehen schöne Begegnungen – bei Einhaltung des  nötigen Abstandes natürlich», sagt Fabien Daetwyler. Weil die Helferinnen und Helfer aus allen Ecken des Pastoralraums stammen, konnten alle Aufträge bis jetzt per Fahrrad oder zu Fuss erledigt werden.

Zusätzlich holt der Einkaufsdienst bei Bedarf Warenspenden zu Gunsten des zur Zeit ausgesetzten «Tischlein deck dich» ab, der Pastoralraum ruft die Bevölkerung auf, Lebensmittel für die Solidaritätsaktion zu spenden.

Spirituelle Nahrung via youtube-Kanal

Die meisten Pfarreien stellen ihren Mitgliedern spirituelle Impulse zur Verfügung. Dazu nutzen sie die verschiedensten Kanäle. Das Seelsorgeteam in Wettingen erstellt Videobotschaften auf YouTube, um die frohe Botschaft zu verkünden. Der Pastoralraum Aare-Rhein hat auf seiner Webseite ein virtuelles Fürbittbuch aufgeschaltet, in dem die Besucher ihre Anliegen aufschreiben können. Jeden Abend um 19 Uhr sind die Pfarreiangehörigen zum Beten aufgerufen. Die Pfarrei Meisterschwanden-Fahrwangen legt in der Kirche Gebete und ermutigende Texte auf, welche die Leute mit nach Hause nehmen können. Auf Wunsch verschickt die Pfarrei diese Impulse auch per Mail oder per Post.

Whatsapp-Gruppe «Seelsorge»

Jessica Zemp, Seelsorgerin in der Pfarrei Eggenwil-Widen, hat eine Whatsapp-Gruppe mit dem Namen «Seelsorge» gegründet. Per Mobiltelefon schickt sie jeden Morgen ein Bild, einen Text und ein Gebet in die Runde. Durch den Tag kommt ab und zu ein Impuls von einem Gruppenmitglied oder einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen sich den anderen vor. Der Chat läuft seit zwei Wochen und umfasst derzeit 60 Mitglieder. «Ich habe mega Freude, dass es so gut läuft», sagt Jessica Zemp. Die Gruppe ist gut gemischt, neben jungen Eltern sind auch ältere Menschen aus der Pfarrei, aber auch solche aus anderen Kantonen und sogar aus dem Ausland im Chat dabei.

Bewusster beten

Für Jessica Zemp ist das Bewirtschaften des Chats kein Stress, sondern eine Bereicherung: «Indem ich jeden Abend die Texte für den nächsten Tag vorbereite, erlebe ich mein eigenes Beten viel bewusster», erklärt die Seelsorgerin.

Religionsschüler machen sich auf die Suche nach Ostern

Der Religionsunterricht in der so wichtigen Fasten-, Passions- und Osterzeit fällt ebenfalls aus. Doch findige Religionslehrerinnen und -lehrer erreichen die Kinder ebenfalls via neue Medien. Die Kirchgemeinde Baden-Ennetbaden zum Beispiel stellt unter dem Namen «ReliBaden@Home» laufend aktuelle Filme, Infos und Bilder auf.  «Dieses Jahr ist alles ein bisschen anders. Aber die Katechetinnen haben sich etwas ausgedacht. Schaut euch doch das Video an», schreiben die Katechetinnen Wettingen und Würenlos auf der Pfarreiwebseite. Dazu finden die Religionsschüler ein spannendes Video mit dem Namen «Auf Spurensuche – Was hat unser Glaube mit Hasen und Eiern zu tun?»

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