29.03.2020

Dargebotene Hand: Mehrarbeit zum Jubiläum

Von Andreas C. Müller

  • Das Corona-Virus verunsichert die Menschen. Die Anfragen bei Telefon- und Internet-Seelsorgestellen steigen. So auch bei «Tel 143 – Die Dargebotene Hand»
  • Christina Hegi leitet die Regionalstelle Aargau-Solothurn von «Telefon143». Gegenüber Horizonte erklärt sie: «Es gibt kaum ein Telefonat, in dem es aktuell nicht um das Corona-Virus und seine Folgen geht».

 

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise für die «Dargebotene Hand«?
Christina Hegi: Wir verzeichnen deutlich mehr Anrufe. Im Vergleich zum Vorjahr sind es allein für die Region Aargau-Solothurn 100 Anrufe mehr auf zwei Wochen. Aktuell klingelt das Telefon nonstop. Und das heisst etwas für uns als kleinere der insgesamt 12 Regionalstellen. Bei uns ist zudem jeweils nur eine Person pro Schicht im Einsatz. Gesamtschweizerisch sind es gegen 2’000 Anrufe mehr auf diesen Zeitraum.

Wie lange dauert ein Anruf?
Das kommt darauf an: Von fünf bis fünfzig Minuten – je nach Anliegen. Unsere Mitarbeitenden sind allerdings angehalten, die Gespräche nicht zu lange werden zu lassen– einfach auch, um die Leitung frei zu behalten.

Und was beschäftigt die Leute?
Es gibt kaum ein Telefonat, in dem es nicht um das Corona-Virus und seine Folgen für uns geht. Diese Pandemie verunsichert zutiefst. Dabei geht es weniger um medizinische Fragen und die körperliche Gesundheit. Seit Ausbruch der Krise bekommt die Dargebotene Hand in Hunderten von Gesprächen mit, wie stark das Virus und die damit verbundenen Massnahmen in der Bevölkerung Sorgen und Ängste auslösen. Viele leiden unter der Isolation und Einsamkeit – vor allem diejenigen, deren strukturierter Alltag wegfällt.

Wen betrifft das besonders?
Alleinstehende, ältere Menschen und Behinderte, die nicht verstehen, was jetzt los ist. Auch Beziehungsthemen stehen Vordergrund. Man ist ja mehr zusammen, vielleicht sogar auf wenig Raum. Und auch Existenzängste werden immer wieder angesprochen.

Was heisst das konkret?
Ein Kellner ist völlig verzweifelt, weil ihm durch die Schliessung des Restaurants von heute auf morgen nicht nur das Einkommen, sondern auch die Tagesstruktur weggebrochen ist. Eine Pflegefachfrau ist ausser sich, weil sich die Bevölkerung nicht an die verordneten Massnahmen hält und sie den zusätzlichen Druck im Gesundheitssystem hautnah mitbekommt. Da ist aber auch der Hochbetagte, dessen täglicher Besuch einer 83-Jährigen im Altersheim nun nicht mehr möglich ist – sein regelmässiger Sozialkontakt ist damit verloren gegangen.

Und womit werden Ihre Leute gewöhnlich konfrontiert?
Häufig sind es Gespräche rund um psychische Gesundheit, Probleme bei der Alltagsbewältigung und psychische Nöte bis hin zu Suizidgedanken. Dann sehr häufig auch Beziehungsprobleme.

Die Mitarbeitenden sind Freiwillige, richtig?
Ja, Ehrenamtliche, die einen neunmonatigen Ausbildungskurs besuchen und hernach vier Schichten pro Monat im Einsatz sind.

Gibt es Unterstützung in Anbetracht der sicherlich doch oftmals belastenden Themen?
Absolut! Alle Weiterbildungen sind obligatorisch, zudem werden unsere Mitarbeitenden mittels Supervision und auch persönlich durch unsere Psychologin begleitet.

Die Dargebotene Hand ist ja ursprünglich von den Kirchen ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Nicht von den Kirchen als Institutionen – die haben zunächst sogar finanzielle Unterstützung abgelehnt. Es waren einzelne Seelsorgende, die das Angebot regional aufgebaut haben.

Aber mittlerweile können Sie auf die finanzielle Unterstützung der Kirchen zählen…
Ja. Im Aargau werden wir von beiden Landeskirchen mit jährlichen Beiträgen unterstützt. Hinzu kommen Gottesdienstkollekten aus den Kirchgemeinden. Wenn jetzt aber die Gottesdienste über eine längere Zeit ausfallen, werden wir bestimmt Einbussen zu verzeichnen haben.

Die Geschäftsstelle Aargau-Solothurn von «Telefon143» feiert dieses Jahr sein 60-jahr-Jubiläum. Was ist geplant?
Wir wollen insbesondere unseren Freiwilligen ein grosses Dankeschön aussprechen. Geplant ist zum Beispiel eine grosszügige Jahresweiterbildung und ein grosses Fest im Juni. Ob die Anlässe nun aber stattfinden können, ist leider unsicher. Das hängt davon ab, wie wir die Corona-Krise in Griff bekommen.

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