13.02.2020

Rückblick auf das erste Jahr «Gebet am Donnerstag»

Von Christian Breitschmid

  • Priorin Irene Gassmann vom Kloster Fahr blickt im Horizonte-Interview zurück auf das erste Jahr «Gebet am Donnerstag». Eine stille Aktion, die aber grosse Wellen wirft.
  • Am 14. Februar 2019 wurde im Rahmen der Komplet zum ersten Mal das Gebet «Schritt für Schritt» für Veränderungen in der katholischen Kirche gebetet – und seither jeden Donnerstagabend mit immer wieder neuen Teilnehmern.
  • Das Gebetsnetz bewegt viele; es wächst und zieht grosse Kreise, weit über die Landesgrenzen hinaus. Heute Donnerstag, 13. Februar, wird um 19.30 Uhr in der Klosterkirche wieder gebetet und gefeiert.

 

Priorin Irene, vor einem Jahr haben Sie das «Gebet am Donnerstag» im Rahmen der Komplet zum ersten Mal durchgeführt. Seither wird der Gebetstext «Schritt für Schritt» jeden Donnerstagabend um 19.30 Uhr im Kloster Fahr gebetet. Was hat dieses Beten bisher bewirkt?
Priorin Irene: Das Gebet «Schritt für Schritt» verbindet, bewegt und stärkt. In den vergangenen Monaten ist Bewegung in die katholische Kirche gekommen. So entstand im Mai 2019 in Deutschland die Initiative «Maria 2.0». Engagierte Katholikinnen haben zu einem Kirchenstreik aufgerufen und fordern strukturelle Veränderungen in der Kirche. Verschiedene Gruppen von «Maria 2.0» laden inzwischen donnerstags zum Gebet ein. Und im November 2019 gründeten Frauenverbände und Ordensfrauen das internationale katholische Frauennetzwerk «CWC – Catholic Women’s Council».

Wieviele Menschen beten regelmässig mit Ihnen und Ihren Mitschwestern am Donnerstagabend im Fahr?
Inzwischen hat sich eine Gruppe von Beterinnen und Betern gebildet, die regelmässig kommen. Jeden Donnerstag sind mindestens zehn Personen hier, die zusammen mit der Klostergemeinschaft beten. Andere kommen unregelmässig, aber immer wieder mal. Manchmal kommen Gruppen aus Pfarreien oder Pastoralräumen. Es gibt auch welche, die von weither anreisen, teilweise aus dem Ausland, und ihren Gastaufenthalt im Kloster so legen, dass sie am Donnerstaggebet teilnehmen können.

Haben Sie eine ungefähre Vorstellung, wieviele es im Ganzen sind, die sich dem Gebet am Donnerstag angeschlossen haben?
Nein, diese Übersicht fehlt mir. Es ist auch nicht wichtig, hier eine Statistik zu führen.  Rund 70 Orte und Gruppen haben uns ihre Gebetsverbundenheit mitgeteilt und sind auf der Webseite aufgeführt.

Auf Ihrer Website sind aktuell 37 Pfarreien, Klöster und andere Institutionen aus der Schweiz aufgeführt, die das Gebet am Donnerstag durchführen. Ausserdem wird «Schritt für Schritt» auch in Deutschland und Luxemburg gebetet. Erhalten Sie auch Rückmeldungen von den verschiedenen Orten, die sich Ihrem Gebet angeschlossen haben?
Mit einzelnen bin ich in Kontakt. Sie schicken die Ausschreibungen oder neue Pläne ihrer Gottesdienste. Manchmal planen Pfarreien oder Gruppen einen Besuch im Kloster Fahr in Verbindung mit dem Gebet am Donnerstag. Immer wieder bedanken sich die Menschen für diese Initiative und Ermutigung.

Entspricht der bisherige Erfolg dieser Gebetsaktion dem, was Sie erwartet hatten? Oder hätten Sie sich das ganz anders vorgestellt?
Beim Start vor einem Jahr hatte ich keine Erwartungen, sondern spürte einfach das Bedürfnis, mit einem Gebet diese Zeit der Veränderung mitzugestalten. Es berührt mich immer wieder, wie viele Menschen jeden Donnerstag zum Gebet kommen. Auch das Engagement meiner Mitschwestern, jeden Donnerstag diesen besonderen Gottesdienst zu gestalten und mit Freude zu feiern, berührt mich ebenfalls. Überrascht bin ich, wie viele Gruppen in Deutschland durch die Initiative «Maria 2.0» dieses Gebet aufgenommen haben. Schwieriger gestaltet sich die Verbreitung des Gebets über die Sprachgrenzen hinaus zum Beispiel in der Westschweiz, im Tessin oder auch in anderssprachigen Ländern. Obwohl das Gebet in verschiedenen Sprachen verfügbar ist.

Viele der sogenannt kirchenfernen Menschen neigen ja dazu, betende Leute zu belächeln, weil sie sich nicht vorstellen können, dass Gebete etwas in dieser Welt verändern können. Was sagen Sie diesen Menschen?
Das Gebet verändert zuerst die Betenden. Beim «Gebet am Donnerstag» zeigt sich das darin, dass die Menschen gestärkt und ermutigt wieder nach Hause gehen. Beten verbindet und schafft Gemeinschaft. Auch das stärkt.

«Schritt für Schritt» macht deutlich, dass in der Kirche Machtmissbrauch stattgefunden hat und immer noch stattfindet. Das Gebet ruft nach der Gleichbehandlung aller Getauften und nach dem gleichberechtigten Miteinander von Männern und Frauen in allen Diensten und Ämtern. Glauben Sie, dass dieses Gebet auch die mächtigen Mauern des Vatikans durchdringen kann?
Ja, ich glaube an die Kraft des Gebetes. Ich lasse mich überraschen, welche Ritzen und Wege das Gebet finden wird…

Sie sprechen in «Schritt für Schritt» eine für Theologen ungewohnt deutliche Sprache. Fürchten Sie nicht, dass diese klaren Worte Ihnen oder Ihrer Gemeinschaft schaden könnten?
Was könnte uns passieren? Im Gebet bringen wir das zur Sprache, was uns bewegt und in unseren Herzen brennt und schmerzt. So lehren uns schon die Beterinnen und Beter der Psalmen: Sie nehmen kein Blatt vor den Mund und formulieren ihre Not ungeschminkt.

Bischof Felix hat Sie in Ihrem Vorhaben «Gebet am Donnerstag» ermutigt. Wer von den männlichen Würdenträgern unserer Kirche steht ausserdem noch hinter dieser Aktion?
Ich bin sehr dankbar, dass Bischof Felix sowie Weihbischof Denis und auch Generalvikar Markus Thürig diese Gebetsinitiative unterstützen. Es freut mich, dass Abt Christian Meyer und die Benediktiner im Kloster Engelberg das Gebet ebenfalls wöchentlich beten.

Papst Benedikt XVI. scheint Mühe zu bekunden mit den zaghaften Versuchen von Papst Franziskus, neue Wege zu beschreiten. Wie schätzen Sie den Einfluss des emeritierten Papstes auf die Geschicke der Kirche ein? Müssen ihn reformwillige Geister fürchten?
«Furcht» ist kein guter Ratgeber. Ich bewundere Papst Franziskus, wie gelassen, klug und klar er mit diesen «Angriffen» umgeht. Ich hoffe und bete, dass er weiterhin die Kraft und Unterstützung hat, den Weg für eine erneuerte Kirche voranzutreiben.

Was ist Ihrer Ansicht nach der erste und wichtigste Schritt, den die Kirche tun muss, um sich erfolgreich erneuern zu können, wie es im Gebet steht?
Eine wichtige Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich gemeinsam auf einen Erneuerungsprozess einzulassen. Die nächsten Schritte werden sich zeigen.

Woher nehmen Sie selbst immer wieder von neuem Ihre «Kraft und Zuversicht», um die in «Schritt für Schritt» gebeten wird?
Ich selber schöpfe ganz viel Kraft aus dem Gebet. Auch all die vielen Frauen und Männer, welche die Kirche lieben und  mit ihr leiden: Diese Gemeinschaft gibt mir ebenfalls Kraft und Zuversicht.

Wie geht es weiter mit dem «Gebet am Donnerstag»?
Wir bleiben dran, Woche für Woche, Schritt für Schritt und freuen uns, wenn das Gebetsnetz weiter wächst.

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