13.09.2021

Eindrücke der sechsten Aargauer Kapellenwanderung
Das unruhige Herz ist die Wurzel der Pilgerschaft

Von Werner Rolli

  • Die 6. Aargauer Kapellenwanderung führte am Samstag, 11. September, von der Antoniuskapelle in Ueken zur Dorfkirche von Hornussen.
  • Bernhard Lindner von der Fachstelle Bildung und Propstei konnte 50 Kapellenwanderer begrüssen.
  • Linus Hüsser und Charly Herzog begleiteten die Pilger mit historischen Fakten und unterhaltsamen Anekdoten durch den Tag.

Kurz nach der Staffelegg wich der Nebel der Morgensonne. Die wärmenden Strahlen begrüssten die Kapellenwanderer in der Antoniuskapelle in Ueken. Eingeladen hatte die Fachstelle Bildung und Propstei der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau. Bernhard Lindner begrüsste die Pilgerschar mit dem Reisesegen und stimmte ein auf diesen Tag.

Sich gegenseitig begleiten

Die Antoniuskapelle hat eine bewegte Geschichte. 1705 neben einer Mühle erbaut, wurden pro Jahr vier heilige Messen gelesen. Gemäss der Überlieferung wurde der Zelebrant jeweils nach den Gottesdiensten in der Wohnstube der Mühle grosszügig bewirtet. Linus Hüsser und Charly Herzog führten durch die Kapellen und wussten allerlei Fakten und Anekdoten zu erzählen. Gemeinsam unterwegs sein bedeutet auch sich gegenseitig zu begleiten, in Gesprächen, im Teilen von Gedanken, im Lachen, im Singen, meint Bernhard Lindner. So ging es denn vorbei am Wegkreuz zwischen Ueken und Herznach zur Verenakapelle, die so erbaut wurde, dass die Sonne bei ihrem Aufgang genau durch das östliche Fenster scheint. Lange Zeit glaubte man – aufgrund des Fundes eines steinernen Kreuzigungsreliefs – dass diese Kapelle das älteste Gotteshaus im Fricktal sei. Eine These, die längst widerlegt ist, wie Linus Hüsser weiss. Gesichert hingegen ist, dass anno 1668 die elf letzten Pestopfer des Fricktals hier bestattet wurden.

Einziger «Sparsarg» in der Schweiz

Gastrecht genossen die Reisenden anschliessend in der Kirche Herznach. Die St. Nikolauskirche mit Pfarrhaus und Beinhaus wurde in drei Epochen erbaut. Der Käsbissenturm ist spätgotisch, das Langhaus mit den Stuckaturen von Giovanni Giacomo Neurone ist von 1691 bis 1692 datiert, und der kuppelbedeckte Ovalchor wurde von Johann Pfeiffer in den Jahren 1718 bis 1719 hinzugefügt. Die Malereien in der Kuppel sind das Werk von J. A. Wieland und F. A. Giorgioli. Das Beinhaus beherbergt eine Besonderheit: einen Josefinischen «Sparsarg», ein wiederverwendbarer Sarg, der konstruiert wurde, um Holz zu sparen. Es handelt sich um das einzige Exemplar in der Schweiz und wurde wohl nie benutzt. 

Der Sparsarg im Beinhaus der Nikolauskirche wurde eingehend begutachtet. | Foto: Werner Rolli

Aussen Holzschopf, innen Kapelle

Nach kurzer Mittagsrast ging die Reise weiter zur Eichkreuzkapelle in Oberzeihen. Wer nicht um die Bedeutung des Ortes weiss, könnte glatt daran vorbeigehen. Aussen ein eher unscheinbarer Holzschuppen, offenbaren sich im Innern ein steinernes Kreuz mit goldener Jesusfigur. Dieses wurde vom Maurer Johann Wendelin 1874 erbaut, aus Dankbarkeit, dass er nach einem Unfall wieder gesund wurde. Der vordere Teil der Kapelle mit dem Kreuz ist überdacht, jedoch nach drei Seiten hin offen. Neben dem Kreuz stehen zwei Bildstöcke, die den Gekreuzigten sowie Jesus am Ölberg zeigen.

Süssmost vor der Josefskapelle

«Ankommen heisst erwartet werden!» So sagt eine alte Pilgerweisheit. Und so bleibt Bernhard Lindner auch dieser Moment in besonderer Erinnerung: «Auf dem mit Sonnenblumen geschmückten Brunnen vor der Josefskapelle in Oberzeihen stand ein grosser Glasballon voll frisch gepresstem Süssmost.» Empfangen wurden die Pilgerreisenden von Priska Hauser, der Sakristanin, während ihre Enkelin durstigen Pilgerinnen und Pilgern ein Glas Most einschenkte.

Der Wallfahrtsleiter erzählt

Die sechste Kapellenwanderung endete in Hornussen, wo die Lourdes-Grotte und die Kirche St. Mauritius auf dem Programm standen. Die Kirche wird 1302/1304 im Pfarreiverzeichnis des Bistums Basel erstmals genannt und ist heute noch Ausgangspunkt der jährlichen Wallfahrt ins Todtmoos. Charly Herzog organisiert diese Pilgerreise seit 20 Jahren. Es war spannend, seinem Vortrag, aber auch seinen Anekdoten, zuzuhören. Der Tag endete mit einem Apéro, gespendet von der Kirchgemeinde Hornussen.

Charly Herzog bei der Josefskapelle in Oberzeihen. | Foto: Werner Rolli

Freude über viele Teilnehmer

Alles in allem endete so ein rundum gelungener Anlass. Linus Hüsser freute sich besonders über die 50 Teilnehmer, viele von ihnen aus der Region Baden: «Es zeigte sich, dass trotz der herrschenden Corona-Massnahmen eine solche Veranstaltung mit Erfolg durchgeführt werden kann.» Viele Kapellenwanderer zeigten sich dankbar, Kapellen besuchen zu dürfen, die normalerweise verschlossen sind oder auf ihnen bislang unbekannte Orte der Besinnung aufmerksam gemacht zu werden.

Alleine hätte man diese Wanderung kaum in Angriff genommen, war zu hören. Während der Marsch für manche etwas anstrengender war als erwartet, meinte ein erfahrener Wanderer, er wäre gerne schneller marschiert. Doch waren alle voll des Lobes. Geschätzt wurden die Lieder, die stillen Momente und die Hintergrundinformationen. Am meisten beeindruckte offenbar die Eichholzkapelle, die in ihrer Schlichtheit doch ein besonderer Ort ist.

Auf alten Glaubenswegen

Auch Bernhard Lindner ist zufrieden und resümiert: «Ich schaue auf einen wunderschönen Pilgertag zurück, an dem für mich sehr vieles gestimmt hat. Dankbar blicke ich auf eine Wanderung durch die Sakral-Landschaft des Oberen Fricktals. Auf alten Glaubenswegen sind wir gegangen und haben Orte besucht, an denen Menschen über Jahrhunderte Halt, Trost und Hoffnung gefunden haben. Orte, die auch für uns heutige Menschen immer noch ihre kraftvolle, befreiende Botschaft entfalten.»

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