26.12.2013

Der Mann des Jahres

Von Horizonte Aargau

2013 war das Jahr des Papstes – das Jahr der Päpste. Zuerst versetzte am Rosenmontag der sensationelle Amtsverzicht des Deutschen Benedikt XVI. die Welt in Aufregung und die Medien in Hektik. Und seit der Wahl des Argentiniers Franziskus gehört «Papst» zu den meistgeklickten und meistgetwitterten Begriffen.

Mitte Dezember wurde Franziskus vom renommierten «Time Magazine» zur «Person des Jahres» 2013 gekürt. Eine Ehrung, die genauso schnell kam wie der Friedensnobelpreis für Barack Obama: Neun Monate; solange ist Franziskus im Amt. Hoffnungsträger muss man schmieden, solange sie heiss sind – oder, wie ein Papstvertrauter dem Pontifex riet: «Reformen muss man machen, solange der Petersplatz voll ist.»

Gesten, die verändern
Am Abend des 13. März 2013 sprach der neue Mann an der Spitze von rund 1,2 Milliarden Katholiken von der Mittelloggia des Petersdoms sein kirchliches «Yes, we can» im einfachen weissen Gewand. Bevor er die Menge segnen könne, sollte sie für ihn beten – schon das eine ungewöhnliche Geste, der in den 24 Stunden danach unzählige weitere folgen sollten: Franziskus liess die schwarze Limousine stehen, um mit den anderen Kardinälen gemeinsam den Kleinbus zum vatikanischen Gästehaus zu nehmen. Am nächsten Morgen, dem ersten als Papst, zahlte er persönlich seine Hotelrechnung. Besuche in Krankenhäusern, bei Waisen, die spektakuläre Reise auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa, Bäder in der Menge, unter Jugendlichen, Küsse und Umarmungen für einen furchtbar entstellten Kranken. Dazwischen: Reformankündigungen, Telefonate mit Fremden, die ihm verzweifelte Postkarten geschrieben hatten. Öffentliche Reden und Worte der Ermutigung, die, anders als bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. keinesfalls hohe Theologie, sondern eher praktische Seelsorge darstellen – und direkt ins Herz treffen. Zugleich halten seine Ansprachen denen einen Spiegel vor, die sie am lautesten loben. Denn die Appelle des Franziskus, sich den Armen zuzuwenden und an die Ränder der Gesellschaft zu gehen, müssen unbequem klingen in den reichen Ländern – auch dann, wenn diese ein hoch organisiertes kirchliches Wohlfahrtssystem unterhalten. Mehr als einmal hat der Mann aus Argentinien bereits gepredigt: Caritas, Nächstenliebe, zu delegieren, reicht nicht aus. Der Einzelne und sein Tun sind gefragt.

Heiligsprechung von Gleichgesinnten
Franziskus hat Ende September die Heiligsprechung seiner Vorgänger Johannes Paul II. und Johannes XXIII. angekündigt; ausgerechnet jener Päpste des 20. Jahrhunderts, denen er mit seinen Eigenschaften vielleicht am meisten ähnelt – und die als bislang einzige Päpste den seit 1927 vergebenen Titel einer «Person des Jahres» erhielten. Johannes XXIII. (1958-1963) war der «Papa buono», der Gefangene besuchte, Witze über seine unattraktive Erscheinung machte und sich selber riet, sich nicht so wichtig zu nehmen. Johannes Paul II. (1978-2005) war ein Star. Ein Mann der gut gesetzten Gesten, gelernter Schauspieler, Meister der Inszenierung. Und einer, der mit slawischer Sturheit durchsetzte, was er sich in seinen Kopf gesetzt hatte. Das freilich ist noch der ungelöste Wechsel, der in dem Hype um Franziskus und auch in Ehrungen wie der zur «Person des Jahres» steckt. Mit enormem Tempo ist der neue Papst an die Umsetzung seiner Pläne gegangen. Ein Rat von acht Kardinälen der Weltkirche arbeitet an Vorschlägen für eine Reform der Römischen Kurie. Doch zugleich: Franziskus ist 77 Jahre alt. Kein Alter für einen Mann mit dieser Energie, mag man einwenden – und als Beleg erneut Johannes XXIII. anführen. Der verkündete in genau diesem Alter die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), das die katholische Weltkirche veränderte wie kein anderes Ereignis des 20. Jahrhunderts. 

Alexander Brüggemann, kipa

 

 

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