06.05.2022

Das Geld der Kollekten am Muttertag bleibt im Aargau
Der Muttertagsfonds hilft seit 50 Jahren

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Die Rechnung für eine Zahnspange, eine Weiterbildung oder die Kosten für den Hort bereiten manchen Müttern grosse Sorgen.
  • Der Muttertagsfonds des Aargauischen Katholischen Frauenbunds AKF unterstützt Frauen, Kinder und Familien im Aargau seit 50 Jahren mit finanzieller Überbrückungshilfe. Das Geld dafür kommt zu einem grossen Teil aus den Kollekten der Gottesdienste am Muttertag.
  • Betreut wird der Muttertagsfonds von Irene Wittlin aus Frick.

Die Garderobenkommode im Hause Wittlin dient als Postausgang. Fast täglich liegen dort Couverts bereit, die auf ihren Transport zum nächsten Briefkasten warten. Auch die automatische Päcklistation in Frick wird von Irene Wittlin regelmässig genutzt. Dazu kommt eine Fülle an elektronischer Post, durch die sie sich zweimal täglich klickt. «Managerin» würde sich die frisch Pensionierte selber wahrscheinlich nie nennen. Und doch trifft der Ausdruck ihre Tätigkeit recht gut: Irene Wittlin managt den Muttertagsfonds des Aargauischen Katholischen Frauenbundes AKF seit sechs Jahren.

Karten bestellen

Das Geld für den Muttertagsfonds stammt unter anderem aus dem Verkauf von Fotokarten. Alle aktuellen Sujets sowie die Bestellmöglichkeiten finden Sie auf www.frauenbund-aargau.ch.

Sorgfältige Prüfung

Im Jahr 1971 gegründet, gewährt der Muttertagsfonds seit 50 Jahren finanzielle Hilfe an Frauen, Kinder und Familien im Aargau, unabhängig von deren Zivilstand, Konfession und Staatszugehörigkeit. Die Beiträge werden im Sinne einer Überbrückungshilfe geleistet und sind in der Regel einmalig. Gesuche an den Muttertagsfonds können von Privatpersonen oder Beratungsstellen gestellt werden. Eine dreiköpfige Kommission des AKF prüft und bespricht die Gesuche.

Irene Wittlin steht der Kommission vor und betreut den Muttertagsfonds. Dieses Amt beinhaltet vielfältige Aufgaben, die sie – entschädigt für ein 20%-Pensum – engagiert und umsichtig erfüllt. Sie empfängt, sichtet und beurteilt die eingereichten Gesuche, gibt per Mail und Telefon Auskunft, führt die Buchhaltung und Statistik und organisiert die jährliche Kollekte am Muttertag. Ausserdem bearbeitet Irene Wittlin die Bestellungen für die Bildkarten, aus deren Erlös sich der Muttertagsfonds unter anderem speist. In ihrem Büro klebt sie die Fotos auf die Karten, organisiert Nachschub und verpackt die bestellten Karten für den Versand. 

Ortsvereine tragen den Muttertagsfonds

Das Geld im Muttertagsfonds des AKF stammt neben dem Kartenverkauf zum grössten Teil aus der Kirchenkollekte aus den Gottesdiensten am Muttertag, dem «Muttertagsopfer». Daneben lebt der Fonds von Spenden der Ortsvereine und privaten Zuwendungen. Während die Kollektengelder aus den Gottesdiensten wegen Coronaeinschränkungen und abnehmender Kirchenbesuche eher abgenommen haben, legten die anderen Spenden zu. «Es ist schön, dass die Ortsvereine uns tragen und private Spenderinnen den Muttertagsfonds berücksichtigen. Die Leute wissen, dass das Geld im Aargau Gutes bewirkt», sagt Irene Wittlin.

In Teamarbeit beurteilt

Irene Wittlin kann bei der Beurteilung der Gesuche auf die Unterstützung der beiden ausgebildeten Sozialarbeiterinnen Sibylle Bader Biland aus Tägerig und Marion Schading aus Ehrendingen zählen. Diese zwei Kommissionsmitglieder studieren ebenfalls die Unterlagen und geben ihre Einschätzung in Form eines Berichtes ab. Danach entscheidet das Dreierteam über Unterstützung oder Ablehnung. Manchmal muss über einen Fall nochmals diskutiert werden, meistens sind sich die Kommissionsmitglieder jedoch einig.

Im vergangenen Jahr sind 80 Gesuche eingereicht worden, was knapp unter dem Durchschnitt der letzten sieben Jahre liegt. Zwei Gesuche lehnte die Kommission ab. Rund 62’000 Franken gingen an die restlichen Antragsstellerinnen. Wobei, wie Irene Wittlin betont, der Fonds sicherstellt, dass die Spendengelder zweckgebunden verwendet werden: «Der Muttertagsfonds zahlt kein Geld aus, sondern bezahlt Rechnungen oder macht eine Kostengutsprache.»

Gesuche zeigen, wo der Schuh drückt

Die Gesuche um Unterstützung werden zu über 80 Prozent über Beratungsstellen wie die Kirchlich-Regionalen Sozialdienste oder die Budgetberatung der Caritas sowie von Sozialdiensten der Gemeinden eingereicht. Die restlichen Gesuche stellen die Frauen direkt. Die formulierten Anliegen zeigen, welche Bereiche Alleinerziehenden oder Migrantinnen am häufigsten finanzielle Sorgen bereiten: Kinderbetreuung, Gesundheitskosten, Aus- und Weiterbildung.

Manchmal studiert Irene Wittlin ein Gesuch, legt es dann beiseite und denkt sich in die Situation hinein. Dass sie selber so viel Glück hatte im Leben, ist für sie ein wichtiger Grund, etwas davon weiterzugeben.

Das erste Gesuch ermöglichte Kinderbetreuung

Übrigens: Das erste Gesuch, das gleich nach der Gründung des Fonds vor 50 Jahren bewilligt wurde, ermöglichte einer Familie mit neugeborenen Drillingen für vier Monate eine «Familienhelferin» einzustellen.

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