09.09.2021

Abstimmung über die «Ehe für alle»
Die Bischöfe können nicht «Ja» sagen

Von Marie-Christine Andres / kath.ch

  • Am 26. September entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Vorlage «Ehe für alle».
  • Die Gegner führen rechtliche und moralische Bedenken ins Feld, während die Befürworter die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare als längst überfälligen Schritt bezeichnen.
  • Die Schweizer Bischofskonferenz äussert sich differenziert: Sie spricht sich dezidiert für Gleichberechtigung aus, tut sich aber schwer mit der Ausweitung des Ehebegriffs und der Nutzung der Fortpflanzungsmedizin.

Der Ehebegriff in der Bundesverfassung gibt seit längerem zu reden. Schon vor zwanzig Jahren gab es parlamentarische Vorstösse dazu. Zwar können gleichgeschlechtliche Paare seit dem Jahr 2007 ihre Partnerschaft eintragen lassen, heiraten dürfen sie jedoch nicht – im Gegensatz zu 16 Ländern in Europa und sämtlichen Nachbarstaaten der Schweiz ausser Italien. Das Parlament befasste sich jahrelang mit diesen grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Fragen. Nach Jahren intensiver Diskussion kann das Schweizer Stimmvolk am kommenden 26. September über die «Ehe für alle» entscheiden. Alle Paare sollen heiraten können und so die gleichen Rechte und Pflichten haben.

Bessere Absicherung

Zu den Rechten gehört auch die gemeinsame Adoption von Kindern. Verheiratete Frauenpaare erhalten Zugang zur Samenspende. Ausserdem verändert die «Ehe für alle» die Rechtslage der Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren, indem die Elternschaft des nicht biologischen Elternteils ab Geburt anerkannt wird. Die anonyme Samenspende, die Eizellenspende und die Leihmutterschaft bleiben für alle verboten.

Gefahr der «Vaterlosigkeit» als Gegenargument

Ein Komitee mit Vertreterinnen und Vertretern der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ergriff im Frühjahr das Referendum gegen die Vorlage. Für homosexuelle Paare bestehe bereits die Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft. Zum anderen sehen die Gegner die Ehe ausschliesslich als Verbindung von Mann und Frau. Dies, weil nur aus dieser Verbindung auf natürliche Weise Kinder entstehen könnten. Die Einführung der «Ehe für alle» führe zu Vaterlosigkeit. Den Zugang zur Samenspende für Frauen-Paare bezeichnen die Referendumsführer als «rechtlich und moralisch bedenklich».

Zu stark vereinfacht

Die «Freidenkenden Schweiz» orten den Widerstand gegen die «Ehe für alle» vor allem bei der katholischen Kirche. Eine Ende August lancierte Plakatkampagne kritisiert explizit die Haltung der Kirche. Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenkenden Schweiz sagte: «Mit dem Sujet richten wir eine klare Botschaft an die faktisch einzigen Gegner der ‚Ehe für alle’, die Religiös-Konservativen.»

Arbeitskreis Regenbogenpastoral nimmt nicht offiziell Stellung

Hansruedi Huber, Kommunikationsbeauftragter des Bistums Basel, stellt in den Vordergrund, dass die «Ehe für alle» eine staatliche Sache sei: «Auf die römisch-katholische Kirche hat sie unmittelbar keinen Einfluss.» Das Bistum Basel befürworte jedoch die mit der Vorlage verbundene Förderung verbindlicher Beziehungen sowie die Stärkung der sozialen Absicherung.

Vor fünf Jahren gründete das Bistum Basel den «Arbeitskreis Regenbogenpastoral», der für eine Seelsorge steht, die Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transmenschen und Intersexuelle sowie deren Angehörige willkommen heisst. Eine offizielle Stellungnahme zur «Ehe für alle» gibt der Arbeitskreis aber nicht ab. Barbara Kückelmann, Pastoralverantwortliche des Bistums Basel, sagt: «In dieser Sache liegt die Kommunikation beim Bistum.»

Familiengründung stehe im Mittelpunkt

Bistumssprecher Huber verweist auf die offizielle Stellungnahme der Schweizer Bischofskonferenz (SBK). Darin betonen die Bischöfe, im Bereich des Bürgerrechts und der Hinterlassenenrenten sei für alle Personen Gleichstellung herbeizuführen. Dezidiert sprechen sich die Bischöfe gegen Diskriminierung aus.

Die Gleichstellung müsse jedoch auf anderem Weg als über eine «Ehe für alle» angestrebt werden. Denn nicht nur das Ehesakrament, sondern auch die Zivilehe seien auf die Familiengründung ausgerichtet: «Die Zivilehe bezweckt die Eintragung des Kindesverhältnisses in ein beständiges Institut, namentlich zum Schutz der Mutter und des Kindes. Auch das katholische Sakrament der Ehe «feiert vor Gott die Vereinigung von Mann und Frau als in Liebe angelegtes gemeinsames, stabiles und für die Fortpflanzung offenes Leben.»

Knackpunkt Fortpflanzungsmedizin

Die Nutzung der Reproduktionsmedizin ist für die Schweizer Bischofskonferenz der Knackpunkt, und zwar ganz generell, egal, ob durch hetero- oder homosexuelle Paare. «Im Bewusstsein dieser schwerwiegenden ethischen Herausforderungen kann die SBK den Entwurf ‚Ehe für alle’ in dieser Form nicht annehmen», schliessen die Schweizer Bischöfe.

Längst überfällig

Die Befürworter sind der Ansicht, Homo- und Bisexualität seien längst Normalität. Mit der «Ehe für alle» werde gleichgeschlechtlichen Paaren eine vollwertige gesellschaftliche Anerkennung gewährt. Dieser Schritt sei längst überfällig.


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