05.10.2015

Die Fastenkampagne 2016 wird politisch

Von Andreas C. Müller

Zum ersten Mal wird die Ökumenische Kampagne mit einem Volksbegehren verknüpft. Man könne nicht Entwicklungsarbeit leisten «und das grosse Ganze» ausblenden, begründen die Verantwortlichen den Entscheid. Immer wieder würden nämlich die Entwicklungshelfer von Fastenopfer und deren Partner in den Ländern des Südens mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden durch international tätige Unternehmen konfrontiert.

«Die Rosenverkäufer sollen sicher nicht auch noch Unterschriften sammeln», entgegnet Blanca Steinmann lachend auf die Frage, wie denn die Ökumenische Kampagne 2016 Hand in Hand mit dem geplanten politischen Engagement funktionieren soll. Fastenopfer unterstützt die in diesem Jahr lancierte Konzernverantwortungsinitiative zusammen mit 66 anderen Nichtregierungsorganisationen und macht die Initiative zusammen mit ihren beiden Partnerorganisationen zum Schwerpunkt der Fastenkampagne im kommenden Jahr (Horizonte berichtete). «Verantwortung tragen – Gerechtigkeit stärken» lautet das Motto.

Unternehmen auf Menschenrechte verpflichten
Es ist das erste Mal in der Geschichte der alljährlichen Fastenaktion, dass diese mit einem Volksbegehren und somit einer klar politischen Stossrichtung verknüpft wird, erklärt Daniel Hostettler von Fastenopfer auf Nachfrage. Bei den zur Kampagne versandten Unterlagen an die Pfarreien wird es diesmal auch Sammelbögen für Unterschriften haben – mit der Aufforderung, die Menschen vor Ort für die Initiative zu sensibilisieren. Die Konzernverantwortungsinitiative will, dass international tätige Unternehmen mit Sitz in der Schweiz Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland einhalten. Aktuell sind bereits 78 000 Unterschriften zusammengekommen, die Initianten rechnen damit, das Volksbegehren im September 2016 einreichen zu können.

Rücksichtsloser Rohstoffabbau
«So lange wir nur Entwicklungsarbeit im Süden machen und das grosse Ganze nicht berücksichtigen, können wir in unseren Anstrengungen nicht gleich erfolgreich sein», begründet Daniel Hostettler die Verknüpfung der Ökumenischen Kampagne mit dem politischen Engagement zugunsten der Konzernverantwortungsinitiative. «Die Konzernverantwortungsinitiative ist ein direkter Anknüpfungspunkt für unsere Arbeit», so Daniel Hostettler, verantwortlich fürs Thema Menschenrechte bei Fastenopfer. In vielen Ländern des Südens, wo sich Fastenopfer für die dort ansässigen Menschen engagiere, werde man mit den Auswirkungen rücksichtsloser Geschäftspraktiken von internationalen Konzernen konfrontiert. Hauptsächlich in Verbindung mit Rohstoffabbau.

Goldrausch in Burkina Faso
Patricio Frei, Fachverantwortlicher Medienarbeit beim Fastenopfer, bereiste vor kurzem in Burkina Faso die Gegend, in welcher Fastenopfer Aufbauhilfe leistet. Die grossen Goldminen der ausländischen Gesellschaften haben Landschaft und urbares Land verwüstet. Strassen wurden ohne Rücksicht auf den Besitz von Bauern gebaut, ihr Grundstück vernichtet. Viele jungen Menschen verlassen zudem ihre Dörfer, um auf eigene Faust nach Gold zu graben. Die Erträge des aufwändigen Goldabbaus durch Menschenhand seien allerdings erbärmlich, so Patricio Frei.

20 000 Schürfer in Zeltstadt
Burkina Faso wird im Rahmen der nächsten Fastenkampagne immer wieder Referenzpunkt sein. Dort versucht Fastenopfer zusammen lokalen Partnerorganisationen vor allem, die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Der Boden im westafrikanischen Land ist sehr sandig, auf eine lange Trockenzeit folgt jeweils nur ein kurze Regenzeit. «Mit nachhaltigen Methoden versuchen wir, die Produktion zu erhöhen, den Umgang mit dem Ernte-Ertrag zu verbessern und alternative Einkommen zu generieren», erklärt Vreni Jean-Richard, die Programmverantwortliche. Steinmäuerchen verhindern, dass der Wind den Boden weiter erodiert. Die Arbeit mit Kompost verbessert die Ernten und Viehzucht verhilft dazu, die Existenzgrundlagen breiter abzustützen. «Wenn jedoch die Jungen abwandern und Gold schürfen, geht das Know How rasch wieder vergessen» beklagt Vreni Jean-Richard. Schon Kinder finden sich in den unübersichtlichen, riesigen Zeltlagern in den Schürfgebieten wieder. In Alga, einem der grössten Schürfgebiete im Norden des Landes, leben gegen 20 000 Menschen.

Menschen, wenn Maschinen sich nicht mehr lohnen
Grosskonzerne haben mit dem Abbau begonnen. Der Ertrag blieb jedoch gering, das Interesse der Firmen schwand. Zurück blieben Schwermetalle im Boden und bei der Bevölkerung die Hoffnung, dass Gold aus dem Boden gewonnen werden kann – mit verheerenden Folgen. «Wo die Maschinen nicht mehr gewinnbringend sind, wird der Mensch eingesetzt», das ist die makabre Schlussfolgerung, die aus den Berichten von Barthélémy Sam, Fastenopfer-Koordinator in Burkina Faso, gezogen werden kann.

Emotionale Reaktionen auf Fastenkampagne wahrscheinlich
«Wo Gold den Glanz verliert», wird es entsprechend auf den Plakaten zur Ökumenischen Kampagne im kommenden Frühjahr heissen. «Gold ist ein hochemotionales Thema», weiss Blanca Steinmann. Sie schliesst nicht aus, dass es nach der Fleischdiskussion rund um die Ökumenische Kampagne 2015 wieder zu heftigen Reaktionen kommen könnte. Insbesondere weil Fastenopfer mit Blick auf die Ökumenische Kampagne auch aufzeigen will, wie ein Schweizer Unternehmen in die Situation in Burkina Faso verwickelt ist. Allerdings dürften nicht alle mit Begeisterung zur Kenntnis nehmen, dass die Ökumenische Kampagne 2016 einen klar politischen Anstrich trägt. «Darauf haben wir uns bereits vorbereitet», erklärt Daniel Hostettler. Unter anderem hat der profilierte Sozialethiker Thomas Wallimann-Sasaki eigens ein Argumentarium erarbeitet. Wie genau die Reaktionen ausfallen werden, wird sich ab 10. Februar 2016 zeigen. Dann, wie gehabt am Aschermittwoch, startet die Ökumenische Kampagne 2016 für die Dauer bis Ostern am 27. März.

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