21.11.2019

Jahreskünstlerwechsel bei Horizonte

Von Anne Burgmer

  • Es ist Jahreskünstlerwechsel: Ab dem 1. Dezember werden die Horizonte-Frontseiten zu den Hochfesten von Kitti Steffen gestaltet. Sie übernimmt die Aufgabe von Jacqueline Fahrni, die in diesem Jahr Bildcollagen gestaltete.
  • Horizonte brachte die beiden Künstlerinnen für einen Austausch zusammen. Es ergaben sich spannende Berührungspunkte.

 

Es liegt etwas in der Luft: Jacqueline Fahrni, scheidende Horizonte-Jahreskünstlerin, nimmt eine Garnspule hervor. Sie war Teil ihrer letzten Collage für die Festfront und soll zeigen, dass der Faden bei der Jahreskunst weitergesponnen wird. Die Spule ist ein Volltreffer. Erstens, weil die neue Jahreskünstlerin Kitti Steffen Quilts näht und das ohne Faden unmöglich ist, zweitens, weil die Farbe identisch ist mit der Farbe von Kitti Steffens Kleid: senfgelb. «Das werden wir nie vergessen», sagt Jacqueline Fahrni.

Zuschneiden frei Schnauze

Das Nähatelier, in dem die beiden Frauen gemeinsam auf einem Sofa sitzen und sich austauschen, ist von oben bis unten vollgestopft mit Stoffen, Garnkästchen, Nadelkissen und Schächtelchen. Es ist ein gemütlicher Raum, holzvertäfelt mit unendlich vielen Farbeindrücken. Kitti Steffen, Jahrgang 1954 und ursprünglich Kindergärtnerin, hält ein farblich sortiertes Stoffpotpourri hoch: «Die musste ich einfach haben, die Farben haben es mir angetan», schwärmt sie.

Drei Söhne und eine Tochter hat Kitti Steffen mit ihrem Mann Helmut. Sie bildete sich zur Katechetin aus und später für den Heilpädagogischen Religionsunterricht weiter, arbeitete lange Jahre für die Römisch-Katholische Landeskirche im Aargau. «Märchen können mich zu Quilts anregen. Ebenso einzelne Sätze und Worte oder auch ein Stoff, der mir in die Hände fällt. Die Festkunst ist eine Herausforderung. Das Thema ist gegeben und dann kommen meine Ideen dazu», sagt Kitti Steffen, die mittlerweile pensioniert ist.

Drei Lagen Material

Den Zugang zu dem vielfältigen Material fand sie über das textile Werken sowie das Nähen für ihre vier Kinder. Sie habe bereits da schon immer mal «Plätzli» aneinandergenäht. «Das Quilten war bei uns aber noch gar nicht bekannt. Das gab es eher in Amerika. Ich habe viel darüber gelesen und versucht, das umzusetzen», erinnert sich Kitti Steffen. Zuerst galt es das Handwerk zu lernen und traditionelle Arbeiten umzusetzen. Schon bald gestaltete Kitti Steffen aber eigene Entwürfe mit freien Formen. Sie schnitt den Stoff frei Schnauze, also ohne Lineal, verarbeitete auch andere Materialien wie Papier oder bestickte ihre Arbeiten und nähte Perlen auf. Etwas, das sie gerne macht.

Quilts, das sind teilweise quadratmetergrosse Werkstücke, die traditionell aus geometrisch angeordneten Stoffststücken zusammengenäht werden. «Ein klassisches Muster ist das Blockhaus. In dessen Mitte war immer ein rotes Quadrat, welches das Feuer des Hauses symbolisierte», erklärt Kitti Steffen. Quilts bestehen aus drei Lagen Material: der gemusterten Oberseite, einer Füllschicht und der Unterseite. Die Quiltnähte verbinden zum Schluss die Stofflagen miteinander, halten das Füllmaterial am Platz und sind auch gestalterisches Mittel. «Ich kann den Stoff durch die Nähte bis zu einem gewissen Grad dreidimensional gestalten», schliesst Kitti Steffen den Schnelllehrgang ab.

Ergebnisse in Bits und Bytes

Während Kitti Steffen erzählt, taucht Jacqueline Fahrni kurz unter den Tisch und holt Notizpapier aus ihrer Tasche und schreibt etwas auf. «Was du gesagt hast, dass etwas erst durch die Hände gehen muss, um fertig zu werden, das kenne ich», nimmt Jacqueline Fahrni einen Satz der Gesprächspartnerin auf. Die beiden Frauen senden und empfangen auf einer ganz ähnlichen Wellenlänge, obwohl sie mit gänzlich unterschiedlichen Materialien arbeiten. Zudem existieren die fertigen Collagen von Jacqueline Fahrni, Kommunikatorin im Museum für Kommunikation in Bern, nur in Form von Bits und Bytes im Computer, während die Quilts von Kitti Steffen sehr konkret und greifbar sind.

Ideenschwanger

Aber: Beide fertigen aus Einzelteilen, skizzieren auf kleinen Notizzetteln erste Entwürfe, sind im positiven Sinne farbverrückt und tauchen in Sammlungen von geerbten oder auch ungewohnten Dingen, um Material für ihre Kunst zu finden. Während Jacqueline Fahrni Teile ihrer Collagen zeichnet oder auch einmal einen Kaffeefilter einscannt, wächst der Stoffvorrat von Kitti Steffen permanent fast von selbst. «Nach einer Ausstellung, die ich in der Propstei Wislikofen einst hatte, kam eine Frau und brachte mir den Inhalt einer alten Schublade. Sie hatte keine Verwendung mehr dafür. Oder eine Bekannte rettete das Material einer Schneiderin, die alles wegwerfen wollte. Das Material geht mir so schnell wohl nicht aus», sagt Kitti Steffen und lächelt.

Was ihr die Stoffstapel, sind Jacqueline Fahrni die Fotos ihrer Grossmutter. Und eben auch die senfgelbe Garnspule, ein Erbstück eben dieser Grossmutter. Beide gehen mit ihren Ideen schwanger. Prüfen die Ergebnisse, verwerfen, gestalten anders und lassen sich Feedback von verschiedenen Menschen geben. Für beide ist es wichtig, dass Bild und Text für die Festfronten stimmig sind. Für beide ist der Dialog wichtig. Beide nehmen sich Zeit für den Prozess und vertrauen darauf, dass sie zur rechten Zeit die richtigen Zutaten finden – eine Art von Beten.

Mühe mit manchen Festen

Der Blick der Künstlerinnen auf die Feste unterscheidet sich. Jacqueline Fahrni suchte als eher Kirchenferne ihren Weg, um die Feste in eine ungewohnte, doch frische Bildsprache und dazu passende Texte zu übersetzen und erregte damit beispielsweise die Aufmerksamkeit von Priorin Irene Gassmann. «Mir war aber wichtig, dass aus den Texten heraus Hinweise auf das Bild erkennbar waren», sagt Jacqueline Fahrni. Sie will sich weiter mit dieser Art der Vermittlung biblischer Inhalte auseinandersetzen.

Kitti Steffen hat sich als langjährige Katechetin bereits viel mit den Festen auseinandergesetzt. «Aber es gibt Feste, zum Beispiel Allerheiligen, damit habe ich Mühe und weiss nicht warum. Vielleicht ein Hinweis, genau hinzuschauen», sagt Kitti Steffen. Fragen an die scheidende Jahreskünstlerin hat sie nach dem Gespräch keine mehr, «doch vielleicht kommt dann doch mal ein Telefonanruf oder wir treffen uns zu einem Austausch», sagt sie zum Schluss.

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