04.08.2014

«Die Kirche hat keinen Machtanspruch»

Von Horizonte Aargau

Verfolgt man mit der Religion eine Vision, einen Traum? Oder ist der Glaube nichts anderes als ein Trauma, eine Illusion? Ein interreligiöses Sommersymposium der Marienkirche in Ins geht Ende August dieser Frage nach.

Eberhard Jost, Gemeindeleiter der Inser Marienkirche, nennt die Kirche einen Ort der Freiheit. «Sie hat keinen Machtanspruch, sondern bietet sich als Plattform beziehungsweise als Schutzraum an.» Sie dürfe niemanden instrumentalisieren, sondern solle zur Gestaltung einer vielfältigen Gesellschaft beitragen. «Die Kirche hat eine dienende Funktion, die für die Würde des Menschen, für Menschenrechte und Partizipation einsteht.» Heterogene Gruppen bräuchten einen Ort des Austauschs. Diesen Ort will Eberhard Jost mit seinem interreligiösen Sommersymposium schaffen, das am Freitag, 29. August 2014 in Ins stattfindet. Er hat dafür fünf hochkarätige Referentinnen und Referenten aus Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus und Humanismus eingeladen.

Dialog ist das Credo
Der Titel «Vision und Traum der Religion oder Trauma und Illusion des Glaubens» deutet es an: Eberhard Jost scheut die Frage nach der sinnstiftenden Aufgabe der Religion nicht. Im Berner Seeland, fern von Rom, stellt er die Haltung einer dominierenden katholischen Kirche infrage und lädt zu einem ebenbürtigen Austausch unter Priestern, Wissenschaftlern und Philosophen. Mit ihnen will er «zum Kern der Religion vorstossen», und zwar ohne Scheuklappen. Dialog lautet sein Credo, um Feindseligkeiten zu unterbinden und Frieden zu stiften: «Wir bleiben im Gespräch. Es gilt, Werte von Mitteleuropa zu verteidigen», darunter Errungenschaften wie die Religions- und Meinungsfreiheit. Jede Doktrin – und unausgesprochen auch jene aus Rom – behindere den freien Gedankenaustausch.

Hochkarätige Referentinnen und Referenten
Mit Begriffen wie Traum und Trauma oder Vision und Illusion will Eberhard Jost die Debatte ankurbeln. Eine zentrale Bedeutung misst er der Emanzipation bei, nicht nur der Ebenbürtigkeit der Religionen, sondern auch der Gleichstellung der Geschlechter. «Die Religion muss hier eine Vorreiterrolle einnehmen», fordert Jost. «Glaubwürdig wird sie erst, wenn die Gleichstellung von Frau und Mann umgesetzt ist.» Nicht ohne Stolz erwähnt er, dass er unter den fünf Referenten zwei Frauen verpflichten konnte.

Johanan Flusser
An der Tagung werden die fünf geladenen Rednerinnen und Redner erst ein rund zwanzigminütiges Statement abgeben, bevor sie in Workshops mit kleineren Gruppen vertieft auf Fragen, einzelne Religionen betreffend, eingehen: Johanan Flusser aus Jerusalem ist orthodoxer Jude, Sozialarbeiter und engagiert sich als Friedensaktivist und Brückenbauer zwischen Palästinensern und Israeli. Geprägt wurde er auch von seinem Vater David Flusser, der mehrere Bücher aus jüdischer Perspektive verfasst hat – über das Neue Testament und Jesus.

Anna Gamma
Die Zuger Psychologin und Christin Anna Gamma war von 2003 bis 2012 Leiterin des Lassalle-Instituts in Bad Schönbrunn im zugerischen Edlibach, hat sich zur Zen-Meisterin weitergebildet und arbeitet heute unter anderem als Unternehmensberaterin. 

Hokyo Morales
Die Präsidentin der Schweizerischen Buddhistischen Union, Hokyo Morales, lebt seit 25 Jahren als buddhistische Nonne in La Chaux-de-Fonds. Sie vertritt die Vielfalt des Buddhismus und beteiligt sich aktiv an den Gesprächen verschiedener interreligiöser Gremien auf nationaler Ebene. 

Mouhanad Khorchide
Der Leiter des Zentrums für islamische Theologie in der deutschen Stadt Münster, Mouhanad Khorchide, vertritt einen aufgeklärten Islam, der dem interreligiösen Dialog zugewandt ist. Für ihn ist der Koran ein Buch aus dem siebten Jahrhundert, dessen einzelne Gebote heute moderner Anpassungen bedürfen. Von muslimischen Verbänden wurde er heftig für seine Haltung kritisiert.

Michael Schmidt Salomon
Der deutsche Philosoph Michael Schmidt Salomon schliesslich wird eine atheistische Auffassung vertreten. Er formulierte zehn Angebote des evolutionären Humanismus als Gegenposition zu den Zehn Geboten. An einer abschliessenden Plenumsdiskussion unter der Leitung der Journalistin Monika Maria Trost sowie von Eberhard Jost sollen die Reflexionen aus den Workshops über die sinnstiftende Aufgabe der Religion im 21. Jahrhundert zusammengetragen und diskutiert werden. Eberhard Jost hofft, mit diesem Programm ein breit gefächertes Publikum anzusprechen.      Hannah Einhaus 

 

 

Hinweis: Freitag, 29. August 2014, 13.30 Uhr bis 18.30 Uhr, Marienkirche Ins. Anmeldeschluss für das Symposium ist der 20. August 2014. Weitere Informationen unter www.kathbern.ch/ins oder T: 032 313 23 70

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