02.02.2023

150 Jahre christkatholische Kirche in Aarau
Die kleine Schwester feiert Geburtstag

Von Eva Meienberg

  • Die Christkatholische Kirchgemeinde Aarau feiert ihren 150. Geburtstag.
  • «Es gibt viel mehr, was uns verbindet, als was uns trennt», sagt Pfarrerin Antje Kirchhofer über das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche.
  • Wie in den Anfängen übt die christkatholische Kirche auf manche römisch-katholische Katholikinnen und Katholiken eine anziehende Wirkung aus.

In Aarau wohnen Pfarrerin Antje Kirchhofer-Griasch und ihr Mann Lenz Kirchhofer seit 2014 im alten denkmalgeschützten Pfarrhaus der christkatholischen Kirche direkt neben dem Rathaus. Das 1784 erbaute Gebäude wurde 1876 zum ersten Pfarrhaus der christkatholischen Kirche. Antje und Lenz Kirchhofer teilen sich das Pfarramt, und mit den reformierten Kolleginnen und Kollegen teilen sie sich die Kirche.

Ökumene in Aarau

Die drei Landeskirchen arbeiten in Aarau ökumenisch zusammen. Neben den gemeinsamen Gottesdiensten gehe es auch um praktische Fragen etwa zur Lautsprecheranlage auf dem Friedhof oder wie man als Kirchen in Krisenzeiten gemeinsam kommunizieren wolle, sagt Antje Kirchhofer über die Zusammenarbeit.

Antje Kirchhofer, christkatholische Pfarrerin in Aarau | Foto: SRF/Merly Knörle

Burghard Förster ist Diakon und Leiter der römisch-katholischen Pfarrei Peter und Paul in Aarau. Er ist seinen christkatholischen Nachbarinnen und Nachbarn dankbar für die Ökumene, die er mit ihnen leben dürfe.

Liturgischer Modus

Theologische Streitigkeiten in Zusammenhang mit den ökumenischen Gottesdiensten gebe es keine. Längst hätten sie einen Modus gefunden, der für alle stimmig sei, sagt Antje Kirchhofer. «Das, was liturgisch möglich ist, machen wir», sagt Burghard Förster, «und manchmal gehen wir etwas darüber hinaus.»

Ökumene war bereits in der Gründungszeit der altkatholischen Kirche wichtig. Vor allem mit der anglikanischen und den orthodoxen Kirchen pflegten die altkatholischen Kirchen Kontakt. Die Utrechter Union der Altkatholischen Kirchen waren denn auch Gründungsmitglieder im Ökumenischen Rat der Kirchen.

Dialog ohne Entscheidungen

Antje Kirchhofer arbeitet in der nationalen Christkatholisch-römisch-katholischen Dialogkommission mit. Auf den Austausch mit der römisch-katholischen Kirche angesprochen, sagt sie: «Der Dialog mit der römisch-katholischen Kirche befindet sich auf einer Ebene, auf der keine Entscheidungen getroffen werden. Sie erwarte nicht, dass sich zu ihren Lebzeiten in der katholischen Kirche etwas ändern werde.

«Wir haben viele Entscheidungen getroffen, die von der römisch-katholischen Kirche nicht mitgetragen werden.» Damit meint die Pfarrerin die Abschaffung des Pflichtzölibates, die Ordination der Frauen zur Priesterin oder seit vergangenem Jahr die Ehe für alle. Dem gegenüber stehe aber die alltägliche Praxis, in der die Konfessionen immer weniger eine Rolle spiele.

Burghard Förster ist römisch-katholischer Diakon und Gemeindeleiter in Aarau | Foto: Roger Wehrli

Burghard Förster stellte sich im Pfarreiblatt im vergangenen Dezember die Frage, wie er sich 1875 wohl entschieden hätte, wäre er an der historischen Abstimmung über die Annahme der altkatholischen Kirchenverfassung dabei gewesen.

Anfänge der christkatholischen Kirche

Damals, am Ostermontag 1875, beschloss die katholische Kirchgemeindeversammlung die altkatholische Kirchenverfassung anzunehmen. Wie viele der 900 Katholikinnen und Katholiken in Aarau damals Rom den Rücken gekehrt hatten, ist nicht bekannt.

Um 1800 hatte es die reformierte Stadt Aarau kurzzeitig zur Hauptstadt der Helvetik gebracht und blieb nach dem Ende der Republik und der Kantonsgründung 1803 Kantonshauptstadt. Darum lebten in Aarau viele Beamten und Behördenmitglieder aus dem ganzen Kanton. Unter ihnen auch Katholikinnen und Katholiken.

Katholische Gottesdienste

Der Grosse Rat beschloss deshalb die Errichtung einer katholischen Pfarrei in Aarau, um den Katholikinnen und Katholiken ihre freie und uneingeschränkte Ausübung der Gottesdienste zu ermöglichen. So wollte es auch die kurz davor entstandene napoleonische Mediationsakte.

In den darauffolgenden Jahren wuchs die katholische Gemeinde in Aarau vor allem durch den Zuzug von Dienstpersonal, Handwerkern und Gewerbetreibenden. 1870 zählte sie rund 900 Angehörige gegenüber 4500 reformierten Gläubigen.

Liberale Katholiken gegen Romtreue

In der katholischen Gemeinde verkehrten prominente Mitglieder. Etwa der Politiker und Bildungsreformer Augustin Keller oder der Luzerner Pfarrer und Schuldirektor Franz-Xaver Fischer. Dieser wurde der erste und langjährige Pfarrer der christkatholischen Pfarrei Aarau. Die Gemeindemitglieder vertraten eine liberal-katholische Gesinnung und distanzierten sich von den Romtreuen. Darum lehnte die Mehrheit der Gemeinde das 1870 beschlossene Unfehlbarkeits-Dogma des Papstes ab und traten der altkatholischen Kirche bei.

Martin Mösch-Gassler aus Frick war Staatskanzleisekretär und lebte in Aarau. Schon seit langer Zeit blieb er der reform-katholischen Gemeinde in Aarau fern. Mit anderen Romtreuen fand er in den Gottesdiensten in Erlinsbach oder Schönenwerd Zuflucht. Er setzte er sich für das Wiedererstarken der katholischen Gemeinde in Aarau ein.

Aarau bekommt eine römisch-katholische Kirche

1879 wurde unter Martin Möschs Leitung eine Liegenschaft an der Kasinostrasse in Aarau gekauft – allerdings über einen Mittelsmann. In Zeiten des Kulturkampfes war dieses Vorgehen nötig. Die Scheune sollte für Gottesdienste umgebaut werden. Der Umbau wurde aber vom Stadtrat abgelehnt.

Die Wanderausstellung unterwegs zur Geschichte der christkatholischen Kirche in der Schweiz ist noch bis am 19. Februar im Stadtmuseum Aarau zu sehen, dann geht sie weiter nach Grenchen.

Ein neu gegründetes Komitee nahm 1880 die Planungsarbeiten für einen Kirchen-Neubau auf. Am 12. September 1886 weihte der Basler Bischof Friedrich Fiala die Kirche gemeinsam mit 600 Mitgliedern feierlich ein.

Heute zählt die römisch-katholische Pfarrei Aarau rund 4700 Mitglieder. Viele Kritikpunkte der reformkatholischen Pioniere bewegen Menschen noch heute dazu, die römisch-katholische Kirche zu verlassen. Konversionen in die christkatholische Kirche gibt es vor allem von kirchlichen Mitarbeitenden der römisch-katholischen Kirche, denen etwa die Mission entzogen wurde wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrem Zivilstand.

Damals hätte er vermutlich die altkatholische Kirchenverfassung angenommen, schreibt Burghard Förster im besagten Pfarreiblatt-Artikel. Aber das sind Hypothesen. Es sei von der römisch-katholischen Kirche geprägt, erklärt der Diakon seine gegenwärtige Position. Es bestünden viele Möglichkeiten, Kirche offen, menschennah und ökumenisch zu leben. Neben all den kritischen Punkten, die Herausforderungen bleiben würden.

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