30.05.2018

Die Schweizer Realität soll sichtbar sein

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Am 21. Juni verbringt Papst Franziskus einen Tag in Genf. Er besucht den Ökumenischen Rat der Kirchen und trifft eine Delegation des Bundesrates. Am Abend zelebriert er in der Palexpo-Halle eine Messe.
  • Das Anmeldeformular für die Papstmesse sorgte im Bistum Basel für Befremden, weil nicht-ordinierte Theologinnen und Theologen mit keinem Wort erwähnt wurden.
  • Auf Initiative zweier Theologinnen aus Basel setzte sich Bischof Felix Gmür dafür ein, dass auch nicht-ordinierte Seelsorgende einen Platz im Gottesdienst bekommen.

 

Es ist zwar nur ein Tagesausflug. Aber – welch Glück – am längsten Tag des Jahres. So bleibt Papst Franziskus genügend Zeit für all die Dinge, die er am kommenden 21. Juni bei seinem Besuch in Genf vorhat.

Volles Tagesprogramm

Papst Franziskus trifft drei Mitglieder des Bundesrates sowie den Nationalratspräsidenten und besucht vor allem den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), der dieses Jahr den 70. Jahrestag seiner Gründung feiert. Nach dem Besuch im Ökumenischen Zentrum mit Mittagessen, einer pontifikalen Rede und der Begegnung mit dem Weltkirchenrat findet der Heilige Vater auch Zeit, im Kongresszentrum Palexpo mit der Bevölkerung und den angereisten Pilgern Eucharistie zu feiern.

Formular geht an der Wirklichkeit vorbei

Für die Teilnahme an dieser Eucharistiefeier am Donnerstag, 21. Juni, um 17.30 Uhr konnten sich in einem ersten Schritt Pfarreien, Seelsorgeeinheiten, Ordensgemeinschaften und katholische Schulen anmelden. Doch das Online-Formular, welches das Bistum Lausanne, Genf und Freiburg vom Vatikan übernommen und auf ihrer Webseite aufgeschaltet hatte, berücksichtigte die Schweizer Gegebenheiten nicht und sorgte damit für Befremden und Kopfschütteln. Eine, die nicht bloss die Faust im Sack machte, sondern ihre Überzeugung kundtat, war Dorothee Becker. Die Theologin und Seelsorgerin in der Pfarrei Heiliggeist in Basel erklärt: «Als Anmelde-Kategorien sind auf diesem offiziellen Formular aufgeführt: Priester, Diakone und andere Gläubige». Es störte sie, dass Pastoralassistentinnen, Gemeindeleitende oder Spitalseelsorger – ganz allgemein Theologinnen und Theologen ohne Weihe – nicht als eigene Kategorie aufgeführt sind.

Guter Draht zu Bischof Felix

Denn die Pastoral in der Schweiz, betont Dorothee Becker, werde bei weitem nicht nur durch geweihte Männer bewältigt, sondern überall auch von nicht-ordinierten Theologinnen und Theologen verantwortet und getragen. «Ich finde es wichtig, dass die Schweizer Realität in diesem Gottesdienst vom 21. Juni sichtbar wird. Wir wollen, dass neben Priestern und Diakonen auch die nichtgeweihten Theologinnen und Theologen wie Gemeindeleitende, Fachstellenleitende oder Pastoralassistentinnen ihren Platz in der Feier bekommen.» In ihrer Kollegin Monika Hungerbühler, Co-Dekanatsleiterin der Kirche Basel-Stadt, fand Dorothee Becker eine Gleichgesinnte. Noch dazu eine mit gutem Draht zu Bischof Felix. Ihm unterbreiteten die beiden Theologinnen ihr Anliegen zuerst mündlich und verfassten dann einen Brief, den sie dem Diözesanbischof direkt zustellen konnten. Darin schlagen die beiden Theologinnen vor, dass in diesem speziellen Gottesdienst gemeinsam mit den Geweihten auch nicht-ordinierte Theologinnen und Theologen im kirchlichen Dienst einen Platz finden.

«Sonderweg ist uns bewusst»

Im Brief kommt aber auch die Hoffnung zum Ausdruck, dass der Schweizer Weg beim Papst auf Unterstützung stösst: «Dass die Schweiz hier (in der grossen Mitverantwortung der Laien in der Seelsorge, Anm. d. Red.) einen Sonderweg geht, ist uns bewusst. Es wird aber auch mehr und mehr deutlich, dass Papst Franziskus unterschiedliche Wege in der Pastoral in die Verantwortung der Bischofskonferenzen gibt.» Der Brief an Bischof Felix schliesst «mit der Bitte, unseren Vorschlag zu prüfen und sich bei den für die Organisation verantwortlichen Stellen für diese Möglichkeit einzusetzen […]».

Theologinnen in Albe werden nicht abgewiesen

Am 17. Mai kam dann die Reaktion seitens des Bistums Basel. In einem E-Mail an alle Seelsorgenden im Bistum Basel schreibt Barbara Kückelmann, verantwortlich für Pastoral und Bildung: «Auch nicht-ordinierte Theologinnen und Theologen sollen an der Messe mit Papst Franziskus in Genf sichtbar werden – als Realität an vielen Orten unserer Kirche in der Schweiz.» Und weiter: «Bischof Felix hat bestätigt, dass er dafür sorgen wird, dass Theologinnen und Theologen im Gewand nicht abgewiesen werden.» Dann folgt die Anleitung, wie dies auf dem Online-Formular anzumerken ist: «Die Anmeldung dafür soll erfolgen als Privatperson, als ‚THEOLOGIENNES / THEOLOGIENS AVEC AUBE (mit Albe)’».

Bischof Felix reagierte sofort

«Bischof Felix hat unser Anliegen ernst genommen und sofort reagiert», sagt Dorothee Becker. Der Basler Bischof hatte sich ebenfalls per Brief an Charles Morerod gewandt, den Bischof des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg, welches den Papstbesuch koordiniert. Die positive Antwort freut Dorothee Becker. Sie hat sich für die Teilnahme am Gottesdienst angemeldet. Sie rechnet damit, dass sich etwa 20 bis 30 Personen aus dem Raum Basel als ‚Theologinnen oder Theologen in Albe’ für die Feier mit dem Papst anmelden. Wo die Seelsorgenden mit Albe dann im Gottesdienst ihren Platz finden werden, kann sie nicht sagen. Das hänge von den Platzverhältnissen und von der Anzahl Anmeldungen ab. «Wie’s praktisch aussieht, sehen wir vor Ort». Auch im Bistum St. Gallen wurden die Seelsorgenden über die Möglichkeit informiert, dass sie sich unter der Bezeichung «Theologiennes avec aube» anmelden können.

Präsenz zeigen

Im Aargau gestaltete sich die Suche nach nicht-ordinierten Pfarrei-Mitarbeitenden, die in Albe an der Papstmesse teilnehmen, sehr schwierig. Barbara Metzner aus der Pfarrei Mettau ist eine der wenigen, die am 21. Juni nach Genf fahren. Den Ausschlag, die lange Reise nach Genf auf sich zu nehmen, habe letztlich das E-Mail von Barbara Kückelmann gegeben, erzählt sie: «Wenn es die Möglichkeit gibt, als Theologin in Albe an der Papstmesse teilzunehmen, mache ich gerne davon Gebrauch und zeige Präsenz». Sie habe sich genau so angemeldet wie im E-Mail vom Bistum vorgeschlagen, als «Théologienne avec aube» und schaue jetzt, was auf sie zukomme, sagt sie. Franziskus sei ein spannender Papst, immer für eine Überraschung gut, und zudem ein Mensch mit grosser Ausstrahlung: «Ich freue mich, Franziskus einmal live zu erleben». Für die Reise nach Genf habe sie ein, zwei kleinere Termine verschieben müssen, zufälligerweise sei der 21. Juni in ihrem Kalender einigermassen frei gewesen.

Zurückhaltung wegen prallen Terminkalendern im Aargau

So geht es aber längst nicht allen. Viele der Angefragten antworten, sie hätten an diesem Donnerstag Termine, die sich nicht verschieben liessen. So zum Beispiel Pastoralassistentin Helena Boutellier aus Kaisten: «Ich wäre auf jeden Fall gerne nach Genf gegangen, in Albe. Denn es ist ein wichtiges Zeichen, Präsenz zu zeigen. Aber an diesem Tag findet die Wallfahrt unseres Frauenvereins statt, die ich begleite und die schon lange abgemacht ist.» Auch Lara Tedesco, Pastoralassistentin im Pastoralraum Oberes Freiamt, erklärt: «Was mich angeht, ich werde nicht zur Papstmesse nach Genf gehen, weil an diesem Tag schon lange ein Ausflug mit den Erstkommunionkindern geplant ist.» Es gibt auch kritischere Stimmen: «Der Weg nach Genf ist in einem prallen Terminkalender schwer unterzubringen, mit der Erfahrung der letzten beiden Papstmessen in der Schweiz. Mir hat das wenig gebracht», sagt ein Pastoralraumleiter. Und in anderen Pfarreien heisst es: «Wir können nicht an einem Donnerstagnachmittag einfach weg, vielleicht sind dann Beerdigungen und andere Verpflichtungen».

Wichtiges Signal

Dass der Papst in die Schweiz kommt, wurde erst Ende Februar publik. Für die Jahresprogramme in den Pfarreien zu spät. So haben viele Pfarreien ein volles Programm, das es kaum erlaubt, dass das Seelsorgeteam einen ganzen Tag fehlt. Umso schöner, dass diejenigen, die an der Messe teilnehmen, dem Papst, der Kirche und der Welt nun die wichtige Botschaft überbringen dürfen, dass nicht-ordinierte Theologinnen und Theologen wertvolle Stütze der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz sind.

 

Die Albe:
Die Albe (von lateinisch (tunica) alba «die weiße (Tunika)») ist ein aus der antiken Tunika hervorgegangenes, knöchellanges Gewand aus weißem oder heute auch naturfarbenem Leinen. Mit Bezug auf die Alte Kirche und ihre Tradition symbolisiert die Albe das Taufgewand. Traditionell von Priestern als liturgisches Untergewand unter dem Messgewand getragen, wird die Albe heute als Grundgewand all derer angesehen, die im Gottesdienst einen besonderen Dienstversehen, z. B. Ministranten, Lektoren, Kommunionhelfer. (Quelle: wikipedia)

 

 

 

 

 

 

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