26.09.2022

Das Kloster Fahr präsentierte die Entwicklung auf dem Klosterareal
«Die Zeit steht auch im Kloster nicht still»

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Rund um das Kloster Fahr herrscht Aufbruchstimmung.
  • Das Wohnprojekt in der ehemaligen Bäuerinnenschule nimmt Form an, der Landwirtschaftsbetrieb stellt um auf Bio und im Restaurant beginnt der Umbau.
  • Die Projektpräsentation am vergangenen Samstag, 24. September, stellte die verschiedenen Kräfte vor, die die Zukunft des Klosters Fahr mitgestalten.

Auf dem Gelände des Klosters Fahr ist in den letzten Jahren einiges in Bewegung gekommen. Das zeigte sich sinnbildlich am Ort, wo Priorin Irene Gassmann die zur Projektpräsentation geladenen Gäste begrüsste: in der ehemaligen Trotte des Klosters Fahr, wo bis vor wenigen Jahren noch die Trauben aus dem eigenen Weinberg verarbeitet wurden. Heute beherbergt die Trotte einen Hofladen und dient als Veranstaltungsraum. Priorin Irene verwies auf die lange Geschichte des Klosters Fahr, die im Jahr 1130 begann, als der Freiherr Lütold II. von Regensberg seinen Grundbesitz an der Limmat dem Kloster Einsiedeln schenkte. Seit seiner Gründung bildet das Kloster Fahr mit dem Kloster Einsiedeln ein Doppelkloster. Nun haben die Fahrer Benediktinerinnen unter Priorin Irene Gassmanns Leitung ein neues Kapitel aufgeschlagen. «Die Zeit steht auch im Kloster nicht still», leitete die Priorin ihre Ausführungen ein.

Ora et labora gerieten ins Ungleichgewicht

Im benediktinischen Leitspruch «ora et labora» («bete und arbeite») drohte die Arbeit in den vergangenen Jahren Überhand zu nehmen. Denn die Schwestern im Kloster Fahr werden nicht zahlreicher und eben auch nicht jünger. So beschloss die Klostergemeinschaft, sich von den betrieblichen Aufgaben zu entlasten.

Gesamtprojektleiterin Verena Gysin blickte zurück auf den Wandlungsprozess der letzten sieben Jahre. Nach einer Machbarkeitsstudie war von Seiten der Klostergemeinschaften Fahr und Einsiedeln die Ausschreibung für alle Annexgebäude erfolgt – dazu gehören das Restaurant, die ehemalige Bäuerinnenschule und der Landwirtschaftsbetrieb. Die eingegangenen 26 Dossiers enthielten von Kreativateliers bis zur Permakultur eine grosse Palette an Ideen. Beim Sichten und Auswerten der Dossiers wurden die beiden Klostergemeinschaften von der Firma Wüest und Partner professionell begleitet.

Herausfordernde Lage im Grenzgebiet

Andreas Benz, Priorin Irene Gassmann und Gesamtprojektleiterin Verena Gysin freuen sich über das bisher Erreichte. | Foto: Marie-Christine Andres
Projektleiterin Gysin skizzierte die  Ausgangslage im Kloster Fahr, die einige Herausforderungen bietet: Das Gelände des Klosters erstreckt sich über zwei Gemeinden und zwei Kantone. Das Kloster Fahr gilt als aargauische Exklave und zeigt einen speziellen Grenzverlauf. Das Klostergebäude, die Scheune, die Trotte sowie das Restaurant stehen auf Aargauer Boden. Die Gartenwirtschaft und die ehemalige Bäuerinnenschule liegen im Kanton Zürich, zusammen mit dem übrigen Land, dem Wald und den Rebbergen. Das Gebiet liegt in einer Schutzzone und es gilt, auch denkmalpflegerische Auflagen zu beachten

In den letzten Jahren ist es der Klostergemeinschaft gelungen, die richtigen Partner für diese Herausforderungen zu finden. Diese stellten sich an der Projektpräsentation vor und gaben einen Überblick über ihre Tätigkeiten und Ziele auf dem Klosterareal.

Die Fahr Erlebnis AG

Zu Beginn des Jahres 2021 übernahm die Fahr Erlebnis AG, bestehend aus den drei Familien Benz, Benz und Sozzi aus Wettingen, Teile des klösterlichen Landwirtschaftsbetriebs. Auch das Restaurant, das sich zur Zeit im Umbau befindet, wird ab 2023 von der Fahr Erlebnis AG betrieben. Andreas Benz führt den Landwirtschaftsbetrieb als Pächter. In den kommenden zwei Jahren wird er den gesamten Betrieb mit seinen 47 Hektaren Land mit Mais, Zuckerrüben, Raps und Dinkel, sowie die Obstbaufläche von 1,44 Hektaren und die Tierhaltung auf Bio umstellen. Die Fahr Erlebnis AG mit Geschäftsführerin Nicole Sozzi betreibt auf dem Klosterareal einen Hofladen und eine Sommerbeiz, im nächsten Frühling eröffnet sie das Gartenrestaurant Fährigarten. Erlebnisnachmittage und -Ferien für Kinder gehören ebenfalls zum Angebot.

Thomas Benz (li), Verwaltungsratspräsident der Fahr Erlebnis AG, zusammen mit Andreas Benz, der den Landwirtschaftsbetrieb führt. | Foto: Roger Wehrli

Thomas Benz, Verwaltungsrat der Fahr Erlebnis AG, schätzt die Zusammenarbeit mit den Klöstern Fahr und Einsiedeln: «Wir sind hier zu Gast. Dass uns die Klostergemeinschaften mit so viel Freude und Vertrauen begegnen, ist schön und nicht selbstverständlich.» Der Vertrag der Fahr Erlebnis AG mit dem Doppelkloster Fahr und Einsiedeln läuft für 25 Jahre. Thomas Benz und Andreas Benz sind sich bewusst, dass die Aufgabe im Kloster Fahr sie bis zur Pensionierung begleiten wird. Für die beteiligten Familien ein Grund mehr, viel Sorgfalt und Energie in diesen Ort zu stecken.

Der Verein «erfahrbar»

In die ehemalige Bäuerinnenschule, die im Jahr 2013 wegen mangelnder finanzieller und personeller Ressourcen schliessen musste, wird ab kommendem Sommer neues Leben einziehen. Der Verein «erfahrbar» mit Präsidentin Julia Neuenschwander baute hier ein generationenübergreifendes Wohnprojekt auf. Hinter dem Verein drei Ehepaare aus dem Limmattal, die mit dem christlichen Mehrgenerationenwohnen an die spirituelle Tradition der Benediktinerinnen anknüpfen wollen.

Priorin Irene Gassmann und Julia Neuenschwander, Mitinitiantin des Wohnprojekts, im Frühling 2022 vor der Baustelle in der ehemaligen Bäuerinnenschule beim Kloster Fahr. | Foto: Roger Wehrli

Der Umbau des Schulgebäudes zum Wohnhaus mit 16 Wohneinheiten wird im Frühling 2023 abgeschlossen sein. Bereits jetzt sind alle Wohnungen vergeben und es gibt eine Warteliste. «Wir wünschen uns wirklich, dass die Ökumene und das Miteinander der Generationen hier erfahrbar werden», schloss Julia Neuenschwander ihren Überblick.

Die Pensionskasse Prosperita

Investorin bei der Umgestaltung der ehemaligen Bäuerinnenschule wie auch beim Umbau des Restaurants ist die christlich-ethische Pensionskasse Prosperita. Deren Stiftungsrat, Peter Augsburger, betonte: «Wir sind weder Spender noch Mäzen hier im Kloster Fahr, sondern haushalten hier mit dem Geld unserer Versicherten.» In ökologischer, gesellschaftlicher oder spiritueller Hinsicht suche die Prosperita bei ihren Investments stets den Mehrwert: «Wir suchen nicht nur die Rendite, sondern wollen auch Gutes bewegen.»

Die Vertreter der Pensionskasse Prosperita: Joel Blunier (li), Geschäftsführer, und Peter Augsburger, Präsident des Stiftungsrats. | Foto: Roger Wehrli

Joel Blunier, Geschäftsführer der Prosperita, illustrierte den Prozess der vergangenen drei Jahre anhand seines E-Mail-Posteingangs: 2800 E-Mails mit dem Betreff «Kloster Fahr» habe er gezählt. Das Wohnprojekt in der ehemaligen Bäuerinnenschule realisiert Prosperita zusammen mit dem Verein «erfahrbar», das Restaurant verpachtet die Pensionskasse der Fahr Erlebnis AG. Für die Zusammenarbeit mit beiden Partnern sowie dem Kloster fand Blunier lobende Worte: «Der grosse Goodwill aller Beteiligten ist die beste Art, in die Zukunft zu starten.»

Spirituelle Oase im Limmattal bleibt lebendig

Nicole Sozzi, die Geschäftsführerin der Fahr Erlebnis AG, im Austausch mit den Schwestern Franziska und Andrea. | Foto: Marie-Christine Andres
Das Kloster Fahr wird getragen von ganz unterschiedlichen Menschen mit ihrem je eigenen Zugang zur Spiritualität und zur Geschichte dieses Ortes. Doch es verbindet sie die gemeinsame Aufgabe, die grüne Oase im Limmattal lebendig und lebenswert zu erhalten – gemeinsam mit den Fahrer Benediktinerinnen, den Frauen, die das Leben lieben.

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