02.11.2016

Drei Perlen an der Seidenstrasse

Von Martin Brander

Dank der Seidenstrasse bekam Usbekistan eine zentrale Bedeutung für Kultur und Handel. Vom 2. bis 11. Oktober erkundete der ehemalige Horizonte-Redaktor Martin Brander im Rahmen seiner 14. Horizonte-Leserreise Taschkent, Chiwa, Buchara und Samarkand. Sein Reisebericht exklusiv für Horizonte.

Nur schon die Symbole an den historischen Gebäudefassaden zeigten, dass auf der verzweigten Handelsroute auch Ideen ausgetauscht wurden. Unser einheimischer Reiseführer Dmitriy konnte bei Medresen, Moscheen und Palästen immer wieder darauf hinweisen. Zur Bereicherung der Kultur hat auch ein umstrittener Herrscher des ehemaligen Grossreiches beigetragen: Amir Timur, der bei seinen Eroberungen gleich die besten Künstler und Handwerker mitnahm. Timur ist heute der Nationalheld von Usbekistan. Und wo früher Statuen von Marx und Lenin standen, ist heute der «alte» Timur präsent. So wird das sowjetische Erbe -Usbekistan war einst Teil der Sowjetunion – auf Distanz gehalten. Demgegenüber wird die eigene, nationale Kultur gefördert. So haben etwa bei Begegnungen «die fröhlichen, kontaktfreudigen Frauen in ihren bunten, traditionellen Kleidern einen berührenden Eindruck hinterlassen», sagen Teilnehmerinnen nach der Reise.

Beeindruckende Zeugen der Vergangenheit

Auffallend waren die vielen Medresen, die Koranschulen, an denen auch Naturwissenschaften und Mathematik gelehrt wurde. Zehn davon sind als Privatschulen heute noch in Betrieb. Eindrücklich waren die mit Sorgfalt und viel Fantasie ornamental ausgestalteten Fassaden. Das erinnerte uns immer wieder an Persien – Usbekistan war einmal Teil des persischen Grossreiches. Eine Meisterleistung der damaligen Fachleute, die «handwerkliches Können und spirituelle Vorstellungen» zusammenbrachten, wie eine Teilnehmerin richtig wahrnahm. Und rückblickend noch: «In mir tauchen auch Geschichten und Erzählungen auf, mit denen unser Reiseführer diese Zeugen der Vergangenheit zu beleben wusste.» Auch von namhaften islamische Persönlichkeiten aus der Wissenschaft hat unser Reiseführer erzählt, von Al-Choresmi, dem «Vater» der Algebra, von Ibn-Sina, dem Arzt und Philosophen, und von Ulug Beg, dem Astronomen, der im eigenen Observatorium fast tausend Sterne vermessen hat. «Wir waren beeindruckt, wie viele Erkenntnisse und wie viel Wissen aus Mathematik, Medizin und Astronomie in Zentralasien schon vor tausend Jahren vorhanden waren.»

Gebetsrufe vom Minarett sind verboten

Etwa 90 Prozent der Bevölkerung sind Muslime, gegen zehn Prozent Christen. Aber Usbekistan ist betont säkular, Religion ist reine Privatsache. Das gilt auch für den Islam. Gebetsrufe vom Minarett sind verboten, das sei Propaganda für die Religion, wie uns Dmitriy erklärte. «Trotzdem: Der Staat gibt den Imamen die Themen für die Predigt vor und hält die Islamisten auf Distanz». Aber die persönliche Frömmigkeit hat ihren eigenen Platz. Immer wieder haben wir festgestellt, dass junge wie ältere Einheimische zu islamischen Heiligengräbern pilgern – zu Mausoleen von verehrten Persönlichkeiten, um dort zu beten und persönliche Anliegen vorzubringen. So etwa in Samarkand oder in Chiwa, wo auch viele Hochzeitspaare vorbeikommen und sich vom Imam segnen zu lassen, wie wir selber beobachten konnten.

Übernachtung in der Medrese

Die Altstadt von Chiwa ist kompakt gebaut. Das war ein guter Grund, dass wir auch einzeln und ohne Führung dies und jenes entdecken konnten und dabei auch mit Leuten ins Gespräch kamen. In Chiwa übernachteten wir in einer ehemaligen Medrese. Die Zimmer waren klein und sparsam eingerichtet, wie sich das für Koranschüler gehörte, um nicht vom Studium abzulenken. Umso mehr spürten wir, wie der grosse Innenhof mit den Bäumen und Sträuchern ein Ort der Ruhe und der Begegnung ist.

Kichern fürs Foto

Auch Buchara eignete sich für persönliche Erkundungen. Der zentrale Platz mit dem Teich in der Mitte – daneben ein Park, eine Medrese und eine Sufi-Herberge – ist auch bei den Einheimischen sehr beliebt. «Mich beeindruckte die Herzlichkeit, die Offenheit, die Neugierde dieser Menschen – auch wenn die Verständigung zum Teil nur mit Gesten möglich war», fasst eine Teilnehmerin zusammen. Oder eine andere Begegnung: «Die lustig kichernden Mädchen in ihren Schuluniformen, und die Buben, schelmisch lachend und noch so gerne bereit für ein Foto.»

Souveniers statt Unterricht

Samarkand mit dem Registan-Platz, unsere letzte «Perle», muss man gesehen haben: Ein grosser Komplex mit drei Medresen. Nur schade, dass in vielen Medresen heute Souvenirstände eingerichtet sind. Da fällt es manchen nicht so leicht, statt über Seidenschale zu verhandeln, den Erläuterungen des Reiseführers zu folgen.

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