26.06.2017

Ein goldiger Segen

Von Anne Burgmer

Wer selber keinen grünen Daumen hat, staunt oftmals, wie wunderschön Gärten sein können. Bereits zum achten Mal gibt es 2017 die Aktion «Offener Garten». In deren Rahmen gab und gibt es Gartenperlen zu bestaunen, die man sonst nicht sieht, so auch im Kloster Fahr.

Elf Menschen jeden Alters versammelten sich am Sonntag, 18. Juni 2017, bei blauem Himmel und angenehmer Temperatur im Innenhof des Klosters. Schwester Beatrice läuft in hellblauem Arbeitshabit und mit Sommerstrohhut gegen die glänzende Sonne geschützt über Kieswege, die einen der vier Gärten des Kloster Fahr in vier Viertel unterteilt.

Heilende Wirkung

Grüner Daumen hin oder her: Es zeigt sich, dass der Mensch nur begrenzten Einfluss auf Wachsen und Gedeihen aller Pflanzen hat. «Ich hätte nicht geglaubt, dass wir nach dem Frost so eine gute Ernte erwarten dürfen», sagt Schwester Beatrice mit Blick auf die Heidelbeeren. «Es ist ein goldiger Segen», schliesst sie noch an. Dass es von mehr als dem Menschen abhängt, machen auch die Insektenhotels an den Wänden der Mauern deutlich. Alles hängt mit allem zusammen.

Dann wandert Schwester Beatrice weiter, die Besucherinnen und Besucher dicht auf den Fersen. Die Benediktinerin bleibt immer wieder stehen und beschreibt die Wirkungsweise oder Verwendungsart einer Pflanze. Die Fette Henne, vielen als unverwüstliche Topfpflanze bekannt, enthält Aloe. Nimmt man die dünne Aussenhaut weg, kann sie als Pflaster auf kleine Wunden gelegt, Linderung schenken. Ein Beet weiter, pflückt sie die Blüte einer Spargelerbse. Es ist eine alte Erbsensorte, die praktisch direkt und ohne mühsames Rüsten auf den Teller kann. «Ich freue mich immer ab der kleinen Blüte», sagt Schwester Beatrice, die blutstropfenroten Blättchen zwischen den Fingern.

Pflanzen nach dem Sonnenlauf

Seit rund zwanzig Jahren betreut und begleitet Schwester Beatrice den Garten, gab ihr Wissen auch an der mittlerweile geschlossenen Bäuerinnenschule weiter. Vor dem Gebäude, das bis 2013 jene Schule beherbergte, erklärt die Benediktinerin die Kräuterspirale: «Die Kräuter sind dort gesetzt, wo sie das passende Licht bekommen. Manche Pflanzen brauchen die Morgensonne, andere Schatten», sagt Schwester Beatrice.

Ob hinter allem auch Hildegard von Bingen, die kräuterkundige Benediktinerin und Universalgelehrte aus dem 11. Jahrhundert stehe? Schwester Beatrice lächelt. Sie habe auch Hildegard-Kräuter in ihrem Garten, natürlich. Und auch wenn das Wissen um die Kräuter nicht mehr allein in den Klöstern beheimatet sei, jedes Kloster habe natürlich seine Spezialitäten, die es weitergebe. Sie selber beschäftige sich seit rund zwei Jahren mit Kombinationen aus Kräutern und Salz.

Verborgener Garten im Innenhof

Duftende Verveine, würziger Schotenrettich – im Garten zwischen Pforte, Mauer und Anna-Kapelle geht es interaktiv zu und her: man tauscht sich aus. Der eigene Garten, lästiger Schädlingsbefall, der Umgang mit ein- bis mehrjährigen Pflanzen, Samenzucht oder Hinweise zur guten Mischung von Nutz- und Zierpflanzen: Geduldig beantwortet Schwester Beatrice die verschiedenen Fragen, gibt wertvolle Hinweise.

Ganz anders sieht es einige Minuten später aus. Im inneren Hof des Klosters – umrahmt von der Kirche und den drei Trakten des Klostergebäudes – liegt ein Garten, den man nicht aller Tage sieht. Mehr als zwanzig, von Buchsbaumhecken umfasste Beete, liegen dort. Auch hier wird geerntet – Tees, die im Kloster getrunken werden. Doch der Garten dient vor allem der Besinnung, mancher Schwester, die in der Weberei arbeitet, auch als Ausgleich. Vom Fenster im ersten Stockwerk ist ein  guter Überblick gewährleistet. Blühende Rosen fallen besonders ins Auge. Ruhe und Stille klingen ins Ohr.

Homepage der Aktion Offener Garten

 

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