03.02.2015

Ein Schleier macht noch keine Muslima

Von Anne Burgmer

Nach dem Minarett-Verbot möchte das Egerkinger-Komitee nun auch ein nationales Burka-Verbot einführen. Das Komitee um den SVP-Nationalrat Walter Wobmann kündigte vergangene Woche eine entsprechende Initiative an. Wie stehen Klosterfrauen, die selber einen Schleier tragen, zur Frage nach der Verhüllung von Frauen aus religiöser Motivation? Eine Umfrage zum Tag des geweihten Lebens.

Um es vorweg zu nehmen: Die angekündigte Initiative wird keiner Klosterfrau verbieten, einen Schleier zu tragen. Sie will vielmehr «Gesichtsverhüllung aus jeglicher Motivation», sei sie religiös oder kriminell, verbieten, wie es in der Mitteilung vom 28. Januar heisst. Auch Kopftücher seien von dem Verbot nicht betroffen, erklärte Ulrich Schlüer, Sekretär des Initiativkomitees, auf Anfrage von kath.ch.

Was bedeutet der Schleier für Klosterfrauen und wie wird er in der Gesellschaft wahrgenommen? Für Claudia Jablonka, Diakonissin in Riehen, drückt er die Zugehörigkeit zum christlichen Glauben, zu ihrer Lebensform als Ordensfrau und zu der konkreten Gemeinschaft der Diakonissinnen aus. Die Reaktionen der Öffentlichkeit seien unterschiedlich: «von ablehnend bis interessiert bis wohlwollend», sagt sie gegenüber kath.ch. Entscheidend ist wohl das Umfeld, in dem sich die Klosterfrauen bewegen: «In den Kreisen, in denen ich verkehre, erkennt man mich sofort als Nonne und das finde ich praktisch», sagt Catherine Jerusalem, Mitglied im Augustinuswerk in Saint-Maurice auf Anfrage von kath.ch. Sie müsse sich dann jeweils nicht extra vorstellen.

Einordnung und Abgrenzung

Anders erlebt dies Ingrid Grave, Ilanzer Dominikanerin mit Wohnsitz in Zürich: Der Schleier ist für sie zwar auch Einordnung, gleichzeitig aber auch Abgrenzung. «Das Gewand und der Schleier zeigen, wo ich hingehöre, sie sagen etwas über meine Lebensentscheidung aus», sagte Ingrid Grave in einem früheren Interview mit der Katholischen Internationalen Presseagentur Kipa. Zugleich hätten Menschen oft eine gewisse Scheu, auf sie zuzukommen, wenn sie den Schleier trage, das sei wie eine Barriere. Entsprechend trägt die den Schleier privat nicht, jedoch sehr wohl, wenn sie in ihrer Gemeinschaft in Ilanz ist.

Schwester Ingrid Grave lässt die Begriffe «Einordnung und Abgrenzung» auch für eine Burka oder die verwandten Formen Nikab und Tschador gelten. «Die Frauen, die eine Burka tragen, haben dies meist von Kind auf so gelernt, insofern ist es eine Einordnung in soziale Normen», so Ingrid Grave gegenüber kath.ch. «Abgrenzung ist es auf jeden Fall, wenn sie damit in einer ganz anderen Kultur erscheinen, wo das nicht getragen wird, eine Abgrenzung uns gegenüber.»

Nonne wird für Muslima gehalten

Ingrid Grave hat selber schon die Erfahrung gemacht, aufgrund ihres Schleiers mit einer Muslima verwechselt zu werden. Weil der Schleier als Zeichen einer christlichen Ordensgemeinschaft heute oftmals nicht mehr als solches verstanden werde, plädiert sie dafür, dass Ordensfrauen keinen Schleier mehr tragen sollen. Ähnlich argumentiert sie bezüglich der Burka: «Eine Burka oder ein Kopftuch kann eine Integration erschweren, weil sie in unserer Kultur nicht genau verstanden werden. Eine solche Kleidung ist ein grosses Hindernis, um mit dieser Frau locker ins Gespräch zu kommen. Es ist fremd, und ich weiss nicht, ob sie überhaupt will, dass ich sie anspreche.»

Dennoch will sie ihr Statement nicht als Plädoyer für ein Burka-Verbot verstanden wissen: «Darf ich Menschen aus einer anderen Kultur vorschreiben, wie sie sich bei uns anzuziehen haben?», fragt sie zurück. Die Frau vermumme sich ja nicht aus krimineller Absicht, sondern tue einfach das, was in ihrer Kultur Brauch sei.

Entsprechend stört sie sich auch an der doppelten Absicht der Initiative: «Da werden zwei Dinge in einen Topf geworfen, die nicht zusammengehören. Ein Verbot der Vermummung aus krimineller Absicht würde ich unterschreiben, ein Burkaverbot jedoch nicht.»

Schleier aus Solidarität mit Musliminnen

Noch kritischer steht sie einem allfälligen Kopftuchverbot gegenüber: «Da würde ich den Schleier aus Solidarität mit den muslimischen Frauen nicht ablegen, um zu zeigen, dass da etwas nicht stimmt: Den muslimischen Frauen wird etwas verboten, aber den christlichen nicht. Das geht nicht!»

Auch Catherine Jerusalem würde ihren Schleier bei einem Kopftuchverbot nicht ablegen. Aber sie differenziert: «Die Kopftuchobligation ist bei Musliminnen nicht dasselbe wie unser Schleier», denn letzterer werde im Unterschied zum Kopftuch freiwillig getragen. Sie bedauert es, wenn schöne Frauen sich verhüllen, versteht aber, wenn sie dies zu ihrem eigenen Schutz tun. Ob sie die Burka-Initiative unterschreiben wird, weiss sie noch nicht.

Sylvia Stam/ab

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