27.07.2015

Ein Schritt in die falsche Richtung

Von kath.ch/Schweizer Bischofskonferenz/acm

Die ethisch-soziale Komponente spielt am Schweizer Nationalfeiertag kaum eine Rolle – das zeigen auch die Unsummen verpulverter Böller. Jahr für Jahr springen daher die Kirchen in die Bresche, namentlich die Bischöfe im Rahmen ihrer 1. August-Botschaft. Brisant: Dieses Jahr tritt just am Nationalfeiertag eine Verordnung in Kraft, welche die Sonntagsruhe aufhebt.

Wenn am 1. August in der Schweiz die Verordnung in Kraft tritt, nach welcher Einkaufszentren an Sonntagen unter gewissen Bedingungen ohne spezielle Bewilligungen geöffnet sein können, ist das ein weiterer Angriff auf die Sonntagsruhe. So jedenfalls meint Thomas Wallimann-Sasaki, interimistischer Präsident der bischöflichen Kommission Justitia et Pax Schweiz. «Mit dieser neuen Regelung unterwirft sich die Politik einer Wirtschaft, die auf Kosten menschlicher Bedürfnisse funktioniert», kritisiert der Sozialethiker. Die bewilligungsfreie Sonntagsarbeit ab dem 1. August dieses Jahres sei ein Zeichen dafür, welche Werte wirklich federführend seien in der politischen Gestaltung der Arbeitswelt: Konsum, Markt, Wettbewerb.

Sonntag als Stopp im Hamsterrad
Thomas Wallimann-Sasaki, der auch das Sozialinstitut der Katholischen Arbeiterbewegung KAB in Zürich leitet, betrachtet die Verhältnisse unter Berücksichtigung der christlichen Ethik und der Katholischen Soziallehre. Für ihn ist klar, dass die Arbeit und die Wirtschaft für den Menschen da sein muss. «Der Sonntag als Ruhetag ist ein wertvoller Unterbruch. Er gibt dem Leben einen andern Rhythmus und bietet Möglichkeiten für das gemeinschaftliche Zusammensein. Darüber hinaus stoppt er für eine kurze Zeit das Hamsterrad von Leistung, Umsatz, Konsum und Erfolgszwang.»

Gegen die Menschen
Für Thomas Wallimann-Sasaki hat der Bundesrat mit der Aufhebung der Sonntagsruhe einen Schritt in die falsche Richtung gemacht. «In einer Zeit, in der viele Menschen über zunehmenden Druck in fast allen Arbeitsbereichen klagen, setzt der Bundesrat mit seiner Verordnungsänderung ein Zeichen gegen die Menschen.» Die von der Verordnung gesetzten Rahmenbedingungen mögen die gröbsten Ausnützungsversuche zwar mildern – etwa beim Lohn, doch die Richtung sei klar. Die Politik unterwerfe sich den Kräften einer Wirtschaft, die auf Kosten von Lebensqualität und menschlichen Bedürfnissen funktioniere. «Noch stärker sind daher Kirchen und konsumkritische Kräfte gefordert, für ihre Wertvorstellungen von Lebensqualität, Solidarität und Sinnfindung einzustehen.»

Bischöfe verstecken sich hinter Kommission
Auffallend bleibt, dass sich die Bischöfe in letzter Zeit mit politischen Äusserungen häufiger nicht direkt exponieren, sondern derartige Inhalte über ihre Kommissionen verlauten lassen. Hatte 2011 Abt Martin Werlen noch im Namen der Bischöfe die Idee der politischen Botschaft der Bischöfe zum 1. August lanciert und explizit erklärt, die Kirche betreibe zwar keine Parteipolitik, aber sie ergreife Partei, kommt die diesjährige Botschaft der Bischöfe zum Nationalfeiertag im Vergleich zur Kritik des Kommissionspräsidenten von Justitia et Pax, Thomas Wallimann-Sasaki, auffallend zahm daher. Zum Nachdenken über die christlichen Wurzeln des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens in der Schweiz wollen die Schweizer Bischöfe in ihrer Botschaft zum Bundesfeiertag am 1. August 2015 anregen. So jedenfalls erklärt es Walter Müller, Informationsbeauftragter der Schweizer Bischofskonferenz.

Dem Egoismus die Solidarität entgegensetzen
Verfasst hat die Botschaft der Schweizer Bischöfe dieses Jahr der abtretende Abt von Saint-Maurice, Joseph Roduit, Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz. In seiner Ansprache erinnert der scheidende Abt daran, dass die christlichen Wurzeln die Schweiz bis heute nachhaltig prägen. «Im Jubiläumsjahr des 1500-jährigen Bestehens der Abtei von Saint-Maurice unterstreichen die Bischöfe, dass die Religion in der Geschichte unseres Landes immer ein wichtiger Vektor geblieben ist. An die lange humanitäre Tradition der Eidgenossenschaft anknüpfend rufen die Bischöfe dazu auf, dem Egoismus die Solidarität entgegenzusetzen, aufnahmebereit für die Fremden zu sein und durch permanentes Arbeiten am Recht, am Teilen und am Respekt den Frieden dauernd zu bewahren.» Die Botschaft betont in der gleichen Dynamik wie die jüngste Enzyklika von Papst Franziskus, dass der Respekt vor der Natur auch den Respekt vor dem Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod einschliesst. Die Bischöfe ermutigen die Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz, am Leben ihrer Kirche teilzunehmen und an einer grosszügigen, aufnahmebereiten und solidarischen Schweiz mitzubauen.

 

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