04.11.2021

Baba News ist ein Online-Magazin für Schweizerinnen und Schweizer mit multikulturellem Hintergrund
Erfrischend, divers und politisch korrekt

Von Zeinab Ahmadi

  • In diesen Tagen erscheint die Zeitung «zVisite» als Beilage verschiedener kirchlicher Publikationen in der Deutschschweiz.
  • Aktuelles Thema der interreligiösen Zeitung ist «Das Wort in den Religionen».
  • Aus diesem Anlass hat zVisite mit der Journalistin Albina Muhtari vom Online-Magazin Baba News gesprochen.

«Die Muslime», «die Ausländer», «die Flüchtlinge», «die Kopftuchträ­gerinnen»: Wer diesen Schlagwör­tern begegnet, erwartet oft nichts Gutes, ist Albina Muhtari überzeugt. «Beim Wort Islam kommt oft ein Unbehagen auf, und vor dem in­neren Auge entstehen negative Bil­der.» Die Journalistin ist mit ihrer Wahrnehmung, dass die Berichter­stattung über den Islam hierzula­nde negativ gefärbt ist, nicht allein. Viele, besonders junge Muslimin­nen und Muslime, teilen den Ein­druck. Eine aktuelle Untersuchung des Forschungsinstituts Öffentlich­keit und Gesellschaft der Univer­sität Zürich kommt zu einem ähn­lichen Schluss: Musliminnen und Muslime werden in den Medien häufig problematisiert.

Interreligiöse Beilage

«zVisite» – der Titel ist Programm: Die Redaktorinnen und Redaktoren gehen zu Besuch, dokumentieren und dis­kutieren Fragen des interreligiösen Zusammenlebens. «zVisite» ist eine Gemein­schaftsproduktion verschiedener Zei­tungen und Onlineportale mit christ­lichem und jüdischem Hintergrund – auch des Aargauer Pfarrblatts Horizonte – sowie Mitgliedern der muslimischen und hinduistischen Glaubensgemein­schaften in der Schweiz. Horizonte-Leserinnen und Leser finden die aktuelle Aus­gabe am Do, 4. November, in ihrem Briefkasten.

Ganz normale Menschen

Deshalb lancierte Albina Muhtari vor drei Jahren ihr eigenes Medium: Baba News, das Online­-Magazin für Schweizerinnen und Schweizer «mit Wurzeln von überall». Im Ein­-Raum­-Büro an der Grenze zwischen Bern und Ostermundigen sucht das mittlerweile dreiköpfige Team re­levante Themen, entwickelt Ideen, führt Gespräche mit unterschied­lichsten Protagonistinnen, schreibt Artikel, produziert Videos und er­reicht damit 18’000 Followers.

Sie wollen facettenreiche Le­benswelten «von ganz normalen Menschen aus dem Alltag» zugäng­lich machen. «Wir geben jenen eine Stimme, über die sonst gesprochen oder geschrieben wird», betont Muhtari. Ein Crowdfunding stellt die Finanzierung von 150 Stellen­prozenten für die Dauer eines Jah­res sicher. Auf dem Portal berich­ten Secondos und Secondas über Vorurteile, denen sie begegnen, und sie beschreiben, was das mit ihnen macht. Oder Musliminnen erklären, warum sie sich für das Kopftuch entschieden haben und welche Reaktionen das in ihrem Umfeld auslöst.

Muhtari und ihre Mitstreiterin­nen scheuen sich nicht, auch heikle Themen aufzugreifen und sie kon­trovers zu diskutieren. «Wir be­richten aus dem Innern einer multikulturellen Community», sagt die Schweizerin mit muslimischem Hintergrund. Auch wenn etwa die Hälfte ihrer Followers keine Migra­tionsgeschichte haben. Für die andere Hälfte bietet das Magazin viel Raum für Identifikation. Entspre­chend positiv sind die Rückmel­dungen: «Ich fühle mich verstan­den», «Endlich bringt es mal jemand auf den Punkt» oder «Es ist schön, nicht mehr allein zu sein» wird ge­postet. «Wir bieten vielen ein me­diales Zuhause. Das hat bisher ge­fehlt», sagt Muhtari.

Diskurs abbilden

Trotz allem will die Redaktion von Baba News auch der eigenen Com­munity gegenüber kritisch sein. Dazu gehört, keine verharmlosen­den Diskurse zu reproduzieren und sich nicht vor kontroversen Themen zu scheuen. «Auch inner­halb der Community gibt es unter­schiedliche Ansichten. Das wollen wir abbilden», findet Muhtari. So habe etwa kürzlich ein Video zum Thema Islam und Transsexualität in kurzer Zeit 1550 Likes bekom­men. Gleichzeitig habe es auch sehr kritische Reaktionen gegeben. «Das nehmen wir in Kauf», stellt sie fest.

Die 34-­jährige Journalistin erin­nert sich an ihre Zeit als Commu­nity-­Redaktorin beim Redaktions­netzwerk Tamedia. Als es um die Coming-­Out­-Geschichte eines ho­ mosexuellen Mannes mit muslimi­schem Hintergrund ging, war man sich in der Redaktion uneinig, wie der Artikel in den sozialen Medien veröffentlicht werden sollte. «Der Social­-Media­-Post war der zuständi­gen Autorin zu wenig provokativ», so Muhtari. Ohne das Stichwort Is­lam generiere der Post zu wenig Klicks, habe diese befürchtet. Tatsächlich sei danach der Bei­trag vielfach geteilt worden, nur dass es nicht primär um den Pro­tagonisten und seine Erfahrungen gegangen sei, sondern um den vermeintlich «rückständigen Islam», der es Homosexuellen besonders schwer mache. «Manchmal kommt es mir vor», fährt Muhtari fort, «als ob Journalisten und Journalistinnen befürchteten, nicht genügend kri­tisch zu sein, wenn sie in neutralem Ton über Muslime schreiben.»

Baba: Vater und Mutter

Baba News heisst das Portal, weil «Baba» im arabisch-­türkischen Sprachraum «Vater» und im slawi­schen «Mutter» oder «Grossmutter» bedeutet, erklärt Albina Muhtari. «Mit diesem Begriff sind beide Ge­schlechter gemeint. Und er macht deutlich, dass wir, die Redaktorin­nen und die User, uns auch mit un­seren Wurzeln befassen.» Political Correctness ist den Macherinnen von Baba News wichtig. Während viele junge Leute politisch korrek­te Ausdrucksweisen verinnerlicht hätten, sei dies bei der älteren Gene­ration manchmal weniger der Fall, so Muhtari. Selbst sieht sie sich ir­gendwo dazwischen. «Ich musste mich auch schon selbst korrigieren und lerne mit meinen jüngeren Kol­leginnen immer wieder dazu», sagt sie lachend.

Multikulturelle Zukunft

Albina Muhtari hofft, dass auch konventionelle Medienhäuser zu­nehmend den Menschen mit Migra­tionshintergrund – immerhin sind das fast 40 Prozent der Bevölke­rung in der Schweiz – gerecht werden. Die Redaktionen sollten diverser werden, auf allen Hierar­chieebenen, meint sie. «So finden unterschiedlichste Erfahrungswel­ten und Geschichten von selbst Ein­gang in die Berichterstattung, und die Gesellschaft wird realitätsnaher abgebildet.»

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