11.01.2016

Familie ist kein Luxus

Von kath.ch / mca

36’500 Personen wurden in der Schweiz im Jahr 2014 ausgesteuert. Das sei der höchste Wert seit 2005, schreibt Caritas Schweiz im Sozialalmanach 2016. Das katholische Hilfswerk nimmt im Sozialalmanach jährlich die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz unter die Lupe. Der Schwerpunktteil der Publikation ist dieses Jahr dem Thema «Familie» gewidmet.

Wer seine Arbeitsstelle verliert, sich bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) registrieren lässt und in einem Zeitraum von zwei Jahren keine neue Anstellung findet, wird ausgesteuert. Die Zahl der Aussteuerungen habe in den letzten Jahren stetig zugenommen, heisst es im Bericht über die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz 2014/15, den Bettina Fredrich für den Sozialalmanach verfasst hat. 2014 waren demnach monatlich über 3000 Menschen von Aussteuerungen betroffen – insgesamt rund 36 500 Personen.

Fast doppelt so viele Aussteuerungen wie 2008
Das ist dem Bericht zufolge der höchste Wert seit 2005. Verglichen mit 2008 habe sich die Anzahl Aussteuerungen fast verdoppelt. Überdurchschnittlich betroffen sind Personen über 45 Jahre, Ausländer, Frauen, Alleinlebende und Personen, die nach der obligatorischen Schule keine Ausbildung absolvierten. Viele der Betroffenen finden nach der Aussteuerung keine Arbeit mehr und sind auf Sozialhilfe angewiesen. Wer einen Job findet, muss sich häufig mit unsicheren Arbeitsverhältnissen zufrieden geben: Auf Abruf oder temporär arbeiten oder mit einem zu kleinen Pensum.

Kürzungen bei Sozialhilfe treffen auch Alleinerziehende
Weiter stellt der Bericht fest, dass für viele Haushalte die steigenden Krankenkassenprämien und immer höhere Mieten zunehmend ein Problem darstellen. Die Standardprämie der Krankenversicherung sei in den letzten 20 Jahren jährlich um durchschnittlich 4,7 Prozent angestiegen, von monatlich 173 Franken im Jahr 1996 auf 396 Franken im Jahr 2014. Seit der Jahrtausendwende haben die Fixkosten der Haushalte stetig zugenommen. Beim einkommensschwächsten Fünftel der Bevölkerung falle insbesondere der starke Anstieg der Krankenkassenprämien ins Gewicht. Es erstaune deshalb nicht, dass eine erschreckend hohe Zahl von Menschen in der Schweiz Mühe habe, ihre Existenz zu sichern, heisst es in dem Bericht. Derzeit seien 590 000 Menschen von Armut betroffen, 130 000 seien trotz Erwerbsarbeit arm.

Richtlinien verschärft
Das Hilfswerk stellt zudem fest, dass bei der Sozialhilfe die Leistungen nach und nach abgebaut werden. 2015 sind demnach die Skos-Richtlinien verschärft worden. Diese Richtlinien definieren, wie die Sozialhilfe berechnet wird und mit welchen Massnahmen die soziale und die berufliche Integration der Betroffenen unterstützt werden kann. Mit der Revision sei das soziale Existenzminium für grosse Familien und Jugendliche nicht mehr gewährleistet, kritisiert Caritas Schweiz. Zudem sei die Zulage für Menschen, die sich aus gesundheitlichen oder familiären Gründen nicht um eine Arbeitsstelle bemühen können, gestrichen worden. Diese Kürzungen treffen auch Alleinerziehende, die aufgrund ihrer Betreuungspflichten bei der Erwerbsarbeit eingeschränkt sind, schreibt das Hilfswerk in einer Mitteilung vom 21. Dezember.

Familien als Leistungserbringer unterstützen
Der Sozialalmanach, der dieses Jahr mit dem Untertitel «Familie ist kein Luxus» erscheint, enthält nebst dem Bericht von Bettina Fredrich einen Schwerpunktteil mit Essays und Fachbeiträgen zur Familie. «Die Familie ist nicht nur Ort individuellen Wohlbefindens und Rückzugs, sondern auch zahlreicher gesellschaftlicher Aufgaben und Leistungen», heisst es auf der Webseite von Caritas Schweiz zum neusten Sozialalmanach. Von den Leistungen profitiere die ganze Gesellschaft. Aus Sicht des Hilfswerks ist es nicht zu rechtfertigen, dass «250 000 Eltern und Kinder in der Schweiz von Armut betroffen sind». Armut hindere die betroffenen Familie daran, ihre Leistungen zu erbringen und verletze ihre Rechte auf Chancengleichheit. Caritas Schweiz fordert deshalb eine Familienpolitik, die Armut verhindert, wie es auf der Webseite heisst.

Caritas-Forum am 29. Januar 2016
Das diesjährige Caritas-Forum steht ebenfalls unter dem Motto «Familie ist kein Luxus». Am 29. Januar diskutieren in Bern Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik und dem Sozialbereich in Referaten und Podiumsgesprächen Strategien und Lösungsansätze für eine gerechte Politik.

Zum Programm des Caritas-Forums

 

Sozialalmanach 2016

«Familie ist kein Luxus». Das Caritas-Jahrbuch zur sozialen Lage der Schweiz, Trends, Analysen, Zahlen. Caritas-Verlag Luzern, Dezember 2015. 220 Seiten, 36 Franken. ISBN: 978-3-85592-140-9. ISBN e-book: 978-85592-141-6

Bestellung: info@caritas.ch oder online unter www.caritas.ch/shop

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