01.07.2015

Bischöfe angesichts hoher Erwartungen gefordert

Von kath.ch / acm

Mit einer Bischofssynode zum Thema Familie treffe Papst Franziskus ein zentrales Thema der Gesellschaft, sagte Bischof Markus Büchel an einem Vortrag an der Universität Luzern am vergangenen Mittwoch, 24. Juni 2015. Im Oktober dieses Jahres treffen sich in Rom die Bischöfe erneut zu einer Familiensynode. Die weltweiten Unterschiede in traditioneller, wie auch in politischer Ausgestaltung des Familienlebens erforderten von der katholischen Kirche allerdings viel Fingerspitzengefühl, mahnte der St. Galler Bischof.

Zusammenfassend sagte Bischof Markus Büchel mit Blick auf die Bischofssynode: «Die Erwartungen sind hoch, nicht alle werden erfüllt werden können. Aber das Thema ist mit diesem Prozess angestossen.» Um die Bedeutung des zweiten Arbeitspapiers herauszuarbeiten, warf der St. Galler Bischof zuerst einen Blick zurück auf die erste Session der Bischofssynode 2014. Als Teilnehmer habe er sich als «Briefträger» der katholischen Kirche Schweiz verstanden, die im Rahmen einer breit angelegten Umfrage die Kirchenmitglieder nach deren Anliegen in der Frage Kirche-Ehe-Familie befragt hatte. Um diese Anliegen einzubringen, seien ihm genau vier Minuten zur Verfügung gestanden, sagte Markus Büchel schmunzelnd, fügte aber sogleich an, dass es allen Vertretern der weltweiten Bischofskonferenz gleich ergangenen sei. Als einer dieser Delegierten aus der ganzen Welt sei ihm schnell deutlich geworden, dass das Thema Familie aus christlicher Sicht ganz starke, einheitliche Grundlagen habe, es umgekehrt aber auch eine kontinental oder kulturell differenzierte Sicht erfordere. Bischof Markus Büchel schätzte es denn auch sehr, dass Papst Franziskus die beiden für die Schweiz bedeutenden Aspekte unbedingt weiter behandeln wollte: den Zugang zu den Sakramenten für wiederverheiratete Geschiedene und die Haltung der Kirche gegenüber homosexuellen Menschen. Dies, obwohl sie in der Schlussabstimmung der ersten Session nicht die erforderliche Unterstützung erhalten hatten.

Familienseelsorger mahnen zur Vorsicht
Wiederverheiratete Katholiken sollen nach einem «Weg der Reue» wieder zu den Sakramenten gelassen werden sollen. Deutschschweizer Familienseelsorger bezeichnen die aktuelle Situation als «unverständlich und stossend». Mit einem Weg der Reue müsse aber «vorsichtig, pastoral klug und menschlich einfühlsam umgegangen werden. Er muss als Hilfe zur Verarbeitung des Geschehenen verstanden werden, eine Verarbeitung, die auch dazu führt, die moralischen und sozialen Verpflichtungen, die sich aus der Scheidung und Wiederverheiratung ergeben, zu übernehmen: besonders gegenüber dem ersten Partner und den Kindern aus erster Ehe. Er muss zu einer persönlichen Neuorientierung motivieren.» Der für seine Nähe zu seelsorgerlichen Fragen bekannte Bischof machte kein Geheimnis daraus, dass der Begriff «Familie» in der katholischen Kirche wohl auch nach Abschluss der Synode nicht einheitlich und letztlich auch nicht abschliessend definiert werden könne. Markus Büchel hofft deshalb darauf, dass die Versammlung nach Wegen suche, die kulturell unterschiedliche Zugänge zu Fragen der Familienpastoral offen lasse. Auf alle Fälle, so der St. Galler Bischof, brauche die Kirche für die Auseinandersetzung mit der Familie sowohl eine Öffnung zu den humanwissenschaftlichen Ansätzen, wie auch eine Vertiefung der theologischen Diskussion. Denn, so Markus Büchel: «Die theologische und die Glaubensdefinition von Familie sind weit weg von der Realität.» Wo aber eine Spannung zwischen Glaube und Alltag herrsche, sei die Kirche gefordert, eine Sprache zu finden, mit der sie ihre Werte, ihre Ideale vermitteln könne. Eva-Maria Faber, Rektorin und Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule Chur, macht in diesem Zusammenhang geltend, dass sich gegen die westliche Kultur weiterhin einseitig eine eher negative Diagnose richte. Diese sei von Individualismus geprägt. «Vergessen ist die Einstellung, die das II. Vatikanische Konzil auszeichnete: Es nahm die zeitgenössische Kultur in ihren Schwächen und Stärken, Risiken und Chancen wahr. Die Bischöfe werden in diesen Hinsichten nachjustieren müssen, um eine gerechte Wahrnehmung auch unserer Kultur zu ermöglichen.»

Werte anbieten, nicht Normen aufstellen
Das vorliegende Arbeitspapier zur zweiten Session der Familiensynode wertete Bischof Markus Büchel als neue Grundlage für einen weiteren «intensiven Prozess, der mehr Dialog enthalten muss». Er vermisse darin beispielsweise neue Ansätze zu Partnerschaften ohne Kinder oder zu Fragen des Gewissens. Dass beispielweise zur Homosexualität im Papier «keine Diskriminierung, aber auch keine Anerkennung» vorgenommen werde, bezeichnete er als «behutsame Annäherung.» Auch Eva-Maria Faber meinte dahingehend: «Wie schon beim Vorgängertext kommt das Thema der ehelichen Partnerschaft zu kurz; die Herausforderung der Gestaltung von Beziehungen findet wenig Aufmerksamkeit. Die neu hinzugekommenen Abschnitte haben aber mehr konkretes Leben in das Dokument hineingebracht. Als wichtig erachtet es Bischof Markus Büchel, dass im Arbeitspapier nicht mehr nur negativ von anderen Formen des Zusammenlebens als der Familie gesprochen werde. Und als Seelsorger und Bischof machte er auch klar, dass die Kirche im Fall einer Ehescheidung nicht leichtsinnig von Fehler sprechen dürfe. Sie habe vielmehr die Aufgabe, betroffene Menschen in ihrem Trennungsschmerz zu begleiten. Überhaupt spricht sich Büchel dafür aus, dass die Kirche zuerst Werte anbieten müsse, statt Normen aufzustellen, um die christliche Botschaft zu vermitteln.

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