18.04.2016

Fastenopfer sammelte erfolgreich Unterschriften

Von Andreas C. Müller

Die Konzernverantwortungsinitiative kommt zustande. Ein halbes Jahr vor Ablauf der Frist haben die Initianten 140 000 Unterschriften beisammen. Die kirchlichen Hilfswerke Fastenopfer und «Brot für alle» gehören zu jenen vier NGOs von insgesamt 77, die am meisten Unterschriften beigesteuert haben: Insgesamt 24 000. Doch was verspricht dieser Erfolg für die Abstimmung? Horizonte fragte bei der Basis nach und rechnete.

Es war ein Novum und – wenn es nach den Initianten geht – ein durchschlagender Erfolg. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat das katholische Hilfswerk Fastenopfer zusammen mit dem reformierten Partner «Brot für alle» die Ökumenische Fastenkampagne mit der Unterschriftensammlung für das Zustandekommen eines Volksbegehrens verknüpft. «Zusammen haben wir 24 000 Unterschriften zu den 140 000 beigetragen», freut sich Madlaina Lippuner, PR-Verantwortliche bei Fastenopfer. «Das rasche Zustandekommen der Unterschriften lässt uns zuversichtlich sein, dass die Konzernverantwortungsinitiative bei der Bevölkerung eine Chance hat.»

Je 10 000 Unterschriften «versprochen»

Die Konzernverantwortungsinitiative verlangt verbindliche Regeln für Schweizer Firmen zum Schutz von Menschen und Umwelt im Ausland. 77 Nichtregierungsorganisationen – darunter auch das katholische Hilfswerk Fastenopfer – schlossen sich in einer politischen Phalanx zusammen, nachdem der Nationalrat vor einem Jahr eine Motion verworfen hatte, welche Schweizer Aktiengesellschaften zu mehr Sorgfalt verpflichten sollte.

«Fastenopfer und Brot für alle haben uns im Vorfeld je 10 000 Unterschriften versprochen», erklärt Rahel Ruch, Koordinatorin der Konzernverantwortungsinitiative, gegenüber Horizonte auf Anfrage. Das Ziel sei klar erreicht worden. Mehr noch: «Fastenopfer und Brot für alle gehören zusammen mit Amnesty und der «Erklärung von Bern» zu jenen vier Nichtregierungsorganisationen, die am meisten Unterschriften für das Zustandekommen der Initiative haben beisteuern können».

Ökumenische Kampagne sorgte für Schub

Beim Initiativ-Komitee wurden die Unterschriftenbögen codiert. «Wir haben also in etwa zurückverfolgen können, woher die Unterschriften kamen», erklärt Rahel Ruch. «Die Wintermonate waren eher ruhig, weil es da nicht gut möglich war, auf der Strasse Unterschriften zu sammeln. Im Februar und März hat es dann deutlich angezogen, was mit Sicherheit auf die Ökumenische Fastenkampagne zurückzuführen ist.»

Bei Fastenopfer freut man sich über den Erfolg. «Die Fastenkampagne mit einer Unterschriftensammlung zu verknüpfen, war für uns ein Novum», erklärt Madlaina Lippuner gegenüber Horizonte. Die Sache sei grundsätzlich auf positives Echo gestossen. Auf die Frage, wie Fastenopfer trotz der zwiespältigen Meinung bei Katholiken zu politischem Engagement in der Kirche eine Unterschriftenzahl im fünfstelligen Bereich versprechen konnte, entgegnet Madlaina Lippuner: «Unser Engagement ist nicht parteipolitisch, sondern sachpolitisch. Mit dem Kampagnenthema Goldabbau konnten wir einen logischen Bogen zur Konzernverantwortungsinitiative schlagen.» Die PR-Verantwortliche verweist auf das Fallbeispiel Burkino Faso, wo der Bau dreier Goldminen 14 000 Vertriebene und gravierende Umweltschäden mit sich brachte – für Gold, das in der Schweiz weiterverarbeitet wurde. «Insofern waren wir überzeugt, dass wir die Schweizerinnen und Schweizer für unser Anliegen überzeugen können.»

Zustimmung bei Seelsorgenden, Kritik an der Basis

Eine Umfrage von Horizonte bei Seelsorgenden in verschiedenen Aargauer Dekanaten ergab fast ausnahmslos eine breite Zustimmung gegenüber der Unterschriftensammlung der kirchlichen Hilfswerke. «Christentum, das nicht gesellschaftsverändernd wirkt, dient nicht dem Leben» meinte beispielsweise Peter Friedli, Pfarrer in Zofingen. Für Bernhard Lindner, Gemeindeleiter in Oeschgen, ist ein derartiges Engagement sogar «Teil der prophetischen Verkündigung.» Kurt Grüter, Pfarrer in Wohlen, räumt allerdings ein, dass die breite Zustimmung wohl mit dem Umstand zu tun habe, dass es sich um eine Initiative handle, die von Hilfswerken und Nonprofitorganisationen initiiert worden sei. «Heikler wäre es bestimmt, wenn es um eine Initiative gegangen wäre, die von einer politischen Partei lanciert worden wäre.»

Was die Kirchenbasis betrifft, so berichten die Seelsorgenden von unterschiedlichen Erfahrungen. Mehrheitlich habe es keine Reaktionen gegeben. «Die Mehrheit in meiner Pfarrei wählt SVP und hat oftmals ein anderes politisches Denken als das meinige», beklagt ein Seelsorger. Und Christoph Cohen, Diakon aus Rohrdorf, meint: «Es ist nicht nur gut angekommen». Das bestätigen auch verschiedene Lesermails an die Horizonte-Redaktion. Das Aargauer Pfarrblatt begleitet Jahr für Jahr aktiv die Ökumenische Fastenkampagne mit verschiedenen Artikeln.

Schwerer Stand für Initiative an der Urne

Insofern nötigt sich die kritische Frage auf, wie die Chancen um die «Kovi» bestellt sind. Allein die Auflage der beliebten Fastenagenda belief sich gemäss Angaben von Madlaina Lippuner von Fastenopfer in diesem Jahr auf 1,4 Millionen Exemplare. «Dort war jeweils ein Unterschriftenbogen dabei, der Platz für 3 Unterschriften bot», erklärt die PR-Verantwortliche. Der Rücklauf sei gut gewesen, resümiert Madlaina Lippuner. Zusätzlich zum Versand konnte über die Kampagnen-Webseite direkt ein «Unterschriftensammlungskit» bestellt werden. Es dürfte somit Doppelungen aufgrund verschiedener Kommunikationsmittel- und Wege gegeben haben.

Macht man nun die Rechnung basierend auf der Auflage der Fastenagenda – dem gegenüber Horizonte einzigen, eindeutig kommunizierten Anhaltspunkt hinsichtlich Streuvolumen von Unterschriftenbögen – so haben nicht einmal 1 Prozent aller Adressaten die Konzernverantwortungsinitiative unterschrieben. Leider gibt es keine statistischen Angaben über die Ausschöpfungsquote von Unterschriftensammlungen, wie Werner Seitz, Leiter der Sektion Politik, Kultur und Medien beim Bundesamt für Statistik auf Anfrage erklärt. Einzig der Zeitfaktor könne ein Indiz liefern – Also: Wie viel Zeit bis zum Einreichen einer Unterschriftensammlung erforderlich war. Das sei genau dokumentiert.  Auf den Umstand angesprochen, entgegnet Rahel Ruch, Koordinatorin der Konzernverantwortungsinitiative: «Alle Versände ergeben zwischen 0,5 und 2,5 Prozent Rücklauf. Das ist ganz normal.»

Die Konzernverantwortungsinitiative startete am 21. April 2015 mit dem Sammeln von Unterschriften, also vor gut einem Jahr. Zum Vergleich: Die SVP brauchte für Ihre Durchsetzungsinitiative nur fünf Monate – und scheiterte dennoch im Februar 2016 an der Urne. Madlaina Lippuner kritisiert diesen Vergleich. Die PR-Verantwortliche von Fastenopfer macht geltend, dass «bei der Konzernverantwortungsinitiative jede mittragende Organisation von Anfang an ihre Zeit für die Sammlung bestimmt hatte. Es war nicht eine Partei, die alle ihre Kräfte in einer Zeit auf eine Sammlung konzentrierte.» Komme hinzu, dass man «die Response-Rate» auch bei der Fastenagenda nicht kenne, weil «wir nicht wissen, wie viele Exemplare, die an die Pfarreien geschickt wurden, tatsächlich an die Bevölkerung verteilt wurden» und «die Empfänger gar nicht alle stimmberechtigt sind.»

Der grosse Effort steht erst an

Für Rahel Ruch, Koordinatorin der Konzernverantwortungsinitiative steht ausser Frage, dass die Unterschriftensammlung nur die erste Etappe war. «Die Initiative wird nach der Einreichung im Oktober dem Bundesrat und dem Parlament vorgelegt und später dem Volk – bis dahin ist es noch ein langer Weg.» Dass Fastenopfer weiterhin am Ball bleibt, steht bereits fest: «Für Fastenopfer ist der Inhalt dieser Initiative sehr wichtig, da er direkt mit unserem Engagement in den Südprojekten in Verbindung steht», so Madlaina Lippuner. «Es ist in unserem Interesse, dass wir zusammen mit den anderen Organisationen der Initiative nicht nur eine Diskussion auslösen, sondern tatsächlich eine Veränderung erzielen.»

 

 

 

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.