07.08.2017

Frauen streiten über die Altersreform

Von Andreas C. Müller

Am 24. September 2017 stimmt die Schweiz über die Altersvorsorge 2020 ab. Die vier grössten Frauendachverbände treten entschieden für ein Ja ein. Doch unter den Frauen ist die Reform nicht unumstritten.

Mit immer mehr Rentnerinnen und Rentnern gerät das Schweizer Rentensystem in Schieflage. Nach erbitterter Diskussion im Bundesparlament und einer Einigungskonferenz zimmerten die beiden Kammern eine Kompromisslösung. Einerseits sollen die Renten in der zweiten Säule gekürzt, andererseits sollen mit zusätzlichen Mehrwertsteuerprozenten, Bundesmillionen, einer Erhöhung der Lohnabgaben und einer Anhebung des Frauenrentenalters die AHV gestärkt und Rentenkürzungen bei den Pensionskassen mit monatlich zusätzlichen 70 AHV-Franken für Neurentnerinnen und Neurentner zumindest ein wenig aufgefangen werden.

Flexibilisierung des Koordinationsabzugs als Chance

Weil zusätzlich die Flexibilisierung des Koordinationsabzugs die Anhäufung von Pensionskassenkapital für Teilzeiterwerbstätige vereinfachen soll, gelten unter anderem Frauen als grosse Gewinner der Reform. Denn meist sind sie es, die teilzeit arbeiten und geringere Einkommen haben. Das sieht auch die Allianz der Frauendachverbände «Alliance F» so, zu dem auch der Schweizerische Katholische Frauenbund SKF gehört. «Ein Ja an der Urne würde markante Verbesserungen für die Frauen mit sich bringen, ist Nationalrätin Barbara Schmid-Federer überzeugt. «Die Senkung des Koordinationsabzuges kommt den Frauen mit tiefem Lohn sehr zugute. Das heisst, dass teilzeitarbeitende Frauen ihre Deckungslücken in der Pensionskasse schliessen könnten.»

Selbst der Erhöhung der Rentenalters für Frauen können die Vertreterinnen der Frauenverbände Positives abgewinnen: Die vorgesehene Flexibilisierung des Rentenalters von 62 bis 70 Jahren ermögliche es Frauen, die infolge Betreuungsaufgaben die Erwerbstätigkeit stark eingeschränkt oder gar unterbrochen haben, fehlende Beitragsjahre auszugleichen. Sie könnten ihre Rente verbessern, führt Barbara Schmid-Federer aus.

Gefährdete Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen

«Nur aus Frauensicht betrachtet, ist die Reform unsozial und egoistisch» erklärt demgegenüber Vera Schlittler-Graf auf der Facebookseite von Horizonte. «Zumal die tiefen Renten dank den zusätzlichen 70 Franken letztlich mehr haben, gehen Ergänzungsleistungen verloren. Auch werden viele genau die Schwelle der Prämienverbilligungen verlieren. Nein, diese Reform ist ein Murks und absolut nicht sozial», folgert die Präsidentin der FDP-Frauen Bern.

Simone Curau-Aepli vom Schweizerischen Katholischen Frauenbund SKF kontert – ebenfalls auf Facebook: «Unter dem Strich war nicht mehr zu erreichen. Die Gegner wollen Rentenalter 67 – und nehmen eine Schwächung der AHV inkauf. Das sind keine Optionen für den SKF und die anderen Frauendachverbände. Daher tragen wir diese Reform mit.»

Kommt bei einem «Nein» der Rentenkollaps?

Die Gegner der Reform – auch Vera Schlittler-Graf – sind überzeugt, dass nach einem Nein im September an der Urne alsbald etwas Besseres vorgelegt wird. Daran glauben die Befürworter nicht – im Gegenteil. Nationalrätin Barbara Schmid-Federer warnt: «Für mich persönlich ist klar, dass es ohne eine Veränderung wie diese irgendwann einen Kollaps geben wird. Dann wird es immer teurer, und vor allem Frauen mit tiefem Lohn werden darunter leiden.»

Ganz so pessimistisch sieht es Simone Curau-Aepli nicht: «Ich glaube nicht an einen Kollaps, wenn die Reform nicht durchkommt. Aber an eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 – unabhängig vom politischen Entscheid im September an der Urne.»

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