27.04.2015

Friede, Freude und ein wenig Nachdenklichkeit

Von Remo Wiegand

In Fribourg findet vom 1. bis 3. Mai 2015 der nationale Weltjugendtag statt. Die Veranstalter rechnen mit 1000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Mit dabei: Vier Bischöfe, ein Topmodel und ein Mörder – und die drei Aargauer Jana, Salome und Frédéric.

Seliges Lächeln, verklärte Blicke, ein Schwelgen in Gefühlen und Erinnerungen. Wer Jugendliche zu ihren Erlebnissen an Weltjugendtagen befragt, bekommt zunächst keine Worte, sondern körperliche Reaktionen als Antwort. Die Gesichter offenbaren Tagträume, die vom Himmel auf Erden künden.

Nicht allein
2013 fand in Rio der letzte grosse Weltjugendtag mit 3,7 Millionen Menschen statt. Mit dabei war auch Jana Waldis (17) aus Rheinfelden. «Dort habe ich gemerkt», schwärmt sie, «dass ich in der katholischen Kirche nicht alleine bin.» Ein «Mega-Erlebnis» sei es gewesen, erzählt sie. Allein schon wegen der Grösse, aber nicht nur. Janas persönliches Highlight war der Moment, als an der Copacabana 1,5 Millionen Menschen in eine minutenlange Stille verfielen. «Es war vollkommen ruhig, man hörte nur noch das Meer rauschen. Mit einem Wort: Frieden.»

Mega-Party
Ich treffe Jana als Vorbeterin an einer Adoray-Feier in der Basler Josephskirche. Adoray-Lobpreisabende, die es in mehreren Schweizer Städten gibt, sind das lokale Pendant zur katholischen Weltbühne. 13 Jugendliche sind heute da, sie beten, hören Predigtworte eines Jesuitenpaters, halten Stille. Und vor allem: Sie singen. Liebeslieder für Gott erfüllen fast pausenlos den Chorraum. Gitarrist Frédéric Schubiger (22) aus Möhlin spielt, als ob es kein Morgen gäbe. Man kann sich bildlich vorstellen, was er später vom Madrider Weltjugendtag 2008 erzählt: «Den ganzen Tag liefen wir durch die Stadt, waren eigentlich todmüde, sangen aber einfach immer weiter. Ausufernde Freude – unvergesslich.» Auch Jana rührt in Basel noch einmal die Werbetrommel für den kommenden nationalen Weltjugendtag. Nicht mehr zu überzeugen braucht sie ihre 15-jährige Schwester Salome, die in Fribourg sicher dabei ist und von der «extrem guten Stimmung» schwärmt, die sie von anderen nationalen Glaubensfesten bereits kennt. Salomes Beschreibung passt indes auch zur Kritik, die nicht wenige Katholiken am Weltjugendtag üben: Er versprühe mit den Stargästen und der plakativen Werbe-Ästhetik den Geist einer kommerziellen Megaparty. Nicht alle bekommen das mit ihrem Glauben zusammen. «Die Weltjugendtage sind wie ein Startschuss für den Glauben», rechtfertigt ETH-Student Frédéric die Grössendimension. «Danach muss er sich aber im Alltag bewähren». Jana sekundiert: «Das Programm ist gar nicht unbedingt der Hauptpunkt. Das Entscheidende findet dazwischen statt: In den Begegnungen, der Gemeinschaft, der Lebensfreude.»

Kulturschock
Ihre Glaubensbegeisterung versuchen die drei Fricktaler auch in ihre Pfarreien zu tragen. Jana und Salome, die beide die Rudolf-Steiner-Schule besuchen, engagieren sich unter anderem im Oberstufen-Religionsunterricht in Rheinfelden. Ein mittlerer Kulturschock, gibt Jana zu: «Die Schüler für den Glauben zu begeistern ist schwierig.» Trotzdem will sie dran bleiben, die jungen Leute ernst nehmen, und – wenn sich eine Chance ergibt – auch gerne eine kleine Glaubensgemeinschaft gründen. Solche, findet Jana, würden Pfarreien insgesamt gut anstehen. Tatsächlich ist heute die Jugendarbeit vielerorts mehr von Erlebnispädagogik als von Gebetsgruppen geprägt: «Für Jugendliche, die nahe bei Gott sein wollen, gibt es nicht viele Angebote.» Umgekehrt hilft die Anbindung an eine Pfarrei den Adoray-Followern, nicht in ein Parallelwelt abzugleiten. Denn in der Volkskirche setzten sie sich kritischen Rückfragen aus, die für einen Glaubensweg ebenso wichtig sind wie der unentwegte Lobgesang. Zum Beispiel: Hat die katholische Kirche immer recht? Warum soll man vor der Ehe keinen Sex haben? Oder – wie Janas nicht-gläubiger Freund kürzlich wissen wollte: «Warum verneigst Du Dich, wenn Du in die Kirche trittst? Warum machst Du Dich so klein vor Gott?»

Zwischen Euphorie und Nachdenklichkeit
Es ist spürbar, das die Jugendlichen vor solchen Fragen nicht fliehen. «Ich unterstütze auch nicht alles zu 100%, was die katholische Kirche sagt», meint Jana. Auch Frédéric räumt ein: «Es gibt Sachen, die ich nicht verstehe.» Doch beide wollen verstehen, und die Lehre der Kirche berücksichtigen, wenn sie bei Fragen nach ihrer Lebensgestaltung anstehen. So, sind sie überzeugt, lernen sie immer mehr zu glauben und zu lieben. So verneigt sich Jana denn auch weiterhin in der Kirche. Dank ihrem kritischen Freund hat sie indes neue Einsichten in ihren Glauben gewonnen. «Jesus ist vielgestaltig, nicht einfach zu fassen. Ich kann ihm als Freund begegnen – und dennoch bleibt er mein König.» Sie seien sich bewusst, dass Weltjugendtags-Gruppen der Ruf von «Friede, Freude, Eierkuchen» vorauseile, sagt Frédéric zuletzt. Man wisse zwar, dass dies nicht immer die Realität sei. «Und doch», bekräftigt der Student, «singen wir ganz bewusst auch weiter, wenn es schwierig wird.» Es bleibt zu hoffen, dass die Lieder die Nachdenklichkeit nicht übertönen.  

 

Der nationale Weltjugendtag in Fribourg
Ein Mix aus Musik, Workshops, liturgischen Feiern und Begegnungen mit Bischöfen während drei Tagen – vom 1. bis 3. Mai 2015. Als Top Acts sprechen das US-Model Leah Darrow und Torsten Hartung, ein verurteilter Mörder, über ihren Glauben. Erstmals begehen in Fribourg alle Schweizer Sprachregionen zusammen einen Weltjugendtag. Die nationalen Glaubensfeste füllen die Lücke zwischen den internationalen Weltjugendtagen. Diese finden seit 1986 etwa alle drei Jahre statt, zuletzt 2013 in Rio mit 3.2 Millionen Teilnehmenden, demnächst 2016 in Krakau. 
www.fr2015.ch

 

 

 

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