23.07.2015

Für die einen wie auch für die anderen

Von Andreas C. Müller

Peter Haag war dem Start des Aargauer Pfarrblatts mit dabei und amtete von 1998 bis 2001 als Präsident der Pfarrblattgemeinschaft, Martin Brander arbeitete als erster Redaktor von 1985 bis Ende 2008 für Horizonte. Anlässlich des 30. Jahrgangs von Horizonte schauen beide zurück auf die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte und erörtern die zu meisternden Herausforderungen. Zu diesen gehörten vor allem die Spannungen in der Kirche zwischen progressiven und konservativen Kräften.

Beginnen wir unsere Reise in die Vergangenheit in der Gegenwart. Sie beide haben bereits verschiedene Veränderungen beim Aargauer Pfarrblatt erlebt. Wie gefällt Ihnen das neue Horizonte, so wie es sich seit Beginn dieses Jahres präsentiert?
Martin Brander:
Die Titel sind mir im Verhältnis zur Seite zu stark gewichtet. Die grossen farbigen Bilder kommen hingegen gut. Wir hatten früher Probleme mit dem Farbdruck.
Peter Haag: Und auch nicht die finanziellen Mittel dafür. Farbdruck war früher noch sehr teuer.

Und inhaltlich?
Martin Brander:
Ich hatte einen anderen Ansatz. Als Carmen Frei im Jahre 2008 die Redaktionsleitung übernahm, folgte eine stärkere Fokussierung auf den Aargau. Das hat sich mit der Umstellung auf Beginn dieses Jahres weiter akzentuiert. Ausgleich dazu und eine gute Ergänzung bietet die Website.
Peter Haag: Horizonte darf nicht nur horizontal berichten. Wir haben auch einen Verkündigungsauftrag. Das heisst jetzt nicht, dass wir den Katechismus abdrucken müssen, aber theologische, biblische und liturgische Impulse vermisse ich seit Beginn dieses Jahres schon.

Wie hat sich eigentlich die Idee eines kantonalen Pfarrblatts in den 1980er-Jahren im Aargau durchgesetzt?
Peter Haag:
Früher hat jede Pfarrei irgendwo ein Pfarrblatt drucken lassen… Ich war damals in Bad Zurzach, wo seinerzeit ein Verband mit fünf Pfarreien gegründet wurde. Wir haben auch ein gemeinsames, regionales Pfarrblatt herausgegeben.
Martin Brander: Das war quasi der Vorgänger des kantonalen Pfarrblatts.

Woher kam dann die Initiative, von Bad Zurzach aus weiter zu denken? Seitens der Landeskirche?
Peter Haag:
Die Landeskirche hat uns mit Impulsen, Starthilfe und Subventionen unterstützt. Da war aber nie die Idee: Das ist das Blatt der Landeskirche.
Martin Brander: Einzig der Wunsch war da, die Synodenbeschlüsse zu veröffentlichen.
Peter Haag: Es gab aber nie redaktionelle Weisungen. Und die Initiative kam klar von unten aus den Pfarreien. Als damals die katholischen Tages- und Wochenzeitungen wie das Aargauer Volksblatt wegstarben, wurde der Ruf lauter, man bräuchte doch ein gemeinsames, kantonales Pfarrblatt.

Und das Bistum?
Martin Brander:
Kurt Koch als Bischof hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er gern eine Bistumszeitung gehabt hätte. Wir Pfarrblätter des Bistums haben das abgelehnt, uns aber doch auf eine Bistumsseite verständigt. Die Beiträge waren allerdings nicht gerade optimal, und es blieb schliesslich eine Art Kolumne für die Bistumsleitung.

Sie erwähnen die anderen Pfarrblätter aus dem deutschsprachigen Raum: Gab es da eine Zusammenarbeit?
Peter Haag:
Es gab sporadisch einen Gedankenaustausch unter den Herausgebern…
Martin Brander: Und vierteljährlich eine Sitzung der Arpf, der Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Pfarrblattredaktionen. Diese Zusammenarbeit war für mich etwas Wertvolles. Getroffen haben wir uns immer im Bahnhofsbuffet in Olten – damit wir da sind, wo die Leute sind. Es war ein Erfahrungsaustausch und bei gemeinsamen Interessen eine Bündelung von Kräften. Es entstanden Serien zu bestimmten Themen, die allen Pfarrblättern zur Verfügung standen. So konnten wir mit guten Honoraren namhafte Autoren verpflichten.

Zurück zum Aargauer Pfarrblatt: Wie wurde das kantonale Blatt geboren? Interessant ist, dass die erste Nummer mit dem Leitartikel «Ein Wunder ist geschehen» von 1986 datiert, wir aber 2015 bereits den 30. Jahrgang feiern.
Martin Brander:
Begonnen hatte es 1983 mit einer Arbeitsgruppe der Landeskirche und einer Vernehmlassung. Ende 1984 wurde eine Nullnummer erstellt. Im September 1985 fand in Windisch die Gründungsversammlung der Pfarrblattgemeinschaft statt. Die erste Nummer erschien am 12. Januar 1986 mit einer Auflage von rund 56 000 Exemplaren.

Heute haben wir eine Auflage von über 100 000. Waren demnach seinerzeit noch nicht alle Pfarreien mit dabei?
Martin Brander:
Das untere Fricktal fehlte sowie Wohlen und weitere Pfarreien…
Peter Haag: Und das Dekanat Brugg. Die Pfarreien hatten ihr eigenes Pfarrblatt und wollten sich nicht von der lokalen Druckerei trennen.

Wie kamen Sie beide eigentlich zum Pfarrblatt?
Martin Brander:
Ich arbeitete seinerzeit als Religionslehrer an Bezirks- und Mittelschulen und interessierte mich für die kirchliche Erwachsenenbildung. In diesem Zusammenhang hatte ich die Möglichkeit, im Aargauer Pfarrblatt monatlich eine Seite zu gestalten. Als es dann das kantonale Pfarrblatt zustande kam, bewarb ich mich um die vollamtliche Redaktionsstelle.
Peter Haag: Wir waren sehr froh, dass wir Martin Brander gewinnen konnten. Was mich betrifft, so bin ich über den Pfarreienverband in Bad Zurzach in das Projekt reingerutscht. Weil ich früher Buchbinder war und in Druckereien gearbeitet hatte, sollte ich mit Blick auf die Realisierung des Vorhabens mit den Fachleuten für den Druck verhandeln.

Die Arbeit seinerzeit dürfte sich in vielen Belangen sehr deutlich von heute unterschieden haben.
Martin Brander:
Ich habe noch mit der mechanischen Schreibmaschine begonnen, die Setzerei hat dann das abgeschrieben, was ich ihr per Post zugestellt habe. So haben es auch die Pfarreien gemacht. Eine grosse Erleichterung war dann der Fax und natürlich der Computer mit der Möglichkeit, Texte auf Diskette abzugeben.
Peter Haag: Das war die Entwicklungsgeschichte der grafischen Industrie, das hat auch beim Pfarrblatt voll durchgeschlagen. Wenn man bedenkt: Nach der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert hat sich bis ins 20. Jahrhundert nichts grundsätzlich geändert. Ab den 1950er Jahren hat sich dann die Branche revolutioniert: Offsetdruck, Fotosatz und mit dem Computer und dem Internet kam die elektronische Texterfassung und die Datenübermittlung.
Martin Brander: Mein erster Computer hatte eine Speicherkapazität von 20 Megabytes, das genügte damals vollständig.
Peter Haag: Ein weiterer Meilenstein war, als alle Pfarreiesekretariate ihre Pfarreibeiträge in die Druckvorstufe mailen konnten. Da war das Aargauer Pfarrblatt das Erste in der Schweiz.

Und wann kam das Redaktionserfasssungssystem für die Pfarreien?
Peter Haag:
Das war in meiner Amtszeit als Präsident der Pfarrblattgemeinschaft, um die Jahrtausendwende. Da erhielt das Pfarrblatt auch seinen heutigen Namen – Horizonte. Der «Pfarrblatt-Editor» bot die direkte Eingabemöglichkeit ohne eine weiteres Eingreifen der Druckvorstufe. Die Mammutaufgabe dabei war, alle Sekretärinnen zu schulen.

Gab es da nicht Widerstände?
Peter Haag:
Das war schon etwas ganz Neues. Ein paar mussten sich da schon einen Schupf geben.
Martin Brander: Aber eigentlich haben alle mitgemacht. Das Problem war, dass jedes Jahr in allen Pfarreien ein Update installiert werden musste, denn der «Pfarrblatt-Editor» war direkt auf dem Computer des Pfarreisekretariates installiert. Die Server-Lösung kam erst später.

Wenn ihr euch zurückerinnert, was waren für euch prägende Erlebnisse in der Zeit, als ihr für das Aargauer Pfarrblatt gearbeitet habt?
Peter Haag:
Nebst der drucktechnischen Umwälzung waren natürlich die Veränderungen in der Kirche prägend. Nach dem Konzil 1962-65 und der Schweizer Synode 72 bildeten sich zwei Strömungen, die in den Pfarreien Gegensätze bildeten zwischen progressiven und konservativen Kräften. Die Herausforderung bestand darin, dass man weder die einen, noch die anderen verliert. Das heisst nicht, dass man seine Meinung nicht sagen darf, aber es kam drauf an, wie man es sagt.

Hat die Redaktion diesen Spagat geschafft?
Martin Brander:
Ich habe stets versucht, ausgewogen Themen zu setzen – mit der Synode 72 im Hintergrund. So auch, als ich im Pfarrblatt 1986 einen Artikel von Josef Hochstrasser veröffentlichte. Hochstrasser war laisierter Priester und Seelsorger in Entfelden. Er vertrat befreiungstheologische Ansätze, sprachlich etwas «klassenkämpferisch«. Das gab heftige Reaktionen. Wellen geschlagen hat auch der Eingriff in die redaktionelle Freiheit des Pfarrblatts durch den damaligen Kantonaldekan Arnold Helbling im Jahre 1988. Zum Gut-Hirt-Sonntag, dem Weltgebetstag für kirchliche Berufe, hatte ich vom ehemaligen Regens des Priesterseminars Luzern einen kritischen Leitartikel zum Priestermangel in die Setzerei gegeben. Der Kantonaldekan hatte davon Wind bekommen und den Beitrag kurzfristig durch einen eigenen Artikel ersetzt.

Durfte er das?
Martin Brander:
Eigentlich nicht, auch wenn er im Vorstand des Pfarrblatts war. Die Angelegenheit gab in den regionalen Medien Anlass zur Diskussion und es folgte von Aargauer Seelsorgern gar eine Unterschriftensammlung «für ein offenes Pfarrblatt». Als Folge dieser Angelegenheit entstand der Redaktionsausschuss. Er hatte die Aufgabe, mich prospektiv zu begleiten. Diesem Gremium legte ich regelmässig die geplanten Themen zur Diskussion vor, insbesondere «heikle» Artikel.
Peter Haag: Gerade für einen Einzelarbeiter wie es Martin war das nicht unerheblich. Wenn man ein brenzliges Gefühl hatte, konnte man dieses Gremium einberufen.

Die Redaktion bestand damals also nur aus einer Person?
Martin Brander:
Ja, erst 1997 folgte mit Carmen Frei eine weitere Mitarbeiterin. Und im Jahre 2000 erhielten wir im Teilpensum eine Sekretariatsmitarbeiterin. Carmen Frei hat die Redaktion 2010 dann mit vier Personen im Teilpensum bestückt.

In Kirchenkreisen ist seit Neuestem von einer Konzentration der Medien die Rede. Nach der Schaffung des Katholischen Medienzentrums richtet sich der Blick nun auf die Pfarrblätter. Als Idee wird von Seiten der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz RKZ, aber auch von einigen Leuten im Kirchenrat der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau über einen überregionalen Zusammenschluss nachgedacht, wie ihn die Reformierten geschafft haben. Was würde ein solcher Schritt bedeuten?
Peter Haag:
Dann besteht die Gefahr, dass ein Kleriker-Blatt entsteht. Insofern kann ich nur hoffen, dass die verschiedenen Pfarrblätter künftig enger zusammenarbeiten und dadurch die regionale Vielfalt unserer Schweizer Kirche erhalten bleibt.

 

Peter Haag:

Geboren: 1933 im Thurgau.
Beruf(e): Buchbinder und Druckereifachmann, Studium in der Missionsgesellschaft Bethlehem, Immensee, seit 1978 ständiger Diakon im Kanton Aargau.
Aktuelle Tätigkeit: Pensioniert und gelegentlich aktiv als Diakon.
Ämter bei Horizonte: Bei der Gründung führte ich die Verhandlungen mit den Druckereien. Ab 1998 für drei Jahre Präsident.

 

Martin Brander:

Geboren: 1943
Studium/Beruf(e): Studium der Philosophie, Germanistik und Theologie, Abschluss mit Doktorat. Katechetik-Kurs, Fachpressekurs MAZ. Religionslehrer an Bezirks- und Mittelschulen, Journalist und Redaktor bei Horizonte.
Aktuelle Tätigkeit: Pensioniert. Weiterhin Auseinandersetzung mit dem Islam sowie religionswissenschaftlichen und interkulturellen Fragen.
Redaktor bei Horizonte: 1985-2008 Redaktor bzw. Redaktionsleiter, Webmaster, Reiseleiter Leserreisen, Präsident der Arpf – Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Pfarrblattredaktionen (1987-1998).

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.