28.11.2017

Gebenstorf: Wertedebatte mit Gerhard Pfister, Cédric Wermuth, Maya Bally und Thomas Burgherr

Von Andreas C. Müller

  • Die Podiumsdiskussion bildete den Abschluss einer fünfteiligen Veranstaltungsreihe mit dem Titel «Unsere Werte – unsere Rechte»
  • Durch den Abend führte der bekannte Publizist und ehemalige AZ-Chefredakteur Hans Fahrländer.
  • Am Beispiel der Konzernverantwortungsinitiative und der SVP-Selbstbestimmungsinitiative konkretisierten die geladenen Polit-Gäste ihre Haltungen.

 

Immer wieder gelingt es der ökumenischen Erwachsenenbildungsgruppe Gebenstorf, die seit diesem Jahr unter dem Namen «Podium Wasserschloss» auftritt, hochkarätige Gäste an ihren Veranstaltungsreihen zu präsentieren. So auch dieses Jahr. Unter dem Titel «Unsere Werte – Unsere Rechte» referierten dieses Jahr Koryphäen wie alt Bundesrichter Giusep Nay über Menschenrechte, Völkerrecht und Wertewandel. Zum traditionsgemässen Schlusspodium kamen CVP-Präsident Gerhard Pfister, BDP-Grossrätin Maya Bally-Frehner, SP-Nationalrat Cédric Wermuth und der Aargauer SVP-Präsident Thomas Burgherr. Die Moderation übernahm der bekannte Publizist Hans Fahrländer.

«Landeskirchen sollen christliches Gedankengut verteidigen»

«Warum reden denn plötzlich alle Politiker von Links bis Rechts vom Wertewandel?» wollte Moderator Hans Fahrländer zum Einstieg von den Podiumsgästen wissen. «Weil der Westen seit dem Anschlag auf das World Trade Center in New York im Jahre 2001 durch neue Ideologien herausgefordert ist», meinte CVP-Nationalrat Gerhard Pfister. «Unter anderem ist in diesem Zusammenhang die Politisierung von Religion zu einem neuen Konfliktfeld geworden.»

Die Auswirkungen dieser Entwicklung seien bereits sichtbar, ergänzte Thomas Burgherr, Präsident der SVP Aargau. «Meines Erachtens haben die Landeskirchen die Aufgabe, das christliche Gedankengut zu verteidigen. Besonders wenn eine Partei wie die SP den Islam zur Landesreligion machen möchte. Das wollen wir bei der SVP nicht sehen.»

«Werthaltungen sind problematisch, wenn sie ausgrenzen»

Zur Frage des Moderators, inwieweit man mit Werten Wahlkampf mache, kritisierte Gerhard Pfister, dass eine solche Frage nicht zielführend sei. «Die Leute wollen doch wissen, wo die Politiker stehen. Wenn man dann sagt, es gehe bei den Werten nur um Wahlkampf, dann ist das ein Totschlagargument.» Auch SP-Nationalrat Cédric Wermuth räumte ein: «Wir Politiker machen eigentlich immer mit Werthaltungen Politik. Problematisch ist das nur, wenn Werthaltungen dazu verwendet werden, um Leute auszugrenzen.»

Alsbald kam Hans Fahrländer auf die «Gerhard Pfister-Debatte» zu sprechen, wie er es nannte. Für alle, denen sich nicht unmittelbar erschloss was der ehemalige Chefredaktor der Aargauer Zeitung meinte, präzisierte Hans Fahrländer: «Herr Pfister, Sie behaupten, unsere Gesellschaft basiert auf christlichen Werten. Wie kommen Sie dazu?»

«Ja, wir leben in einer christlich-jüdischen Tradition»

Das ist eine Feststellung, die ich einmal gemacht habe – und ich bin nicht der einzige. Erstaunlich ist, dass mir aufgrund dieser Feststellung vorgeworfen wird, ich betreibe Ausgrenzung.» Dabei sei das Christentum doch jene Religion, die als einzige jedem einzelnen eine Würde gebe. «Jeder einzelne Mensch ist gleich viel wert, weil jeder Mensch ein Kind von Gott ist.»

BDP-Grossrätin Maya Bally-Frehner stimmte Gerhard Pfister in Teilen zu und bekannte: «Ja, wir leben in einer christlich-jüdischen Tradition. Darauf berufen wir uns ja auch in der Präambel der Bundesverfassung.»

«Ein Staat darf heute keine Religion mehr bevorzugen»

«Aber wir sind ein säkularer Staat», fiel Cédric Wermuth ein. «Als Atheist kann ich mit dieser Präambel nichts anfangen», so der Co-Präsident der SP Aargau. «Insofern bin ich da ausgegrenzt. Das zentrale Prinzip eines modernen liberalen Staates ist die Anerkennung der individuellen Freiheit. Insofern darf ein Staat heute nicht mehr eine bestimmte Religion einfach bevorzugen.

Auf den Vorwurf von Cédric Wermuth, dass man sich mit dem Christentum zudem auf eine Religion stütze, namens derer die Kirche «vielen Menschen unendlich viel Leid» zugeführt habe, entgegnete Gerhard Pfister, dass im Namen des Sozialismus mindestens genau so viel Leid über die Welt gekommen sei.»

«Finanzflüsse sprechen gegen öffentlich-rechtliche Anerkennung des Islam»

Ob denn der Islam öffentlich–rechtlich anerkannt werden soll, wollte Hans Fahrländer alsbald wissen und leitete zum nächsten Thema über. Für Maya Bally-Frehner eine zwiespältige Frage, wie sie eingestand. Wahrscheinlich würde es den gemässigten und gut integrierten Muslimen erlauben, sich von den radikalen Muslimen zu distanzieren, mutmasste die BDP-Grossrätin zunächst und ergänzte dann: «Es gibt auch Gründe, die dagegen sprechen: Zum Beispiel die Finanzflüsse, die bei den Muslimen immer wieder in der Kritik stehen.

Für Thomas Burgherr und Gerhard Pfister hingegen stand einmütig fest: Nein. «Sogar Muslime sagen: Macht das ja nicht», argumentierte Gerhard Pfister. «Das Ziel des politischen Islam ist nämlich nicht die Integration. Vielmehr wollen die Muslime mittels Strukturen einer Landeskirche Parallelstrukturen aufbauen. Es sei ein Fehlschluss, zu glauben, man müsste den Islam zur Landeskirche machen, damit die Muslime besser integriert seien, resümierte der CVP-Präsident. Cédric Wermuth wollte das nicht gelten lassen und meinte, dass für eine islamische Landeskirche das katholische Modell Vorbild sein könnte, in welchem eine staatkirchenrechtliche Körperschaft einer Klerikalkirche gegenüber stehe.

«Konzerninitiative ist gut gemeint, aber verheerend»

Im Zusammenhang mit Werthaltungen thematisierte Moderator Hans Fahrländer auch zwei Volksinitiativen, über die das Schweizer Stimmvolk im kommenden oder übernächsten Jahr wird abstimmen müssen (Daten noch nicht festgelegt): Die Konzernverantwortungsinitiative (eingebracht von verschiedenen NGOs, darunter auch Fastenopfer) und die Selbstbestimmungsinitiative der SVP (Schweizer Recht statt fremde Richter).

Für die «Kovi» brach Cédric Wermuth eine Lanze, während Gerhard Pfister erklärte, dass die Initiative zwar gut gemeint, aber «verheerend» für die Schweizer Wirtschaft sei. Jedes Unternehmen – auch ein KMU – könne künftig aufgrund von Verflechtungen mit dem Ausland eingeklagt werden. «Aber die Klagen kommen dann nicht von den Opfern, sondern von US-Anwälten, welche Schweizer Firmen in den Ruin klagen werden», prophezeite der CVP-Präsident.

Das stimme doch überhaupt nicht, wehrte sich Cédric Wermuth. Es gehe darum, dass gegen Unternehmen wie Glencore, die in Südamerika oder Afrika Menschen ausbeuten und die Umwelt verschmutzen, gesetzliche Massnahmen wirksam werden könnten.

«Die Selbstbestimmungsinitiative ist unglaubwürdig»

Ebenfalls auf Kritik stiess die SVP-Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter». Deren Ziel: Die Bundesverfassung als oberste Rechtsquelle über das Völkerrecht stellen. Auch Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte müssten dann nicht beachtet werden, wenn sie der Schweizer Verfassung oder einem Entscheid von Volk und Ständen widersprechen.

«Wenn wir uns zu Menschenrechten und Völkerrecht bekennen, dann müssen wir auch gewisse Verträge einhalten», erklärte Maya Bally-Frehner und gab zu bedenken, dass sie die Initiative als «Gefährdung unserer Glaubwürdigkeit und Rechtssicherheit» sehe. «Wir können doch hier nicht 60 Minuten lang sagen, die Muslime müssen sich an Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte halten und selber Menschenrechte und Völkerrecht zur Disposition stellen», ergänzte Gerhard Pfister. «Das ist doch total unglaubwürdig. Diese Initiative ist genauso unbrauchbar wie die Konzernverantwortungsinitiative.»

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