17.09.2018

Geflüchtete und Einheimische zusammen am Herd

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Unter dem Motto «grenzenlos geniessen» kochten am Sonntag, 16. September, in Stein Menschen aus Eritrea, Syrien, Afghanistan, Pakistan und weiteren Ländern zusammen mit Einheimischen.
  • Die Organisation «JASS» unterstützt mit solchen Anlässen die Integration von Minderheiten in unsere Gesellschaft.
  • Dabei setzt der 2015 gegründete Verein auf Information und Begegnung zum Abbau von Vorurteilen.

 

Zakiy hat den unangenehmsten Job erwischt. Er lässt Teigtaschen von der Kelle ins siedende Öl gleiten. Sein Griff um den Pfannenstiel ist fest, mit kreisenden Bewegungen frittiert er den teigigen Halbmond. Und immer mal wieder trifft ihn ein Spritzer heisses Öl. Schnell springt er einen Schritt zurück, um seine Arbeit gleich wieder aufzunehmen. Unterdessen wallt Sami Teigkreise aus, sein Nebenmann streicht die Füllung aus Lauch und Kartoffeln auf eine Hälfte. Zwei junge Männer mustern skeptisch den Reis in der Pfanne und geben dann bekannt, dass er in sieben Minuten bereit sei. Während Zakiy und seine Kollegen das Menü fertigkochen, hilft Andrea den Tisch decken, Fitsum holt Stühle und Seline richtet das Buffet ein.

Anfängliches Chaos ist gewollt

Es sind die letzten Minuten einer dreistündigen Kochphase. Punkt siebzehn Uhr wird das Essen serviert. Zubereitet haben die verschiedenen Speisen Menschen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, Pakistan, Taiwan und weiteren Ländern zusammen mit Einheimischen. «Grenzenlos geniessen» heisst der Anlass, den der Verein «JASS» am Sonntagnachmittag, 16. September, im Saalbau in Stein organisiert hat. Die Kochnachmittage finden seit längerem in verschiedenen Gemeinden im Kanton Zürich und seit diesem Jahr auch im Aargau statt. Diesen Herbst kocht JASS in Baden, Mägenwil, Stein, Wohlen und Würenlos. So kommen zugewanderte, geflüchtete und in der Schweiz beheimatete Menschen am Kochherd und am Esstisch zusammen. Dabei ergibt sich anfangs jeweils ein Chaos. Das ist gewollt. Die Leute sollen sich selbständig organisieren. Nach einiger Zeit gelingt es den unterschiedlichen Menschen, gemeinsam die Zutaten auszuwählen, die Aufgaben zu verteilen und eine feine Speise zu kochen. Auf Hochdeutsch und Englisch, gestikulierend und einander übersetzend, schaffen es die Teams immer irgendwie, sich zu verstehen. Ist das Essen dann auf dem Tisch, ist bereits eine Basis für den tieferen Austausch geschaffen.

«Es ist nur ein Kopftuch»

Der Verein JASS setzt auf Information und Begegnung, um die Integration von Minderheiten in unsere Gesellschaft zu unterstützen. Auf der Suche nach einem Rezept, um Vorurteilen, Rassismus und Diskriminierung zu begegnen, gründete die Sozialarbeiterin Judith Bühler im Herbst 2015 diese Organisation. In einem früheren Pressebericht hielt sie fest: «Wir wollten Solidarität dem Hass gegenüberstellen». Der Vereinsname leitet sich von der Abkürzung für den englischen Satz «just a simple scarf» ab. Auf Deutsch: «Nur ein einfaches Tuch». Das ging Judith Bühler durch den Kopf, als sie wieder einmal einen Bericht über das Reizthema Kopftuch las. JASS bringt zum Ausdruck, dass wir im Umgang mit Geflüchteten nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen sollen.

Aufsuchende Arbeit im Vorfeld

Inzwischen arbeiten neun Frauen und Männer in Teilzeitpensen für die Geschäftsstelle von Jass. Dazu kommen ein dreiköpfiger Vorstand sowie viele ehrenamtliche Mitarbeitende. Ana Laguna arbeitet ungefähr 20 Prozent als Personalleiterin für den Verein. Sie hat für den Kochanlass in Stein zusammen mit dem freiwilligen Mitarbeiter Ebnomer Taha die Leitung übernommen. Einem solchen Kochevent gehe eine längere Vorarbeit voraus, erklärt sie. Dazu gehört die aufsuchende Arbeit. Für den aktuellen Anlass in Stein hat Seline Keller von der Koordinationsstelle für Freiwilligenarbeit im Asylbereich die Aufgabe übernommen, Menschen in Asylzentren und Deutschkursen zu besuchen und zum Anlass einzuladen. Die Koordinationsstelle «mit.dabei-Fricktal» und die Gemeinde Stein unterstützten JASS, der als Verein primär in Zürich beheimatet und auf lokale Partner angewiesen ist. Entscheidend ist aber auch, dass Einheimische die Kochanlässe besuchen. Denn ohne Mitglieder der «Aufnahmegesellschaft», wie Ana Laguna sagt, funktioniert die Integration nicht.

Es braucht auch die Einheimischen

Das ist ein Punkt, den auch Andrea Porriciello hervorhebt. Sie ist im Gemeinderat von Stein für das Ressort Gesundheit und Soziales verantwortlich und half mit ihrer Familie am Sonntag beim Kochen. «Es ist ein toller Anlass und die Idee überzeugt mich», sagt sie. Ein wenig schade sei, dass nur wenige Schweizerinnen und Schweizer gekommen seien. Andrea Porriciello sagt: «Das nächste Mal werde ich die Leute in meinem Umfeld persönlich ansprechen und einladen».

 

Die nächsten Kochanlässe «grenzenlos geniessen» im Aargau:

Samstag, 22. September, Würenlos

Sonntag, 23. September, Mägenwil

Sonntag, 17. November, Wohlen

Infos und Anmeldung unter www.jass-mit.ch

 

 

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