12.02.2018

Getreide- und Reisbanken als Weg in die Eigenständigkeit

Von Daniel Wiederkehr und Madlaina Lippuner/ Fastenopfer

  • Die Adivasis leben im Nordosten Indiens, im Bundesstaat Assam. Viele leiden an Armut und sind sozial geächtet. Dank eines Fastenopfer-Projekts konnten sie wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und ihre Ernährung sichern.
  • Rund 70 Prozent der Adivasis, konnten ihr Land zurückgewinnen. In vielen Dörfern haben die Adivasis nun genug zu essen und können ein würdiges Leben führen.
  • Die Schlüsselfigur für den Erfolg des Fastenopfer-Projekts war und ist Priester Caesar Henry. Im Interview berichtet er über seine Erfahrungen.

 

Weshalb engagieren Sie sich für die Adivasis, Caesar Henry?
Caesar Henry: Zusammen mit den «Unberührbaren», den Dalits, gehören die Adivasis zur Bevölkerungsgruppe, die unterdrückt, ausgegrenzt und ausgebeutet wird wie keine andere in Indien. Die Adivasis besitzen keine Rechte und sind geächtet in der Gesellschaft. In den Adivasis sieht man in Assam bloss die Tagelöhner auf den Teeplantagen. Hunger, Analphabetismus, Verschuldung und die Unterdrückung der Frauen bringen die Adivasis dabei in existentielle Nöte.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Adivasis aus?
Die Adivasis müssen sich von Geldverleihern und ausnützenden Kräften befreien können. Getreide- und Reisbanken geben ihnen die nötige Eigenständigkeit. Mittlerweile hat sich daraus eine ganze Bewegung gebildet, von der nun rund 4 000 Personen in 370 Dörfern profitieren können. Die Animatoren des Fastenopfer-Projektes zeigen den Adivasis, wie die Getreide- und Reisbanken funktionieren. Ausserdem müssen sie sich politisch einbringen können, um für ihre Rechte einzustehen. Auch dazu werden sie geschult. Wir begleiten langfristig Menschen, damit sie ihre eigene Gesellschaft verändern können.

Wie funktioniert so eine Getreidebank?
Erst wurden Getreidebanken bei Männern umgesetzt. Später haben die Frauen analog dazu Reisbanken gestartet. Beide basieren auf Solidarität, bei welchem sich die Mitglieder gegenseitig zinslos aushelfen und sich so von den Wucherzinsen der Geldgeber befreien. So wird etwa vor dem Kochen täglich eine Handvoll Reis zurückgehalten und gesammelt. Diesen legen die Frauen zusammen und geben davon an Familien, die keinen Reis für den Tag haben.

Wo liegen die grössten Schwierigkeiten?
Die Adivasis waren so lange unterdrückt und in den Teeplantagen so gefangen, dass sie ihr Vertrauen verloren haben. Wir mussten ihnen zuerst aufzeigen, wie wichtig es ist, das Land zu besitzen, auf dem sie arbeiten. Nur so ist ihre Nahrungssicherheit langfristig gewährleistet. Und ihre Kultur, ihre Identität und Spiritualität sind dabei sehr wertvoll, um für die eigenen Rechte einzustehen. Mit der Stärkung der Adivasis haben wir uns natürlich nicht nur Freunde eingehandelt, gerade bei den Geldverleihern, die nun ihr Geschäft verloren hatten.

 Können Sie auch über positive Erlebnisse berichten?
Bis heute konnten in Assam rund 70 Prozent der Adivasis, welche ihr Land an stammesferne Gruppen verpfändet hatten, ihr Land zurückgewinnen. In vielen Dörfern haben die Adivasis nun genug zu essen und können ein würdiges Leben führen. Ihre Kinder werden in die Schule geschickt und niemand verhungert. Kein Kind muss mit leerem Magen ins Bett. Auch sind sie ins politische Leben eingebunden – in der lokalen Selbstverwaltung. Sie kümmern sich um die Sozialhilfe und die Entwicklung der Region. Und von den derzeit 38 Adivasis-Regierungsmitgliedern sind 19 Frauen. Viele der Adivasis lächeln wieder. Das war alles, was ich wollte, und es ist mein grösstes Glück.

Was wünschen Sie sich für Ihren Besuch bei uns in der Schweiz?
Zuerst einmal möchte ich «Danke» sagen. Viele Adivasis leben heute befreit und gestärkt. Das motoviert mich, weiterzumachen. Zweitens möchte ich sagen, dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben, eine gerechte Gesellschaft aufzubauen. Ihr habt die Verantwortung, eure Hand auszustrecken, eure Liebe zu erweitern zu den Armen, Unterdrückten und an den Rand der Gesellschaft Gedrängten.

 

Treffen Sie Father Henry:

Während der Ökumenischen Kampagne feiert Cesar Henry in den Schweizer Pfarreien Gottesdienst und informiert über die Situation in Nordostindien und die erzielten Projekterfolge.

Sa 17. 2., 18 Uhr, Däniken, Solothurn, Röm.-kath. Pfarramt St. Josef
So, 18.2., 9 Uhr, Walterswil, Solothurn, Röm.-kath. Pfarramt St. Josef
So, 18.2., 10.15 Uhr, Schönenwerd, Solothurn, Röm.-kath. Pfarramt
Sa, 24. 2.2, 18 Uhr, und So, 25.2., 16 Uhr: Zürich-Seebach, Pfarrei Maria Lourdes
Sa, 3.3, 17.30 Uhr, und So, 4.3., 16 Uhr Uhr: Zürich, Citykirche Liebfrauen

 

Die Ökumenische Fastenkampagne 2018

Politische Spannungen, Ungleichheit und Klimakrise verschärfen sich immer mehr. Am stärksten leiden die Menschen, die bereits wenig haben. Auch unser Handeln in der Schweiz hat Einfluss auf die Lebensbedingungen in armen Ländern. Eine wirkliche Verbesserung der menschenunwürdigen Situation ist dort nur möglich, wenn auch wir uns verändern. Unter dem Motto «Werde Teil des Wandels» zeigen Fastenopfer, Brot für alle und Partner sein in der Ökumenischen Kampagne 2018 deshalb Handlungsmöglichkeiten auf.

www.sehen-und-handeln.ch

 

Themen Aktuelles Welt
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