Leserbeiträge

Gott geht nicht mehr an die Urne

05.10.2020

Von Kurt Wiedemeier, Baden

Der Titel ist theologisch schlicht falsch. Gott ging noch nie an die Urne. Menschen gingen, gehen und werden auch in Zukunft an die Urne gehen. Es stimmt mich sehr nachdenklich, wenn im Artikel suggeriert wird, dass christliches Gedankengut nur dann in der Politik vertreten sei, wenn die CVP weiterhin ihren Namen beibehält. Ich selber politisiere in dieser Partei und distanziere mich klar und deutlich von einer solchen Anmassung. Auch Vertreter und Vertreterinnen der anderen Parteien können durch christliche Werte in ihrem politischen Engagement motiviert sein. Ohne das christliche «C» im Namen sei der Beweis erbracht, dass christliches und damit auch kirchliches Gedankengut nicht mehr erwünscht sind, behauptet der Artikel. Ich staune ob solch einfältiger Argumentation. Die Verknüpfung von christlich und kirchlich ist schlicht nicht haltbar. Dass die katholische Kirche mit ihren Skandalen und ihrem sturen Festhalten an biblisch nicht begründbaren Positionen (Zölibat, Ausschluss der Frauen, Empfängnisverhütung, etc.) ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, kann nicht übersehen werden. Damit ist aber die Kraft der christlichen Botschaft nicht automatisch mitgemeint. Das zeigt auch der Vorschlag für einen neuen Namen mit einem neuen Auftritt: Die Mitte. Freiheit, Solidarität, Verantwortung. Wir müssen das «C» nicht im Namen tragen, aber im Herzen und in der konkreten politischen Arbeit. Dem Parteiprogramm der Mitte fehlt es definitiv nicht an einem klaren Bekenntnis zu christlichen Werten. Der politische Gegner kann uns in Zukunft nicht mehr billig als die ewig gestrigen Katholiken in eine Ecke stellen. Die Mitte ist auch attraktiv für eine Generation, die nicht mehr konfessionell sozialisiert wurde. (ungekürzte Fassung: hier)