15.08.2016

Grosszügiger Aargau, geiziges Zürich

Von Andreas C. Müller

Bund und Kantone müssen sparen. Das trifft auch die Entwicklungshilfe, was von kirchlicher Seite gern kritisiert wird. Horizonte hat darum geschaut: Wie viel investieren denn die katholischen Landeskirchen in die Entwicklungshilfe, und ist der Bund demgegenüber wirklich so knauserig, wie er oft dargestellt wird?

Drei Fragen, die bei den Römisch-Katholischen Landeskirchen der Kantone Aargau, Zürich, Basel-Landschaft und Stadt sowie in Bern und Solothurn Überraschendes ergaben: Wie viel wurde 2015 für Entwicklungshilfe ausgegeben? Gemessen an welchen zur Verfügung stehenden Einnahmen insgesamt? Bei wie vielen Mitgliedern?

Basel-Stadt mit Spielraum

Die Römisch-Katholische Landeskirche Aargau investierte im vergangenen Jahr 228 000 Franken in Entwicklungshilfe im Ausland, das sind 1,58 Prozent der gesamten Einnahmen aus jenem Jahr (14,4 Millionen). Knapp dahinter folgt Baselland mit 157 000 Franken, umgerechnet 1,33 Prozent der Gesamteinnahmen (11,8 Millionen). Weiter zurück fällt Basel-Stadt. Dort investierte die katholische Kirche 88 000 Franken, das sind lediglich noch 0,41 Prozent der Gesamteinnahmen aus dem Jahre 2015 (21,3 Millionen).

Doch hätte Basel-Stadt eigentlich mehr Spielraum: «Ein Fonds für Mission, Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfe kann jährlich einen von der Synode budgetierten Betrag ausgeben. Im Jahre 2015 wären dies bis zu 100 000 Franken gewesen», erklärt Matthias Schmitz, Informationsbeauftragter des Kirchenrates. «Die tatsächlich gesprochene Summe hängt aber von der Art und Anzahl der Hilfsgesuche ab. Das nicht verwendet Geld bleibt zweckgebunden für Entwicklungshilfe und wird bei grossen Projekten oder Katastrophenfällen abgerufen.»

Nicht einmal 0,1 Prozent aus Zürich

Die Römisch-Katholische Landeskirche Zürich hat gegenüber den bereits erwähnten staatskirchenrechtlichen Körperschaften das grösste Budget. Mehr als das Doppelte der Basler Landeskirche und in etwa das Vierfache der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau. Doch die Zürcher Landeskirche zahlte in den vergangenen Jahren lediglich zwischen 55 000 und 230 000 Franken für Entwicklungsprojekte. Das macht bei 60 Millionen Franken Einnahmen maximal 0,4 Prozent an den Gesamteinnahmen. Im Jahre 2015 waren es mit 55 000 gerade einmal 0,09 Prozent.

«Eigentliche Entwicklungshilfe wird von der Kantonalkirche selbst nicht geleistet», erklärt Simon Spengler, Bereichsleiter Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich auf Nachfrage. «Die Kantonale Körperschaft leistet Nothilfe bei aktuellen Krisensituationen – zum Beispiel für Flüchtlinge in Syrien oder Irak.» Viele Kirchgemeinden im Kanton Zürich unterstützen aber in diesem Bereich diverse Projekte, ergänzt Simon Spengler.

An den Budgets spiegeln sich die Mitgliederzahlen: Mit 394 000 und 220 000 Katholiken stehen die bevölkerungsreichen Kantone Zürich und Aargau weit vorn. Dahinter folgen Solothurn mit 91 000, Baselland mit 79 000 und Basel-Stadt mit 27 000 Mitgliedern. Interessant beim Vergleich: die Römisch-Katholische Landeskirche in Basel-Stadt hat bei weniger Mitgliedern mehr Einnahmen als die Schwesterkirche im Landkanton – und erhebt, wie der Aargau, erst noch keine Kirchensteuern für juristische Personen.

Sonderfälle Bern und Solothurn

Weiter überraschen die Zahlen aus Solothurn. Dort, wie in Bern, stehen den Römisch-Katholischen Landeskirchen jeweils keinen Franken für Entwicklungshilfe zur Verfügung. «Im Kanton Bern verfügen die Kirchgemeinden über teilweise sehr hohe Budgets für Entwicklungshilfe. Dafür stellen sie der Landeskirche kein Geld für solche Aufgaben zur Verfügung», erklärt die Verwalterin der Römisch-Katholischen Kirche im Kanton Bern, Regula Furrer. «Im Vergleich zu anderen Kantonen haben wir in Bern ganz andere Kirchenstrukturen, und demzufolge hat die Landeskirche auch ganz andere Aufgaben mit entsprechend anderen Mitteln.»

Ähnlich präsentiert sich die Situation auch in Solothurn, wo der Landeskirche rund 4 Millionen Franken jährlich zur Verfügung stehen. «In früheren Jahren wurden bei einzelnen Katastrophenfällen zehn bis fünfzehn Tausend Franken zur Verfügung gestellt» , so Kurt von Arx, Vizepräsident der Römisch-katholischen Synode des Kantons Solothurn.

Überraschung 1: Stadt Bern sogar vor Aargau

Die Entwicklungshilfe fällt demnach sowohl in Solothurn als auch in Bern direkt und ausschliesslich in die Zuständigkeit der Kirchgemeinden. Von Seiten der «Grossen» – Bern, Biel, Thun, Langenthal und Interlaken komme jedes Jahr eine beträchtliche Summe zusammen, heisst es von Seiten der Berner Verwalterin Regula Furrer. Und in der Tat: Auf Nachfrage bei der Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung erklärt Rolf Frei: «Wir haben einen Fonds für Entwicklungshilfe, aus dem jährlich 450 – 500 000 Franken in verschiedene Projekte fliessen.» Auf die Gesamteinnahmen von 28 Millionen Franken im Jahre 2015 macht das 1,79 Prozent – also mehr als die Römisch-Katholische Landeskirche Aargau für Entwicklungshilfe zur Verfügung stellt.

Überraschung 2: Bund grosszügiger als Kirchen

Und macht man nun die Rechnung auch noch beim Bund auf gleiche Art und Weise, also nimmt man nicht das Bruttonationaleinkommen als Referenzwert, sondern die Einnahmen, dann resultiert für die Entwicklungshilfe nicht bloss ein Anteil von lediglich 0,5 Prozent. 3,4 Milliarden Franken für Entwicklungshilfe zahlte der Bund im Jahre 2015. Das waren bei einem Gesamteinkommen von 67,5 Milliarden sage und schreibe 5 Prozent.

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